Oscar Romero

Man könnte auch einen zweiten Umweg nennen: den über Ausch- witz. Der polnische Pater und Publizist Maximilian Kolbe hatte sich dort 1941 als Ersatz für einen Familienvater zur Verfügung gestellt, der im sogenannten Todesbunker den Hungertod sterben sollte – ein in seiner Willkürlichkeit besonders grausamer Mord. Johannes Paul II. aber ließ keinen Zweifel daran, dass Kolbe nicht nur ein Heiliger und Bekenner sei, sondern ein „Märtyrer der Liebe“: In seiner Predigt zur Heiligsprechung Kolbes stellte der Papst 1982 ausdrücklich klar, dass dieser von der Kirche auch als Märtyrer ver- ehrt werde. Hass gab es, ja, „Hass auf den Menschen und auf das, was göttlich ist imMenschen“, in den Worten von Papst Johannes Paul II. Diese Selig- und Heiligsprechungen öffneten dann Romero den Weg. 2015 erklärte die im Vatikan zuständige Kongregation, dass auch Os- car Romero aus „Hass auf den Glauben“ ermordet worden sei. All den Vorwürfen, die Ermordung sei „nur politisch motiviert“ gewesen, war damit der Boden entzogen. Das Engagement Romeros für die Ar- men und gegen Gewalt war Einsatz für den Glauben, der Widerstand gegen ihn und gegen seinen Einsatz war Widerstand gegen den Glau- ben, also „odium fidei“, so kann man formal die Entscheidung der Seligsprechungskongregation und von Papst Franziskus auslegen. Auf dem Rückflug von Korea im August 2014 erklärte der Papst den mitfliegenden Journalisten, dass die Blockade, die es im Seligspre- chungsprozess Romeros gegeben habe, aufgelöst sei. Vermutlich war es der Papst selbst, der direkt nach seiner Wahl dafür gesorgt hatte. Schon Papst Benedikt XVI. hatte das ursprünglich 1990 begonnene Verfahren 2012 wieder in Gang gesetzt, es brauchte aber trotzdem noch den Impuls von Franziskus. KEIN „POLITISCHES MARTYRIUM“ Was sich hier wie ein Verfahrensproblem liest – liegt nun „Hass auf den Glauben“ vor oder nicht? –, war im Hintergrund die Aus­ einandersetzung um die Frage, ob jemand, der von Teilen der Kirche Lateinamerikas als Vertreter einer angeblich marxistischen Theo- logie angefeindet wurde, überhaupt für die Kirche stehen kann. Bis heute gibt es Stimmen, die in Romeros Wirken nur die politische Dimension sehen wollen, übrigens bei denen, die ihn ablehnen, ebenso wie bei seinen Verehrern. Sein Einsatz „für das Göttliche im Menschen“ – um die Papstworte über Maximilian Kolbe zu leihen – war und ist aber ein Glaubenszeugnis, anders ergibt seine Verehrung keinen Sinn. Die Selig- und nun Heiligsprechung Romeros überwindet aber nicht nur Widerstände gegen ihn, sie macht auch etwas sichtbar. Etwas, was Papst Franziskus als „fortgesetztes Martyrium“ bezeichnet hat. „Aber auch danach, nachdem er gestorben war – ich war ein junger Priester und war Zeuge davon –, wurde er angeschwärzt, verleumdet, in den Schmutz gezogen, das heißt, sein Martyrium setzte sich sogar durch seine Mitbrüder im priesterli- chen und bischöflichen Dienst fort. Ich weiß das nicht vom Hörensagen, ich habe diese Dinge mit eigenen Ohren ge- hört“, führte der Papst in einer Audienz für Pilger aus El Salvador im Oktober 2015 aus. Franziskus sagt wie seine Vor- gänger klar, dass Martyriummehr ist als die klassische Definition. HEILIGKEIT ERKENNEN Es ist dieses „zweite Martyrium“ nach seinem Tod, welches mit der offiziel- len Anerkennung sein Ende findet. Es steckte im Verfahren zur Seligspre- chung, versteckt als Verfahrensfrage, war aber sehr wirkungsvoll. Um Heilig- keit zu erkennen, muss sich die Kirche eingestehen, dass Widerstand gegen das Wirken Gottes aus der Kirche selbst kommen kann. Diese Einsicht gefällt immer noch nicht jedem. Das Zeugnis des Märtyrers Oscar Romero steht auch dafür. Seines und auch die von Don Pino Puglisi und von Maximilian Kolbe. Über den Autor: Der Jesuit Bernd Hagenkord ist Leiter der deutschsprachigen Re- daktion von Radio Vatikan und Vatican News in Rom. Er studierte Geschichte und Journalismus, ehe er 1992 in den Jesuitenorden ein- trat. Nach Theologiestudium und Priesterweihe im Jahr 2002 arbei- tete Hagenkord in der Jugendseel- sorge in Hamburg und Berlin und lebte sieben Monate in Chile. 11

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