Christkind
Wo die Zukunft Gegenwart wird

Während der Weihnachtsfeiertage finden viele Krippenspiele statt. Dargestellt wird die Weihnachtsgeschichte, die von der Geburt Jesu handelt. Auf diesem Bild hält Maria das Christuskind im Arm. Zwei Engel stehen neben ihr. Foto: Adveniat

Als Christkind wird heute meist eine Erfindung Martin Luthers bezeichnet, die Ersatzfigur für den heiligen Nikolaus als Gabenbringer für arme Kinder sein soll, eben „das Christkind“. Ob damit tatsächlich der Neugeborene zum heimlichen Gabenbringer an Weihnachten werden sollte, ist fraglich. Verwirrend wird es dazu, wenn der Weihnachtsmann als Symbolfigur des Schenkens auftritt. Dieser geht aber ebenfalls auf den heiligen Nikolaus von Myra zurück und Coca-Cola manifestierte nur die Farben.

Vielen Kindern wird heute die Geschichte vom Christkind erzählt, das im Dezember, am Heilig Abend, umhergeht und Geschenke bringt. Manchmal wird das Christkind dabei mit Glöckchen ausgestattet und kleinen Flügelchen.

Das Christkind - Mensch und Gott zugleich
Das eigentliche Christkind ist aber der von der Jungfrau Maria in Betlehem geborene Sohn Gottes mit Namen Jesus. Unfassbares Charakteristikum dieses Vorgangs ist nicht nur, dass ein Mensch einen Gott zur Welt bringt, sondern auch, dass dieser Gott ganz Mensch und ganz Gott ist. Seine Menschlichkeit zeigt sich in seiner Teilnahme an der Armut seiner Familie. Er wird nicht in einem Palast, wohl aber in einem Stall oder einer Höhle geboren. Sein Menschsein zeigt sich auch darin, dass er sich selbst nicht helfen kann, sondern auf seine Mutter angewiesen ist, die ihn stillt, wärmt und sauber hält, eben genauso wie alle anderen Kinder auf der Welt. Seine Göttlichkeit zeigt sich im Heer der Engel, ihrem Musizieren, dem Erscheinen der Magier aus dem Osten, die seinem Stern gefolgt sind und im tödlichen Hass des Königs Herodes, der um jeden Preis einen möglichen Konkurrenten aus dem Weg räumen lassen will, wie es in der Weihnachtsgeschichte beschrieben ist.

Intention der Darstellungen des Christkindes
Gott wird Mensch, um sich selbst zum Opfer zu bringen. Diese Zielrichtung des Lebens Jesu ist kein Ergebnis seiner Lebensweise, sondern göttlicher Plan schon vor seiner Geburt. Weihnachten wird damit zu mehr als die Geschichte vom Nikolaus, oder Abkupferungen wie der Weihnachtsmann und die Zeit im Dezember zu einer besinnlichen Zeit zur Vorbereitung auf den Heilig Abend.

© Manfred Becker-Huberti

Weihnachtslieder
Warum Weihnachten ein soziales Fest ist

Gottesdienstbesucher/innen singen zusammen mit Blick auf die Weihnachtskrippe während des Gottesdienstes in Sanagasta, Argentinien.

Das Weihnachtslied hat nicht nur eine lange Geschichte mit vielen Entwicklungsstufen durchgemacht, sondern - wie viele andere religiöse Bräuche auch - seinen Ursprung in der Liturgie. Seit dem 3. Jahrhundert sind für Weihnachten spezielle Hymnen und Responsorien nachgewiesen, die aber wiederum ältere Vorlagen haben.

Weihnachtslieder im Mittelalter und der frühen Neuzeit
Schon die Gesänge des Mittelalters und der frühen Neuzeit waren dialogisch angelegt: Sie waren Wechselgesänge, hatten Strophen und Refrains. Vor, während und nach der Reformation wurden in den Kirchen Krippenspiele aufgeführt, die mit Liedern angereichert waren, die die Gemeinde mitsang.

Das Kindelwiegen
Das Kindelwiegen (Kindleinwiegen) gehörte im Mittelalter zur festen Einrichtung der Weihnachtszeit. Ungeklärt ist, ob er von den Frauenklöstern ausgegangen ist. In der Kirche war eine Krippe aufgestellt, in der eine Christkindfigur lag (Fatschenkind). Das „liturgische Szenario“ beschreibt der Straubinger Humanist Thomas Kirchmayr in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Er erzählt von Mädchen und Jungen, die vor einem auf den Altar gelegten hölzernen Christkind tanzten und „zierlich“ herumsprangen. Die Erwachsenen begleiteten die von den Kindern gesungenen Weihnachtslieder mit Händeklatschen. Zu entsprechenden Weihnachtsliedern, die in Melodie, Rhythmus und Wort dazu passten, wurde das Jesuskind in seiner Wiege gewiegt (Wiegenlieder). Es war z.T. auch üblich, das Christkind in der Kirche durch alle Reihen wandern zu lassen. Man nahm die das Christkind darstellende Puppe in den Arm und wiegte sie wie ein Kleinkind und reichte sie dann an den Nachbarn weiter.

Weihnachten fand in der Kirche statt; nicht die einzelne Familie, sondern die Gemeinde der Christen feierte gemeinsam. Übrig geblieben aus dieser Zeit sind die weihnachtlichen Wiegelieder und die Krippe, die sich dann noch zu einer dreidimensionalen statischen Inszenierung ausweitete.

Entwicklung von der Reformation bis heute
Die aufkommenden reformatorischen Weihnachtslieder wenden sich ab von den kirchlichen Krippenfeiern und ihren Elementen und hin zu einer familienzentrierten besinnlichen Feier. Im 19. Jahrhundert entsteht eine eigene weihnachtliche Hausmusik. Die Jugendbewegung prägt dann eine neue Art des Weihnachtsliedes, ehe die Nationalsozialisten das Weihnachtslied zu vereinnahmen suchen. Ein ganz eigenes Spektrum haben die Weihnachtslieder aufgetan, die heute Kindergarten- und Schulkinder ansprechen: Schnee, Lichtsymbolik, Geschenke und ein mystisch-märchenhaftes Umfeld bilden ein auch für Nichtchristen betretbares Feld. Leicht kann dabei aber das christliche Proprium des Weihnachtsfestes verloren gehen.

Kommerzielle Weihnachtslieder
In den USA seit den 30/40er Jahren, in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg, entwickelt sich ein eigener kommerzieller Weihnachtsliedermarkt: Klassische Weihnachtslieder, neue auf alt, alte auf neu getrimmt, Popsongs und der „Weihnachtsrap“ - für jeden Geschmack bieten diese standardisierten abspielbaren Fassungen etwas an. Daneben, fast unbemerkt von den Massen, entwickeln sich als zartes Pflänzchen seit 1945 aber auch neue Weihnachtslieder, die die „alte“ Weihnachtsbotschaft neu zu fassen suchen.

© Manfred Becker-Huberti

Weihnachtsmärkte
Typisch deutsch

Der Ursprung
Märkte in der Vorweihnachtszeit dienten einmal dazu, die Dinge zu kaufen, die man für den Winter und die in dieser Zeit liegenden Feiertage für den Haushalt, den Stall oder die Werkstatt brauchte. Im 14. Jahrhundert wurde das vorweihnachtliche Angebot erweitert: Es kam der Brauch auf, zusätzlich Handwerkern wie zum Beispiel Spielzeug­machern, Korbflechtern, Zuckerbäckern u.a. zu erlauben, Verkaufsstände auf dem Marktplatz zu errichten. Hinzu kamen bald auch andere Anbieter, z.B. Bauern, die in arbeitsfreien Zeiten Spielzeug oder Weihnachtsbaumschmuck herstellten und auf den Weihnachtsmärkten verkauften, um ihre Haushaltskasse aufzubessern. Diese Märkte fanden meist um die Mitte des Advents statt und dauerten etwa eine Woche oder begrenzten sich auf ein oder zwei Sonntage.

Die Märkte verloren ihren praktischen Charakter und gewannen Erlebniswert
Schon damals wurde auch das leibliche Wohl der Marktbesucher berücksichtigt: Es gab geröstete Kastanien, Nüsse und Mandeln zum Schnabulieren. Im 14. bis 17. Jahrhundert waren die Weihnachtsmärkte wohl kaum ein Wirtschaftsfaktor, die mit ihrem Umsatz das Bruttosozialprodukt steigerten. Sie hatten nicht den Erlebniswert heutiger Weihnachtsmärkte, sondern dienten schlicht der Beschaffung notwendiger Utensilien.

Im 18. und 19. Jahrhundert war die Attraktivität der Weihnachtsmärkte dahin und zahlreiche Märkte wurden aufgegeben. Erst im 20. Jahrhundert, als die Weihnachtsmärkte nicht mehr der bloßen Beschaffung von Utensilien dienten, sondern einen eigenen Erlebniswert erhielten, der Unterhaltung und dem Vergnügen dienten, stabilisierten sich diese Märkte nicht nur, sondern entstanden in weiteren Städten, auf Burgen, Klöstern und Museen. Neben den Bastlern, die früher schon das kommerzielle Angebot ergänzten, erschienen nun auch gemeinnützige und karitative Organisationen mit Angeboten.

Ein deutsches Kulturgut
Zu den bekanntesten Weihnachtsmärkten gehören der Nürnberger Christkindlesmarkt (seit dem 17. Jahrhundert belegt), der Münchener Christkindlmarkt (1310 erstmals erwähnt) und der Dresdner Striezelmarkt (1434). Allein der Nürnberger Christkindlesmarkt verzeichnet zurzeit rund zwei Millionen Besucher pro Jahr. Die Weihnachtsmärkte gelten heute als „typisch deutsch“, weshalb sie vor allem Menschen aus dem benachbarten Ausland anziehen: Niederländer, Belgier, Franzosen und Briten stellen im Westen Deutschlands große Besucherkontingente, die mit Bussen als Tagesgäste anreisen, um die „deutsche Weihnachtsromantik“ vor Ort zu erleben. Und weil die so attraktiv zu sein scheint, werden „echt deutsche Weihnachtsmärkte“ inzwischen zum Beispiel auch in London aufgebaut und betrieben.

Weil die modernen Weihnachtsmärkte fast ausschließlich nur noch Event-Charakter haben, treffen sie den Geschmack des Publikums und weiten die Zeit ihres Auftritts immer weiter aus. War der Montag nach dem Totensonntag, also der letzte Montag vor der Adventzeit, einmal der früheste Starttermin für Weihnachtsmärkte, hat die Konkurrenz der Städte untereinander dazu geführt, dass die Weihnachtsmärkte zum Leidwesen der Kirchen immer früher beginnen. Der ursprüngliche Sinn der Weihnachtsmärkte bietet vielfach nur noch eine Hintergrundfolie.

© Manfred Becker-Huberti

Schenken
Damit sich der Himmel erahnen lässt

Das Schenken zu Weihnachten hat nach wie vor Konjunktur, aber es ist ein wenig in Verruf gekommen. Den meisten von uns ist ein Unbehagen beim Schenken anzumerken. Warum schenken wir eigentlich? Was hat Schenken für einen Sinn?

Es mag vielleicht erstaunen: Aber das Schenken zu Weihnachten hat keine alte Tradition. In katholischen Gegenden gab es vor kurzem noch alte Menschen, die erzählen können, dass in ihren Kindertagen zwar zu Weihnachten gefeiert, aber nicht geschenkt wurde. Bei den Katholiken wurde zum Nikolausabend beschert. Martin Luther hat erst das Schenken zu Weihnachten eingeführt und genau deshalb haben die Katholiken diese Sitte nicht übernommen. Mit seiner Theologie vertrug es sich nicht, dass Heilige verehrt wurden und sich deren Popularität noch dadurch steigerte, dass an ihren Festen Kinder beschenkt wurden. Der Reformator hat deshalb den Schenktermin von Nikolaus auf Weihnachten verlegt und zusätzlich den „Schenkenden“ ausgetauscht: Statt dem Heiligen Nikolaus bescherte nun das „Christkind“.

Tradition der Kinderbescherung am Nikolausabend
Die Kinderbescherung am Nikolausabend hatte sich im Mittelalter eingebürgert, als der heilige Nikolaus zu einem ungeheuer populären Heiligen wurde - was er in der Ostkirche noch heute ist. Das Schenken am Fest des heiligen Nikolaus machte Sinn, denn in der uralten Legende des Heiligen aus dem 5./6. Jahrhundert wird berichtet, dass der Heilige einen Vater und seine drei Töchter, die dieser nicht standesgemäß verheiraten konnte, dadurch rettete, dass er ihnen nachts unerkannt aus seinem eigenen ererbten Vermögen Gold in ihr Haus warf, so dass die jungen Frauen vor dem Elend bewahrt wurden. Aufgrund dieser Legende bildete sich traditionell das Schenken zu Nikolaus als geheimes Schenken aus: Über Nacht kommt Nikolaus ungesehen und füllt Teller, Strümpfe oder Schuhe mit kleinen Geschenken für Kinder. Auch als die Reformation den Schenktermin verlegt und eine neue Schenkfigur eingeführt hatte, blieb ein Phänomen erhalten: das heimliche Schenken und damit die Rückführung des Schenkens auf einen übermächtigen Dritten.

Sinn des Schenkens am Nikolausabend
Die besondere Form des Schenkens führt zum Sinn des Schenkens. Unsere Vorfahren haben deshalb heimlich zu Nikolaus die Kinder beschenkt, weil sie ihre Geschenke stellvertretend gaben: in Stellvertretung für den Heiligen Nikolaus. Und sie haben in dieser Form geschenkt, weil auch schon der heilige Nikolaus selbst heimlich geschenkt hat. Nikolaus schenkte ebenfalls stellvertretend: Sein Geschenk sollte auf den verweisen, der ihm diese Hilfe, diese Gnade, ermöglichte, nämlich Gott selbst. Nikolaus verzichtete auf sein Erbe, weil er sein Erbe als Geschenk begriff, mit dem er Gutes tun sollte. Gott hat durch Nikolaus geholfen. Schenken bedeutete für Nikolaus: Menschen erfahren, teilhaben lassen am Reich Gottes. Das Geschenk des Heiligen war letztlich eben nicht das Gold, das er gab, sondern die physische und die geistige Freiheit, die er den jungen Frauen erwarb. Religiös ausgedrückt: Nikolaus hielt den drei Frauen den Weg in den Himmel offen, weil er sie mit seinem Geschenk vor der Prostitution bewahrte.

Schenken zu Nikolaus vollzog die Legende nach, war ein „Nikolausspiel“, in dem die Menschen erfuhren, Gott will uns Gutes. Dabei ging es eben nicht um besonders kostbare und möglichst viele Geschenke, sondern um die diesen Geschenken zugrunde liegende Symbolik: Ich bin nicht vergessen, ich bin geliebt als Kind Gottes.

© Manfred Becker-Huberti

Wunschzettel
Bestellte Geschenke

Ein Junge schreibt einen Wunschzettel. Foto: Adveniat

Bis zur Reformation war das Kinderbeschenken überhaupt nicht mit Weihnachten verbunden. Kinder wurden vom heiligen Nikolaus am Nikolausabend, dem 5. Dezember, beschenkt. Erst als das Schenken vom Nikolausabend auf Weihnachten (24.12.) übertragen wurde, entstand die Familienweihnacht, bei der das Schenken eine wichtige Rolle spielt.

Direkte Wunschzettel
In ihrem Bestreben, den Adressaten aber auch wirklich - unter Ausschluss der eigenen Familie, die ja immer wieder Selbständigkeit fordert - selbst ausfindig zu machen, schrecken Kinder vor technischen Herausforderungen nicht zurück. Wenn ein Ort schon so heißt, so denken die Kinder wohl, wird der Gabenbringer, der als heiliger Mann ja schließlich über Wunderkräfte verfügt, nicht weit sein. „Moderne“ Kinder benutzen die Post und adressieren zum Beispiel „An den heiligen Nikolaus“ oder „An das himmlische Postamt“.

"Weihnachtspostämter"
Briefe dieser Art gelangen an eins der neun deutschen „Weihnachtspostämter“ mit einschlägigem Namen: 16798 Himmelpfort, 21709 Himmelpforten, 31137 Himmelsthür, 31535 Himmelreich, 49681 Nikolausdorf, 51766 Engelskirchen, 66351 St. Nikolaus/Saar, 97267 Himmelstadt und 99706 Himmelsberg. Die Kinder erhalten von hier zwar keine Geschenke, wohl aber eine Antwort: Diese Postämter halten vorgefertigte illustrierte Antworten und Briefmarken mit Sonderstempel bereit.

Moderne Wunschzettel
Wenigstens 150 Jahre lässt sich der Brauch, an das Christkind oder den Weihnachtsmann Wunschzettel zu schreiben, zurückverfolgen. Während in schlechten Zeiten Wünsche nach neuen Spielsachen eher hinter den Wünschen nach Reparatur alter, defekter oder beliebter Spielsachen zurückstehen, sind heute die Wünsche eher „marktkonform“: Gewünscht wird, was es auch im Handel zu kaufen gibt. Die entsprechende Beschreibung aus dem Katalog liegt u. U. dem mit dem Computer geschriebenen Wunschzettel praktischerweise gleich bei. Um die Jahrhundertwende wurde der Wunschzettel auf vorgedruckte, kunstvoll dekorierte Karten mit farbig illustrierten Vorderseiten geschrieben.

Zeichen der Kommerzialisierung?
Kann man etwas gegen diese Wunschzettel haben? Eigentlich nicht, allerdings mit einem kleinen „aber“. Wäre Weihnachten nur ein Fest des „Habens“ – eine Konsumorgie des Haben Wollens, dann wäre das ein armes Fest. Schenken wäre dann so lauwarm wie ein halbgarer Festtagsbraten aus der Tiefkühltruhe. Die Geschenke von Weihnachten sollten ursprünglich auf etwas hindeuten. Auf DAS Weihnachtsgeschenk: Gott hat sich uns unverdient geschenkt.

Geschenke, die wir Weihnachten verschenken, sollen diese Freude weitergeben. Ihren Wert bemisst man nicht mit Euro, bei ihnen geht es nicht um Statuserhalt und aktualisierte life-style-Ausstattung. Wenn wir das bedenken, wird das Schenken zwar nicht einfacher, aber es nimmt den Druck weg, den uns die Mitmenschen und die Wirtschaft gegen Jahresende zumuten.

© Manfred Becker-Huberti