„Ortega muss das Land demokratisch öffnen“
Adveniat zu den anhaltenden Protesten in Nicaragua

Essen, 24. April 2018. „Präsident Daniel Ortega muss einlenken und eine demokratische Öffnung einleiten.“ Das fordert die Nicaragua-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Inés Klissenbauer. Die maßlose Gewalt vonseiten der Polizei und der Militärs müsse ebenso beendet werden wie die Plünderungen und die blinde Zerstörungswut aufseiten eines Teils der Protestierenden. „Mit unseren Projektpartnern und der Kirche in Nicaragua sprechen wir uns für friedliche Demonstrationen und einen überfälligen Dialog zwischen Regierung und den überwiegend jungen Protestierenden aus“, so Nicaragua-Expertin Klissenbauer.

Demonstration gegen Polizeigewalt und die Regierung von Präsident Daniel Ortega in Managua, Nicaragua April 23, 2018. REUTERS/Jorge Cabrera - RC1897B30670

Kein Ende der Proteste in Sicht

Auslöser für die blutigen Proteste, bei denen unabhängigen Medien zufolge bereits 30 Menschen umgekommen sind, war eine Sozialversicherungs-Reform – durchgesetzt per Dekret des Präsidenten. Inzwischen hat Ortega, der seit 2007 an der Macht ist, die Kürzung der Renten um fünf Prozent und die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge um 0,75 Prozent zurückgenommen. „Entgegen der Behauptung der regierungsnahen Medien hat dieser Schritt die Lage keineswegs beruhigt“, berichtet Inés Klissenbauer. „Denn die Wut, die sich entlädt, hat tiefer liegende Ursachen. Die Menschen fragen sich, warum sie nicht friedlich protestieren dürfen.“ Die unverhältnismäßige Gewalt der Regierung habe die Gegengewalt bei den Demonstranten ausgelöst. „In einem Land, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung in großer Armut lebt, werden Proteste schnell auch von Trittbrettfahrern genutzt, die Supermärkte plündern und mit blinder Zerstörungswut durch die Straßen ziehen.“

Kirche ist Stimme des Dialogs

Nicaragua-Expertin bei Adveniat, Inés Klissenbauer. Foto: Adveniat/Steffen

„Eine wichtige Stimme des Friedens und Dialogs ist aktuell die Kirche“, sagt Adveniat-Expertin Klissenbauer. Sie habe die Kirchentüren geöffnet, um Verletzte zu versorgen, und der Erzbischof von Managua, Kardinal Leopoldo José Brenes Solórzano, stehe als Vermittler bereit. Die politische Opposition ist führungslos und tritt nicht als Sprecherin der Anliegen der Demonstranten auf. Deshalb ruhe nun die Hoffnung auf den Studierenden, die neben den Rentnern als erste auf die Straße gegangen sind. „Die Jugend Nicaraguas wird als moralisches Gewissen des Landes gesehen, die Jugend will Verantwortung übernehmen. Sie hat die diktatorische Machtausübung der Regierung und die verbreitete Korruption auf beiden Seiten des politischen Spektrums satt“, ist Klissenbauer überzeugt. „Die Jugendlichen wollen eine gute Ausbildung, Arbeit und Perspektiven in ihrem Land.“ Die alte Einteilung in links und rechts funktioniere nicht mehr. „Für viele Anhänger des Präsidenten bis hin zu kirchlichen Vertretern, die auf der Seite der Armen stehen, ist es schmerzlich zu sehen, dass Ortega mit seinem diktatorischen Regierungsstil die sozialen und wirtschaftlichen Fortschritte während seiner Amtszeit zunichte macht“, so die Nicaragua-Expertin. „Bei aller berechtigten Kritik – das Ausmaß der Korruptionsskandale seiner Vorgänger hat er nicht erreicht.“ Trete Ortega zurück, versinke das Land im Chaos, weil zurzeit jede politische Alternative fehle. „Deshalb muss Präsident Ortega das Land demokratisch öffnen“, betont die Nicaragua-Referentin Inés Klissenbauer. 

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Dazu arbeitet Adveniat entschieden in Kirche und Gesellschaft in Deutschland. Getragen wird das Werk von hunderttausenden Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten rund 2.200 Projekte gefördert werden, die mit 38 Millionen Euro genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Armen.