Adveniat zur Ermordung des haitianischen Präsidenten: „Trauriger Höhepunkt in der Krise“

„Die Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse ist ein trauriger Höhepunkt in der Krise, die das Land seit Jahren erschüttert.“ Das hat Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz am 8. Juli in Essen betont.
 

Pater Michael Heinz, Hauptgeschäftsführer von Adveniat. Foto: Steffen/Adveniat


Das Lateinamerika-Hilfswerk bekräftige die Forderung der Haitianischen Bischofskonferenz nach einem Dialog, sagte Pater Heinz: „Ein Schritt zur Lösung der Krise muss auch aus dem Land selbst herauskommen.“ Der Präsidentenmord habe Haiti plötzlich wieder in den Blickpunkt der internationalen Schlagzeilen gebracht. „Die Situation des armen Karibikstaates ist allerdings schon seit Jahren besorgniserregend“, betont der Adveniat-Chef.

„In Haitis Hauptstadt Port-au-Prince gibt es gut 90 Gangs, die mindestens ein Drittel der Stadt in ihrer Gewalt haben und wechselnde Koalitionen bilden. In den letzten Wochen kam es zum Bruch verschiedener Bündnisse“, erklärt Michael Huhn aus der Projektabteilung von Adveniat. „Daraufhin endete die ‚stabile‘ Herrschaft einzelner Gangs beziehungsweise von Koalitionen in den Stadtteilen und Vororten Bas-Delmas, Belair, Cité Soleil, Croix-des-Bouquets, La Saline, Martissant und Tabarre.

Michael Huhn aus der Projektabteilung von Adveniat. Foto: Steffen/Adveniat

Kirche bemüht sich um breit angelegt Gespräche

Infolgedessen sind Kämpfe um die künftige Herrschaft in diesen Vierteln und Vororten ausgebrochen“, erklärt Huhn. Seit Monaten bemühe sich die Kirche in Haiti, darunter auch die Päpstliche Nuntiatur, um breit angelegte Gespräche. „Bislang allerdings ohne Erfolg, denn nicht alle politischen Kräfte des Landes wollen an einem Dialog teilnehmen“, sagt Huhn. „Wer etwas tun muss, sind die Haitianer selbst. Dazu zählt vor allem die Bereitschaft der politischen Kräfte, aufeinander zuzugehen und Kompromisse zum Wohle des Volkes einzugehen“, betont Huhn.

Angesichts der katastrophalen Sicherheitslage im Land gibt es Rufe nach einer internationalen Eingreiftruppe der Vereinten Nationen. Das würden laut Huhn einige Haitianer begrüßen, die meisten jedoch nicht. Die „Internationales“ hätten in Haiti keinen guten Ruf. Mit ihnen sind die aus dem Ausland eingeflogenen Mitarbeiter internationaler Organisationen gemeint, die nach dem Sturz von Diktator Jean-Bertrand Aristide 2004 und in noch größerer Zahl nach dem Erdbeben 2010 kamen und zum großen Teil in einer Blase in Pétionville oder Kenscoff leben.
 

Für Frieden und Menschenrechte in Lateinamerika.

Mit Hilfe von Adveniat hat Schwester Helena Margarida Schroeder in Corail ein Sozialzentrum aufgebaut, in dem unterernährte Kinder betreut werden. Adveniat hat im vergangenen Haushaltsjahr 77 Projekte mit einer Summe von 2,6 Millionen Euro in Haiti unterstützt. Foto: Martin Steffen/Adveniat


Haiti gilt als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre

Im Jahr 2010 zerstörte ein schweres Erdbeben weite Teile der Infrastruktur des Landes, rund 250.000 Menschen starben. In den Folgejahren zerstörten heftige Wirbelstürme die Ernten. Fast die Hälfte der haitianischen Bevölkerung benötigt nach einer jüngsten Einschätzung des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten humanitäre Hilfe. Die Ernährungsgrundlage von rund 4,1 Millionen Menschen sei in Folge der Corona-Pandemie nicht sichergestellt.

Hinzu kommen schwere Korruptionsfälle in der haitianischen Politik, die eine tiefe Vertrauenskrise in die Institutionen ausgelöst hat. Das führt zu einer anhaltenden Migrationsbewegung in Richtung USA, Mittelamerika, vor allem aber ins Nachbarland Dominikanische Republik. „Wer es bezahlen kann und die Kraft dazu hat, wird versuchen, das Land zu verlassen, wie in den letzten Jahren auch“, sagt Michael Huhn. Die Pläne der dominikanischen Regierung, eine Art Grenzmauer zu bauen, würden an den finanziellen Möglichkeiten scheitern: „Eine Mauer können die Dominikaner nicht bezahlen. Falls sie an die vier Grenzübergänge Dajabón, Elías Piña, Jimaní und Pedernales Mauer-Schaustücke bauen sollten, werden die Haitianer eben anderswo über die Grenze gehen.“