"Bolsonaro will zurück in die Militärdiktatur"

Jair Bolsonaro hetzt gegen Minderheiten und Frauen, liebäugelt mit der Militärdiktatur. Jetzt ist er zum Präsidenten Brasiliens gewählt worden.

Macht der neue Präsident seine Ankündigungen war, werden Miltiär und Polizei in Brasilien künftig wieder verstärkt das Sagen haben.

Macht der neue Präsident seine Ankündigungen war, werden Miltiär und Polizei in Brasilien künftig wieder verstärkt das Sagen haben. Foto: Jürgen Escher/Adveniat

„Bolsonaro will zurück in die Militärdiktatur. Auch wenn alle hoffen, dass seiner Rhetorik keine Taten folgen, sollte man sich da keinen Illusionen hingeben.“ Das erklärt der Brasilien-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Norbert Bolte, in einer ersten Reaktion zur Wahl Jair Bolsonaros zum Präsidenten Brasiliens am Sonntag, 28. Oktober 2018. „Die Militärpolizei ist bereits in den letzten Tagen vor dem zweiten Wahlgang in mehr als 20 Universitäten eingedrungen, um Debatten aufzulösen. Das freie Wort wird schon jetzt an diesen Symbolorten des Widerstandes gegen die Militärdiktatur unterdrückt“, so Adveniat-Experte Bolte. Mehrfach hatte Bolsonaro angekündigt, eine „Art Militärdiktatur“ errichten zu wollen, wie sie zwischen 1964 und 1985 in Brasilien existierte. Seine Anhänger fühlten sich durch seine aggressive Rhetorik ermutigt, gewalttätig auf politisch Andersdenkende loszugehen. „In manchen Regionen liefen Anhänger des Kandidaten der Arbeiterpartei, Fernando Haddad, Gefahr, gelyncht zu werden“, berichtet Bolte von seinen Eindrücken vor Ort.

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Der Brasilien-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat fürchtet um die Projektpartner in Brasilien. Denn Bolsonaro habe erklärt, seine Säuberungen würden umfassend sein. „Unsere Adveniat-Projektpartner werden bereits verfolgt und tätlich angegriffen, weil sie sich für Arme, Indigene, Afrobrasilianer oder Häftlinge einsetzen. Das wird zunehmen“, ist Bolte überzeugt. Ausländische Mitarbeiter von kirchlichen Organisationen fürchteten zudem, dass sie ausgewiesen werden. Die überwiegende Mehrheit der katholischen Kirche sorge sich um die Einhaltung von Demokratie und Verfassung. „Die Bischofskonferenz sieht die demokratischen Grundwerte und die Menschenrechte durch Bolsonaro gefährdet“, so Bolte. Allerdings gebe es auch in der katholischen Kirche einen reaktionären Flügel, der mit dem autoritären System flirtet, für das Bolsonaro steht.

Als ein Grund für den Wahlausgang werden immer wieder die aufgedeckten Korruptionsskandale genannt, in die auch Teile der zwischen 2003 und 2016 regierenden Arbeiterpartei PT verwickelt waren. „Dabei wird jedoch vergessen, dass die Korruption in Brasilien systemisch ist. Seit der Eroberung durch die Portugiesen gehört die Korruption zur DNA Brasiliens“, sagt Adveniat-Experte Bolte. Der Arbeiterpartei sei zum Verhängnis geworden, dass sie unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff Polizei und Justiz für die Korruptionsbekämpfung personell und finanziell ausgestattet habe. Deren Ermittlungen richteten sich jetzt sehr stark auch gegen sie. In den von den korrupten alten Eliten beherrschten Medien, werde überwiegend über die Korruptionsfälle von PT-Mitgliedern berichtet. Auch die Justiz habe die Verfahren gegen Politiker der Arbeiterpartei beschleunigt vorangetrieben. Berühmtestes Beispiel: der Prozess gegen Ex-Präsident Lula, der seine Haft sogar antreten musste, bevor alle Rechtsmittel ausgeschöpft waren. „Das hat zu einer entsprechenden Schieflage in der öffentlichen Wahrnehmung geführt. Entstanden ist ein Nährboden für eine antidemokratische Bewegung im Land“, fasst Adveniat-Experte Bolte zusammen.

Den Schutz der indigenen Völker und ihrer Territorien hat Bolsonaro ebenfalls im Wahlkampf aufgekündigt. Mit seiner neoliberalen Agenda wolle er sich die Unterstützung der Unternehmer und der in Brasilien ausgesprochen mächtigen Agrar- und Bergbaulobby sichern. „Dazu ist er bereit die Natur und die ursprünglichen Völker des Amazonasgebiets zu opfern.“ Deshalb engagiere sich das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat in dem Amazonasnetzwerk Repam, zu dem sich die Kirchen der neun Amazonas-Staaten mit zahlreichen Initiativen indigener Völker zusammengeschlossen. Denn nur eine Vernetzung über Länder- und Kontinentgrenzen hinweg, kann wenigstens einen Teil der Lebenswelt der ursprünglichen Völker bewahren.