Repam und Adveniat verurteilen Gewalt gegen venezolanische Flüchtlinge in Nordbrasilien

Die Pandemie hat die Situation geflüchteter Venezolaner im brasilianischen Bundesstaat Roraima massiv verschärft. In der vergangenen Woche konnten das Amazonas-Netzwerk Repam und andere zivilgesellschaftliche Gruppen die Abschiebung einer größeren Gruppe von Flüchtlingen gerade noch einmal verhindern.
 

Venezolanische Flüchtlinge auf den Straßen von Pacaraima im brasilianischen Bundesstaat Roraima an der Grenze zu Venezuela. Fotos: Thomas Milz/Adveniat


Die brasilianische Bundespolizei war gewaltsam in Flüchtlingsunterkünfte eingedrungen. Familien und Ordensleute wurden festgesetzt. Dieses Vorgehen haben das kirchlichen Amazonas-Netzwerk Repam, dem das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat seit seiner Gründung angehört, sowie 135 weiteren Organisationen der Zivilgesellschaft scharf verurteilt. Beamte der Polícia Federal hatten sich am 17. März in der Grenzstadt Pacaraima Zugang zu den kirchlichen Einrichtungen erzwungen, in denen Geflüchtete aus Venezuela versorgt wurden.

„Die Situation für die Menschen in Brasilien, insbesondere die Armen, wird immer dramatischer“, zeigt sich der Brasilien-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Klemens Paffhausen, entsetzt. „Die Verbindung von Polizei-Willkür und Corona-Chaos werden zur existentielle Bedrohung. In Roraima hat es die jetzt venezolanischen Flüchtlinge und ihre kirchlichen Helfer getroffen. Aber auch Menschenrechtsaktivisten und Indigene werden immer wieder Opfer von Gewalt und auch Mord“, so Paffhausen. Ein Lichtblick sei die deutliche Reaktion der Adveniat-Partner vor Ort und anderer zivilgesellschaftlicher Gruppen, die eine Abschiebung zunächst verhindern konnte.
 

Für die Unterstützung von Migranten in Lateinamerika.


Der Adveniat-Partner Roberto Saraiva, der die Migrantenpastoral der katholischen Kirche Brasiliens leitet, berichtet: „Die Polizei tauchte plötzlich in den Unterkünften auf. Ordensschwestern und ein Priester hatte Migranten mit Kindern von der Straße hereingeholt und hier aufgenommen. Die Polizisten hatten keinen Durchsuchungsbefehl, sondern haben sich mit Hinweis auf die Corona-Beschränkungen illegal Zutritt verschafft.“ Über 70 Geflüchtete, darunter 21 Frauen und 40 Kinder, sowie Ordensschwestern und ein Priester wurden von der Polizei in Gewahrsam genommen. Den Geflüchteten drohte die sofortige Abschiebung. Allerdings konnte dies von zwei Anwälte der örtlichen Caritas verhindert werden.

Der am 19. März von Repam und anderen Organisationen veröffentliche offene Brief zeigt Wirkung: Das Ministério Publico Federal (Bundesstaatsanwaltschaft) und die Defensoria Pública da União (DPU), Brasiliens Verteidigungsstaatsanwaltschaft, haben eine erstinstanzliche Entscheidung gegen die Abschiebungen erwirkt. Die Geflüchteten kamen stattdessen in einem Auffanglager des brasilianischen Militärs unter. Repam nannte die Aktion der Bundespolizei, die ohne einen Durchsuchungsbefehl oder sonstige richterliche Anordnung in die kirchlichen Gebäude eindrang, eine „schwere Verletzung der Rechte der geflüchteten Personen und der Menschenrechtsaktivisten“. Zudem forderte Repam die brasilianische Bundespolizei auf, von den Abschiebungen abzusehen. Die Polizisten sind angewiesen, sämtliche illegal sich in der Grenzregion aufhaltende Personen an die venezolanische Grenzpolizei zu übergeben.
 

Venezolanische Flüchtlinge ...

... in einem Auffanglager der Militärs im brasilianischen Bundesstaat Roraima ...

... an der Grenze zu Venezuela. Foto: Thomas Milz/Adveniat


Allerdings ist es derzeit aufgrund der Pandemie für Neuankömmlinge nicht möglich, sich bei den brasilianischen Behörden registrieren zu lassen. Zum einen ist der offizielle Grenzübergang in Pacaraima geschlossen. Ohne Einreisestempel aber keine Registrierung. Brasiliens Zentralregierung sehe die Ankunft immer neuer Flüchtlingsgruppen nicht gerne, da derzeit die Ärmsten der Armen aus dem Nachbarland kämen, so Saraiva von der Migrantenpastoral. Das Personal der Bundespolizei, das die Registrierung vornimmt, wurde zudem heruntergefahren. „Die Bundespolizei Polícia Federal hat früher 500 Geflüchtete pro Tag registriert, jetzt sind es 500 pro Monat.“

An eine Rückkehr der Geflüchteten nach Venezuela sei nicht zu denken, so Saraiva. „Die Situation dort wird immer schlimmer. Letztes Jahr war es schon schwierig, jetzt ist es jedoch nahezu unmöglich, dort zu überleben. Die Supermärkte sind leer, und die wenigen Lebensmittel sind sehr teuer.“ Die Migrantenpastoral plant nun in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen der Zivilgesellschaft weitere Aktionen, um die Abschiebungen zu stoppen. „Wir kämpfen seit langem gegen die sofortige Abschiebung sozial verletzlicher Familien und planen, dagegen offiziell vorzugehen. Denn die Abschiebung würde nur dazu führen, diese Familien noch verletzlicher zu machen.“ Repam, die Migrantenpastoral sowie weitere Organisationen, die sich vor Ort um die Migranten kümmern, werden seit Jahren vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat bei ihrer Arbeit unterstützt.