Ein Jahr Präsident Duque:
"Friedensprozess blutet aus"

„Die Bilanz des ersten Amtsjahres von Kolumbiens Präsidenten Iván Duque ist niederschmetternd“, betont die Kolumbien-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Monika Lauer Perez. 439 Menschenrechtsverteidiger, Umweltschützer, Anführer von Indigenen und Afrokolumbianern sowie frühere Kämpfer sind  seit dem Amtsantritt von Duque am 8. August 2018 ermordet worden.

Frieden? Nach einem Jahr unter dem neuen Präsident Duque nun ist der kolumbianische Friedensprozess "geschwächt, gespalten und zerbrochen", wie der Adveniat-Projektpartner Juan Carlos Barreto Barreto, Bischof von Quibdó, feststellt.

Frieden? Nach einem Jahr unter dem neuen Präsident Duque nun ist der kolumbianische Friedensprozess "geschwächt, gespalten und zerbrochen", wie der Adveniat-Projektpartner Juan Carlos Barreto Barreto, Bischof von Quibdó, feststellt. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

„Es ist offensichtlich, dass der Friedensprozess in Kolumbien seit der Amtseinführung von Präsident Iván Duque stark geschwächt, gespalten und zerbrochen wurde“, beklagt Adveniat-Projektpartner Juan Carlos Barreto Barreto, Bischof von Quibdó, im Interview. Die aktuelle Regierung habe die für den Friedensprozess eingesetzten Institutionen – wie die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden, die Kommission für die Suche nach Verschwundenen und die Wahrheitskommission – „diskreditiert, geschwächt und nicht weiter finanziert“. „Es ist beunruhigend, dass Präsident Duques Nationaler Entwicklungsplan das Friedensabkommen nicht anerkennt und unsichtbar macht“, sagt Barreto Barreto. Als wichtigste Schritte hin zu einem friedlicheren Kolumbien fordert der Bischof von Quibdó einen strategischen Plan zur Überwindung der extremen sozialen Ungleichheit in Kolumbien, der die wirtschaftliche und soziale Struktur auf radikale Weise verändert, die Einhaltung der Punkte des Friedensabkommens, die Wiederaufnahme des Dialogs mit der Guerillagruppe ELN und die effektive Bekämpfung der Korruption in den Behörden.  

Für die Friedens- und Menschenrechtsarbeit in Lateinamerika.

„Die Bilanz des ersten Amtsjahres von Kolumbiens Präsidenten Iván Duque ist niederschmetternd“, betont auch die Kolumbien-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Monika Lauer Perez. 439 Menschenrechtsverteidiger, Umweltschützer, Anführer von Indigenen und Afrokolumbianern sowie frühere Kämpfer sind laut dem Institut für Entwicklung und Frieden (INDEPAZ) seit dem Amtsantritt von Duque am 8. August 2018 ermordet worden. „Der Staat ist nicht in der Lage, seine Bürger zu schützen, schlimmer noch, Duque lässt den Friedensprozess im wahrsten Wortsinn ausbluten“, sagt Lauer Perez und verurteilt damit auch die von Bischof Barreto Barreto angesprochenen systematischen, massiven Mittelkürzungen der für den Friedensprozess eingesetzten Institutionen. 

Welle von Gewalt, Hunger und Perspektivlosigkeit

„Das größte Problem ist die maßlose Gewalt, die diffuser geworden ist“, sagt die Kolumbien-Expertin. Nach wie vor seien Teile Kolumbiens rechtsfreie Zonen – mit dem Unterschied, dass die Menschen früher gewusst hätten, welche Gefahren wo lauern, weil sie die Akteure kannten. „Heute ist die Einstufung der Gefahr fast unmöglich, da sich die Guerillagruppen ELN, EPL, die Farc-Dissidenten, die Drogenkartelle und die neoparamilitärischen Gruppen mit Waffengewalt um die ehemaligen Farc-Hoheitsgebiete streiten.“ Leidtragende ist laut Lauer Perez vor allem die Zivilbevölkerung – insbesondere auf dem Land: Wieder seien es die Kleinbauern, Indigenen und Afrokolumbianer, die die Welle von Gewalt, Hunger und Perspektivlosigkeit mit voller Wucht trifft. „Die Regierung unter Präsident Duque muss die Bürger vor der zügellosen Gewalt schützen, den Dialog mit der ELN unbedingt wiederaufnehmen und die Landreform –  wie im Friedensabkommen vorgesehen – umsetzen, damit der Frieden endlich bei denen ankommt, die am meisten unter dem Krieg gelitten haben und weiterhin leiden“, lautet der eindringliche Appell der Kolumbien-Expertin. „Es braucht soziale Gerechtigkeit und strukturelle Veränderungen, um den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen.“

Mit seiner diesjährigen Weihnachtsaktion unter dem Motto „Friede! Mit dir!“ möchte Adveniat auch auf die dramatische Situation in Kolumbien hinweisen. Das Lateinamerika-Hilfswerk unterstützt mit rund drei Millionen Euro jährlich die Friedensarbeit der Kirche in Kolumbien, darunter die Nationale Versöhnungskommission. Adveniat steht an der Seite derer, die in den vielen regionalen Friedensinitiativen über die gesellschaftlichen Gräben hinweg friedliche Konfliktlösungsstragien vor Ort entwickeln und einüben.