„Rechtsstaatlichkeit darf nicht untergraben werden“

Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck zur Situation in Bolivien

Essen, 16. Juli 2018. Mit Sorge beobachtet Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck die politische Entwicklung in Bolivien. „Die Grundpfeiler eines demokratischen Staates wie zum Beispiel die Gewaltenteilung werden untergraben“, sagte der Vorsitzende der Bischöflichen Kommission Adveniat zum Abschluss seiner Reise in das südamerikanische Land. Präsident Evo Morales habe die Justiz instrumentalisiert, um zum dritten Mal zur Wahl als Präsident antreten zu können, obwohl dies die Verfassung verbiete. Morales hatte zuvor in einem Referendum über die Möglichkeit einer dritten Amtszeit abstimmen lassen; die Bolivianer hatten sich mehrheitlich dagegen entschieden, daraufhin ließ er die Verfassung zu seinen Gunsten ändern. „Die Rechtsstaatlichkeit darf nicht untergraben werden“, betonte Overbeck. 

Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck trifft Aymara-Indigene in Tiahuanaco im Hochland bei La Paz, die einen Projektantrag überreichen. Foto: Christian Frevel/Adveniat
Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck (Mitte) beim Treffen mit der Bolivianischen Bischofskonferenz in Santa Cruz. Foto: Christian Frevel/Adveniat

Obwohl in der Verfassung des plurinationalen Staates Bolivien der Schutz der „Mutter Erde“ festgeschrieben sei, treibe Präsident Morales eine Wirtschaftspolitik voran, die zu Lasten der Umwelt und der Indigenen gehe. „Auf dem Boden indigener Bevölkerungsgruppen werden Wasserstaudämme gebaut, ohne sie zuvor zu befragen“, sagte Bischof Overbeck. „Dies widerspricht der ILO-Konvention 169, die Bolivien mitunterzeichnet hat und die eine Befragung der betroffenen indigenen Gruppen vorsieht.“

Der Adveniat-Bischof hatte im Rahmen seiner Reise an der Eröffnung des 5. Amerikanischen Missionskongresses in Santa Cruz teilgenommen und sich dort auch mit der Bolivianischen Bischofskonferenz getroffen. „Die Kirche in Bolivien sieht sich massiven Herausforderungen gegenüber, die vor allem in der anhaltenden Migration aus den ländlichen Gebieten des Hochlandes in die Großstädte, aber auch in das Tiefland begründet sind“, sagte Overbeck. Angesichts zurückgehender Priesterberufungen in Bolivien und des Rückgangs ausländischer Priester und Ordensleute im Land sei es wichtig, die Rolle der Laien in der Pastoral zu stärken. Adveniat unterstütze daher beispielsweise Ausbildungsangebote der Kirche für Katechisten. Es gelte zudem neue Formen der Großstadtpastoral zu entwickeln. Die Volksreligiosität spiele in diesem Kontext eine große Rolle, sagte der Adveniat-Bischof. Sie sei in Bolivien prägend und mit zahlreichen Elementen indigener Traditionen durchmischt. Es sei wichtig, weiterhin an einer „indigenen Theologie“ zu arbeiten.

Beim Treffen mit den bolivianischen Bischöfen in Santa Cruz konnte Overbeck auch mit Bischof Toribio Ticona Porco sprechen, der im Alter von 81 Jahren von Papst Franziskus zum Kardinal berufen worden war. Der Kardinal gilt als ein Mann aus dem Volk, der als Kind als Schuhputzer arbeiten musste. „Bolivien ist das ärmste Land auf dem südamerikanischen Kontinent“, sagte Overbeck. „Es ist wichtig, dass mit Kardinal Ticona ein aufrechter Kämpfer für die Armen in Bolivien diese Würdigung erfahren hat.“

Bischof Overbeck wurde auf seiner Reise begleitet von den beiden Weihbischöfen Reinhard Hauke aus Erfurt und Rolf Steinhäuser aus Köln, beide Mitglieder der Bischöflichen Kommission Adveniat, sowie von den Adveniat-Geschäftsführern Pater Michael Heinz und Stephan Jentgens. Das Lateinamerika-Hilfswerk förderte im vergangenen Jahr 83 Projekte in Höhe von 1,6 Millionen Euro in Bolivien.

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Dazu arbeitet Adveniat entschieden in Kirche und Gesellschaft in Deutschland. Getragen wird das Werk von hunderttausenden Spenderinnen und Spendern vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten rund 2.200 Projekte gefördert werden, die mit 38 Millionen Euro genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Armen.