Ricardo Gonzalez - Der Brückenbauer der Bañados

In kaum einem Land Südamerikas ist die soziale Ungleichheit so extrem wie in Paraguay. In der Hauptstadt Asunción liegen die Armenviertel direkt hinter dem Präsidentenpalast. Dort, wo der Fluss Rio Paraguay regelmäßig alles überflutet kämpft Ricardo Gonzalez von der Sozialpastoral für ein würdiges Leben im Trockenen.
 

Ricardo Gonzalez von der Sozialpastoral kämpft in Paraguay für ein würdiges Leben der Menschen seiner Gemeinde, die regelmäßig von Überschwemmungen betroffen ist. Foto: Schmieg/Adveniat


„Bis hierhin stieg das Wasser zuletzt“, sagt Ricardo Gonzalez und zeigt auf den aufgeplatzten Putz, der von der Hauswand blättert. Die Marke zieht sich quer über die einstöckigen Ziegelbauten an der abschüssigen Hauptstraße von La Chacarita entlang. 2019 mussten 70.000 Menschen wegen der Überschwemmungen aus den Bañados evakuiert werden. So heißen die Armeviertel von Asunción, die sich, wie La Chacarita, direkt am Ufer des Rio Paraguay ausbreiten. Bañados, „Gebadete“, auch 2021 kam das Wasser. „Die Menschen leben mit der Gewissheit, regelmäßig all das Wenige, das sie haben, in den Fluten zu verlieren“, sagt Ricardo Gonzalez.
 

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Der hochgewachsene 61-Jährige, der bis ins vergangene Jahr die Sozialpastoral von Asunción leitete, wurde vom Bischof gebeten seine Erfahrung weiter einzubringen. Er kann sich nicht erinnern, wie viele Überschwemmungen er bereits erlebt hat. Die vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützte Sozialpastoral stellte Boote zur Evakuierung, bot Notunterkünfte, organsierte trockenen Decken und einen Teller warmen Eintopf. Auf diese Strukturen konnte nun auch in der Corona-Pandemie zurückgegriffen werden. Gemeinsam mit den Pfarrgemeinden entstand ein Netzwerk aus mehr als 70 Suppenküchen, die 23.000 Portionen pro Tag auslieferten.

Doch es geht nicht nur um Unterstützung im Notfall: Ricardo Gonzalez kämpft dafür, dass es irgendwann keine „Bañados“ mehr gibt. Er ist selbst in armen Verhältnissen aufgewachsen. Der Einsatz für soziale Gerechtigkeit ist kein Marketingspruch, sondern Lebensmotto. „Veränderung kann nur von unten, von den Menschen selbst angestoßen werden.“ Gemeinsam mit den Menschen in den Bañados plant die Sozialpastoral eine urbane Revolution: Das Schwemmland soll aufgeschüttet werden, auf dem neuen Terrain dann ein Viertel mit sozialem Wohnraum, Gastronomie und Büroräumen entstehen. Auch die Weltbank hat Interesse bekundet, das Projekt zu unterstützen. Warum er sich nach wie vor in den Bañados engagiert, trotz seiner Pensionierung? Er schmunzelt: „Ich habe noch zu viel Energie zum Aufhören.“

Text: Anne Herrberg
 


ÜberLeben in der Stadt

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