Polizei- und Militärgewalt stoppen
Adveniat zur Eskalation in Kolumbien

„Duque muss die maßlose Gewalt von Polizei, Militär und anderen sogenannten Sicherheitskräften umgehend stoppen.“ Das fordert die Kolumbien-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat Lauer Perez. Regelrechte Kriegsszenen haben sich in den vergangenen Tagen in kolumbianischen Städten wie Cali, Bogotá oder Pasto abgespielt.

Mit Polizei und Militär (hier ein Symbolbild) geht die kolumbianischen Regierung gegen die Protestierenden vor.

Mit Polizei und Militär (hier ein Symbolbild) geht die kolumbianischen Regierung gegen die Protestierenden vor. Der Bischof von Pasto fordert einen Dialog. Denn: „Jedes Leben ist heilig!" Foto: Florian Kopp/Adveniat

„Die Toten und Verletzten in den Straßen Kolumbiens sind das Ergebnis der krachend gescheiterten Politik von Präsident Iván Duque.“ Davon ist die Kolumbien-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Monika Lauer Perez überzeugt. „Anstatt den Versöhnungs- und Friedensprozess seines Vorgängers und Friedensnobelpreisträgers Manuel Santos fortzusetzen, hat er die ohnehin schon polarisierte Gesellschaft weiter systematisch gespalten“, kritisiert Lauer Perez. Regelrechte Kriegsszenen haben sich in den vergangenen Tagen insbesondere in den Städten wie Cali, Bogotá oder Pasto abgespielt. Auslöser war eine inzwischen zurückgenommene Steuerreform. Die Gründe für die Proteste, die in dieser Form bereits seit 2019 begannen und durch die Pandemie unterbrochen wurden, liegen jedoch tiefer. Das Land ist seit mehr als 50 Jahren von Gewalt und Krieg zerrissen zwischen verschiedenen Guerillas auf der einen und der Regierung sowie paramilitärischen Banden auf der anderen Seite. „Duque muss die maßlose Gewalt von Polizei, Militär und anderen sogenannten Sicherheitskräften umgehend stoppen“, fordert Adveniat-Expertin Lauer Perez.

Bischof von Pasto: "Jedes Leben ist heilig!"

Einen echten Dialog, Respekt gegenüber dem Leben, humanitäre Korridore zur Versorgung der protestierenden Menschen und die aufrichtige Suche nach einer friedlichen Lösung fordert der Adveniat-Partner und Bischof von Pasto, Juan Carlos Cárdenas Toro, ein. Denn: „Jedes Leben ist heilig! Und wir sind alle Brüder und Schwestern der einen Erde“, so der Bischof des Bistums im Süden Kolumbiens. Es handle sich um legitime Proteste zahlreicher Menschen, die sich für ein gerechteres, nachhaltigeres Kolumbien einsetzen, das allen ein Leben in Würde mit Zukunftsperspektiven bietet.

Für Frieden und Menschenrechte in Lateinamerika und der Karibik.

Kolumbien-Referentin Monika Lauer Perez

Monika Lauer Perez ist Kolumbien-Referentin bei Adveniat. Foto: Martin Steffen

Die Unterschriften Ende 2016 unter den Friedensvertrag zwischen der Regierung unter dem damaligen Präsidenten Santos und der Farc, der größten Guerillabewegung des Landes, hatten große Hoffnungen auf einen Friedens- und Versöhnungsprozess geweckt. „Ivan Duque hat die Umsetzung des Friedensvertrages systematisch hintertrieben. Zusagen der Regierung wurden nicht eingehalten. Mehr noch: Er hat tatenlos zugeschaut, wie Friedens- und Menschenrechtsaktivisten sowie ehemalige Farc-Kämpfer zu hunderten ermordet wurden“, fasst Monika Lauer Perez das Versagen des kolumbianischen Präsidenten zusammen. Wie schon zwischen 2002 und 2010 unter seinem Ziehvater Álvaro Uribe, ohne dessen Hilfe er heute nicht im Amt wäre, habe Duque auf eine einseitige Politik der Repression gesetzt. „Felder mit Kokapflanzen wurden vernichtet, anstatt den Kleinbauern zu helfen, vermarktbare Alternativen anzubauen“, nennt die Kolumbien-Expertin ein konkretes Beispiel. „Und anstatt endlich die dringend benötigte Agrarreform und eine Bildungsoffensive für die Jugend voranzubringen, hat Duque einseitig die Interessen der Großgrundbesitzer und der ökonomischen Eliten bedient.“ Die angestaute Unzufriedenheit in der polarisierten Gesellschaft wurde dann durch das schlechte Krisenmanagement in der Corona-Pandemie und den Zuzug von mehr als 1,5 Millionen Flüchtlingen aus dem Nachbarland Venezuela verstärkt.

Deutschland muss seine Vermittlerrolle wieder aufnehmen

Für Monika Lauer Perez vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat steht fest: Kolumbien braucht internationale Hilfe, um die massive Spaltung der Gesellschaft zu überwinden und die Wunden aus mehr als 50 Jahren Krieg und Gewalt aufzuarbeiten. „Deutschland muss da ansetzen, wo die Vermittlungsbemühungen unter dem Sonderbeauftragten des Auswärtigen Amts für den Friedensprozess in Kolumbien, Tom Koenigs, nach dessen Ausscheiden aus dem Bundestag geendet haben“, ist Lauer Perez überzeugt. „Es war ein außenpolitischer Fehler, 2017 keinen Nachfolger zu benennen und so lange am Ball zu bleiben, bis der Friedens- und Versöhnungsprozess auch umgesetzt ist.“ Die „Deutsche Menschenrechts-Koordination Kolumbien“, dem das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat angehört, hat die Mitglieder des deutschen Bundestags mit einem Briefentwurf aufgefordert, sich persönlich an den kolumbianischen Präsidenten, Iván Duque zu wenden, um die Einhaltung der Menschenrechtsstandards und die Aufklärung der Polizeigewalt einzufordern.

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Dazu arbeitet Adveniat entschieden in Kirche und Gesellschaft in Deutschland. Getragen wird das Werk von hunderttausenden Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten mehr als 2.000 Projekte mit rund 35 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Armen.