Stichtag für Venezuela

Der kommende Samstag, 23. Februar, wird über Venezuelas Zukunft entscheiden. Ein Land zwischen humanitärem Notstand und politischen Machtspiel.

In der von Adveniat unterstützten Casa de Paso Divina Providencia versorgt die Diozöse Cúcuta in Kolumbien Flüchtlinge und Migranten aus Venezuela mit täglich zwei Malzeiten. Foto: Kopp/Adveniat

Der schwelende Machtkampf in Venezuela hat sich weiter zugespitzt. Die Forderung des Interimspräsidenten Juan Guaidó nach dem Beginn der internationalen Hilfstransporte hat am kommenden Samstag, 23. Februar ihren Stichtag. Die derzeitige Regierung um Präsident Nicolas Maduro leugnet den Notstand und lehnt humanitäre Hilfe ab.

In den hauptsächlich aus den USA gelieferten Hilfsgütern sieht Maduro nur einen Vorwand, unter dem eine US-geführte Militärintervention in Venezuela vorbereitet werden soll. Aus diesem Grund lässt die venezolanische Armee derzeit mehrere Lkw mit Hilfsgütern nicht ins Land, die im Nachbarland Kolumbien an der Grenze bereitstehen.

„Ich hoffe sehr, dass am Samstag keine Kugel einen Gewehrlauf verlässt"

Der Rückhalt der Armee gilt als entscheidender Machtfaktor für den linksnationalistischen Präsidenten. US-Präsident Donald Trump hatte die venezolanische Armee am Montag zur Abkehr von Maduro aufgerufen. Wer sich jetzt nicht auf die Seite von Juan Guaidó stelle, für den gebe es "keinen Ausweg" mehr, sagte Trump. 

Adveniat-Venezuela-Referent Reiner Wilhelm hofft, dass es am Stichtag einen Durchbruch und eine Chance auf einen konstruktiven Neuanfang in Venezuela geben wird. „Ich hoffe sehr, dass am Samstag keine Kugel einen Gewehrlauf verlässt, damit es zu keinen gewaltsamen Ausschreitungen kommt. Zum anderen würde das zeigen, dass Maduro beim Militär keinen Rückhalt und damit keine Zukunft mehr hat."

Die humanitäre Lage in Venezuela bezeichnet auch die Deutsche Bundesregierung als besorgniserregend. Aufgrund von grassierender Unterernährung, der Ausbreitung ansteckender Krankheiten und dem Zusammenbruch des Gesundheitswesens, ginge es für Teile der Bevölkerung nicht mehr allein um das wirtschaftliche, sondern auch das physische Überleben.

Für die Menschen in Venezuela.

Bei seinem letzten Besuch in Venezuela, war Wilhelm bestürzt über die menschenverachtende Lage, in der sich die Venzolaner befinden. "Ich habe einen Mann gesehen, der im Müll nach Essen gesucht hat. Müll, in dem die Essensreste mit Maden überhäuft waren und die er trotzdem gegessen hat - aus Hunger." Auch die Lage in den Krankenhäusern sei kaum vorstellbar. "Die Patienten dort sind Totgeweihte. Die Ärzte haben häufig nichts an Medikamenten, die sanitären Anlagen sind defekt und es gibt kein fließendes Wasser", berichtet Wilhelm. "Es ist mittlerweile nicht mal mehr möglich die Leichen zu beerdigen, weil selbst für die Leichentücher das Geld fehlt."

Die Bundesregierung habe den ersten Schritt in die richtige Richtung getan, indem sie Guaidó als Übergangspräsident anerkannt hat, sagt der Adveniat-Experte. „Jetzt braucht Venezuela weitere Unterstützung von Außen, damit humanitäre Hilfe zugelassen wird und faire transparente Neuwahlen stattfinden können, bei der alle nationalen Kräfte beteiligt sind“, so Reiner Wilhelm. Auch die venezolanische Bischofskonferenz stehe hinter diesen Forderungen, die der Papst wiederum unterstützte.

Guaidós Ziel sind demokratische Neuwahlen

In Venezuela tobt seit Wochen ein Machtkampf zwischen dem linksgerichteten Präsidenten Maduro und dem sozialistischen Parlamentspräsidenten Juan Guaidó. Die Opposition erkennt den Wahlsieg Maduros wegen fehlender demokratischer Legitimität nicht an. Guaidó hat sich daraufhin selbst als Interimspräsident vereidigt. Er will transparente Neuwahlen unter internationaler Beobachtung ausrichten lassen, um die Krise zu lösen. Über 50 Staaten, darunter auch Deutschland, haben Guaidó als Übergangspräsidenten anerkannt.

Seit Beginn der Krise in Venezuela haben mehr als drei Millionen Menschen das Land verlassen. Tausende fliehen täglich allein ins benachbarte Kolumbien. Doch die Aufnahmeländer stoßen zunehmend an ihre Grenzen. (ml)