Nicaragua: Politische Gefangene freilassen und freie Wahlen garantieren

Proteste gegen Präsident Ortega seit 2018

"Ortega und Murillo – Mörder“, steht auf dem Plakat, mit dem Proteste gegen Präsident Ortega im Juli 2018 angeführt wurden. Seit dem hat sich die Lage immer weiter verschärft. Foto: Klaus Ehringfeld/Adveniat


„Die Festnahme von politischen Rivalen von Präsident Daniel Ortega und die Einschüchterung und Bedrohung von Nichtregierungsorganisationen und Journalisten in Nicaragua wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen sind absolut inakzeptabel“, sagt Thomas Wieland vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. „Die Regierung in Managua muss die Menschenrechte achten, die Repression gegen die Opposition, Nichtregierungsorganisationen und kritische Medien sofort einstellen und freie, faire Wahlen im November garantieren“, fordert Wieland. „Dass Ortega sogar davor nicht zurückschreckt, ehemalige Weggefährte aus der Zeit der sandinistischen Revolution im Rentenalter zu verhaften, zeigt, dass diese Regierung den demokratischen und moralischen Kompass komplett verloren hat.“

In den letzten Tagen hatte sich die ohnehin schon angespannte Lage in dem mittelamerikanischen Land noch einmal verschärft. Kontrahenten von Präsident Daniel Ortega, seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo, die ihre Bereitschaft bekundet haben, bei den Wahlen im November zu kandidieren, wurden verhaftet, unter Hausarrest gestellt oder ins Gefängnis gesteckt. Hinzu kamen von der Polizei durchgeführte Hausdurchsuchungen und Gewaltandrohungen von weiteren Oppositionellen und Journalisten. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen wurden jüngst auch wieder verhaftet oder teilweise mehrere Stunden von der Polizei verhört. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet rief das Ortega-Regime dazu auf, die Politik der willkürlichen Verhaftungen von Oppositionellen zu stoppen und die Inhaftierten freizulassen.
 

Für Frieden und Menschenrechte in Lateinamerika und der Karibik.

Auch die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) forderte den nicaraguanischen Staat auf, die Repression zu beenden und alle willkürlich in Haft befindlichen Personen freizulassen. Namentlich verurteilte die CIDH die Verhaftung und Kriminalisierung von Cristiana Chamorro Barrios, Arturo Cruz Sequeira, Félix Maradiaga und Juan Sebastián Chamorro García, die allesamt ihre Absicht bekundet hatten, bei den Präsidentschaftswahlen als Herausforderer des amtierenden Präsidenten Daniel Ortega ins Rennen zu gehen. Ortega rechtfertigte die Verhaftungswelle in einer Fernsehansprache mit einem bevorstehenden Putschversuch.

Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass auch Mitarbeitende der Kirche ins Visier des Ortega-Regimes geraten könnten. „Wir nehmen mit großer Sorge entsprechende Berichte unser Projektpartner von vor Ort zur Kenntnis“, sagt Wieland. Vor mehr als zwei Jahren hatte Papst Franziskus den Weihbischof von Managua, Silvio Baez, nach Morddrohungen aus Nicaragua abgezogen. Seitdem lebt Baez im Exil in Rom. Baez hatte unter anderem demonstrierenden Studenten in der Kirche Schutz vor Polizeigewalt gewährt. Zudem hatte Baez immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen der Regierung öffentlich kritisiert.

Leiter der Adveniat Projektabteilung Thomas Wieland

Leiter der Adveniat Projektabteilung Thomas Wieland. Foto: Martin Steffen

"Wir wollen und bevorzugen für Nicaragua ein demokratisches System"

„Wir stellen uns hinter die jüngste Forderung der Nicaraguanischen Bischofskonferenz, die ein demokratisches System für das Land fordert“, sagt der Leiter der Projektabteilung von Adveniat. In der Erklärung der Bischöfe heißt es: „Wir wollen und bevorzugen für Nicaragua ein demokratisches System, in dem die politischen Autoritäten vor dem Volk verantwortlich sind und die Institutionen effektiv kontrolliert werden.“

Dem steht allerdings ein neues Gesetz entgegen: Es verbietet sogenannten „Verrätern“ für ein öffentliches Amt zu kandidieren oder dieses zu bekleiden. Wer genau dabei ein Verräter ist oder was einen Verrat ausmacht, bleibt dabei im Ungefähren. Genau dieser Ermessensspielraum aber mache es einer regierungsnahen Justiz oder der Regierung möglich, aussichtsreiche Bewerber aus den Reihen der Opposition kurzfristig aus dem Verkehr zu ziehen, kritisierten zahlreiche Nichtregierungsorganisationen.

Nicaragua wird seit 2018 von Unruhen erschüttert. Sie begannen mit dem Protest von jungen Umweltschützern, die gegen illegale Brandrodung in einem Naturschutzgebiet protestierten sowie eine umstrittene Haushaltsreform. Auf die mehr und mehr anschwellenden Sozialproteste reagierte die Regierung mit brutaler Polizeigewalt. Mehr als 350 Menschen starben im Rahmen der Proteste. Mehrere zehntausend Menschen flohen ins benachbarte Ausland, unter anderem nach Costa Rica.

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Dazu arbeitet Adveniat entschieden in Kirche und Gesellschaft in Deutschland. Getragen wird das Werk von hunderttausenden Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten mehr als 2.000 Projekte mit rund 35 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Armen.