Ein Kämpfer für die Menschen in Lateinamerika - Adveniat trauert um Weihbischof Franz Grave

Weihbischof Franz Grave ist an diesem Samstag, 19. Februar 2022, im Alter von 89 Jahren gestorben. „Seine Liebe zu Lateinamerika und sein unermüdliches Engagement für die Armen haben Adveniat viele Jahre geprägt“, betonte der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Pater Martin Maier. „Auch nach seiner ‚aktiven’ Zeit blieb er Adveniat verbunden und nutzte seine Kontakte in der Essener Stadtgesellschaft, um Hilfe für den Menschen in Lateinamerika zu organisieren. Wir trauern um eine echten Freund Lateinamerikas und Adveniats.“
 

So bleibt Weihbischof bei Adveniat und in Lateinamerika in Erinnerung: Im direkten Kontakt mit den Armen wie hier in einem Projekt zugunsten von Papiersammlern der Franziskaner in São Paulo. Foto: Tina Umlauf/Adveniat

Weihbischof Grave war ein Überzeugungstäter im besten Sinne. Wenn die Not in Lateinamerika groß war, war er zur Stelle. Etwa in Honduras 1998: Nur wenige Tage nach dem verheerenden Hurrikan Mitch: Die Hauptstadt Tegucigalpa war zu einer Trümmerwüste geworden. Ein Fluss, der zum reißenden Strom wurde, hatte die Häuser hunderter Familien zerstört. In den schlammbedeckten Trümmern suchten Überlebende nach Resten ihrer wenigen Habseligkeiten. Mittendrin: der Essener Weihbischof Franz Grave. Der Vorsitzende der Bischöflichen Kommission Adveniat sprach den Menschen Trost zu, versprach langfristige Hilfen, betete mit den Menschen.

Weihbischof Franz Grave war „vor Ort“: in Tegucigalpa nach der Naturkatastrophe, bei den Indigenen im bedrohten Amazonas-Regenwald, in den überfüllten Heimen für Migranten in Mexiko an der Grenze zu den USA, bei Landlosen in Brasilien, auf der Straße mit Obdachlosen in der brasilianischen Megacity São Paulo oder bei den „Hispanics“, den aus Lateinamerika stammenden Tagelöhnern in Los Angeles in den USA. Franz Grave suchte das Gespräch mit den Menschen. Aus diesen Begegnungen schöpfe er die Kraft, die er für diesen Job brauche, sagte er einmal über seine Aufgabe, als Vorsitzender Verantwortung zu tragen für das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. Grave setzte diese Kraft ein für einen unermüdlichen Einsatz für die Armen und Entrechteten in Lateinamerika, des Kontinents, den der Mann aus dem Ruhrgebiet lieben gelernt hatte.

Das betont auch Jorge Enrique Jiménez Carvajal, emeritierter Erzbischof von Cartagena in Kolumbien in seinem Kondolenzbrief: „Immer fern des Selbstbezuges hat Franz Grave uns gelehrt zu geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Er zeigte uns immer das solidarische Gesicht der Kirche in Deutschland, nicht nur seine Person“, schreibt der ehemalige Vorsitzender des CELAM.
 

Weihbischof Franz Grave besucht eine Anlaufstelle für illegale Migranten aus Lateinamerika in Mexiko, ...

... Familien von Migranten, die in den USA leben ...

... und ist im Gespräch mit Migranten aus Mittelamerika in der Herberge Belem in der südmexikanischen Stadt Tapachula.

Franz Grave stammte aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater war Inhaber eines Handwerkerbetriebes, er wuchs in Essen-Frohnhausen auf, wenige Straßenzüge weiter wohnte Helmut Rahn, der „Boss“ der Fußballnationalmannschaft, die in Bern 1954 den Weltmeistertitel holte. Klar, dass auch Franz Grave leidenschaftlicher Fußballanhänger wurde. Sein Herz schlug für die Reviermannschaften. Er war Mitglied bei Schalke 04 und beim MSV Duisburg. Nach Jahren als Seelsorger in verschiedenen Gemeinden des Bistums Essen und als Leiter des Seelsorgeamtes ernannte Papst Johannes Paul II. ihn 1988 zum Weihbischof in Essen. Als 1991 Bischof Kardinal Franz Hengsbach von Essen starb, wählten die deutschen Bischöfe Franz Grave als seinen Nachfolger an die Spitze der Adveniat-Kommission, des Aufsichtsorgans der Bischofskonferenz über die Arbeit der Adveniat-Geschäftsstelle in Essen.

Der Bischof aus dem Ruhrgebiet stürzte sich mit Elan in die neue Aufgabe. Er lernte Spanisch, bereiste einen ihm bis dahin unbekannten Kontinent. Kurze Zeit später galt er bereits als Kenner Lateinamerikas. Franz Grave reiste zu den Generalversammlungen der lateinamerikanischen Bischöfe 1992 in Santo Domingo und 2007 in Aparecida. Er nahm an Vollversammlungen des lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM teil und wurde von Papst Johannes Paul II. in den Päpstlichen Rat für Lateinamerika (CAL) berufen. Er begleitete als Fachmann deutsche Regierungsdelegationen bei Reisen nach Lateinamerika. 2007 war er mit dem Bundespräsidenten in Südamerika. Anschließend zog Horst Köhler Bilanz: „Gelebte Nächstenliebe kennt viele Formen und Ausdrucksweisen. Unter anderem trägt sie die Namen ‚Adveniat‘.“

Franz Grave verarbeitete seine Eindrücke und Begegnungen in Lateinamerika in zahlreichen Büchern, Predigten und Rundfunkandachten

Weihbischof Franz Grave trifft versehrte Migranten in einer Herberge in Tapachula.

Franz Grave verarbeitete seine Eindrücke und Begegnungen in Lateinamerika in zahlreichen Büchern, Predigten und Rundfunkandachten – und sogar in Web-Blogs. In unzähligen Interviews stand er Rede und Antwort. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Adveniat wussten, dass der Weihbischof „seine“ Führungskräfte kannte: Kein Referent, der nicht das Vorstellungsgespräch beim „Vorsitzenden“ absolviert hätte. Die meisten von ihnen durften Franz Grave auf einer seiner Lateinamerika-Reisen begleiten und erfuhren, welch immenses Arbeitspensum der Bischof dabei bewältigte.

Aus Anlass seines 75. Geburtstages drückte der langjährige Vorsitzende des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM, Erzbischof Jorge Jimenez aus dem kolumbianischen Cartagena die Verbundenheit der Kirche in Lateinamerika mit Franz Grave so aus: „Wir schätzen an Ihnen, nicht nur diese solidarische Unterstützung für die Kirche in Lateinamerika und der Karibik, sondern ebenso Ihre persönliche Liebe zu unserem Volk, die Sie dazu veranlasste, unsere Sprache zu erlernen, brüderliche und freundschaftliche Beziehungen aufzubauen, unsere Nöte zu verstehen, sich von unserer Kultur bereichern zu lassen und außerdem zu vielfachen Anlässen, auf oftmals unwegsamen Pfaden, unsere Länder zu bereisen.“

Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Adveniat-Vorsitzenden blieb Franz Grave „seinem“ Hilfswerk Adveniat treu. Immer wieder sammelte er Spenden für die Menschen in Lateinamerika und freute sich, wenn Bischöfe aus dem „Kontinent der Hoffnung“ in Essen zu Gast waren. Dann war er, wie einst „vor Ort“ in Lateinamerika, ganz bei den Nöten „seines“ Kontinents.

Nachruf: Christian Frevel