Alarm am Watoriki-Berg
Überleben der Yanomami bedroht

Das Weltwasserforum und der Weltwassertag weisen darauf hin: Weltweit wird unser Trinkwasser knapper. Selbst in den Regenwäldern Amazoniens, einem der entlegendsten und eigentlich feuchtesten Flecken der Welt, droht der Wassernotstand. Goldsucher und Agroindustrie verseuchen das Trinkwasser der Yanomami. Das Überleben des indigenen Volkes ist bedroht.

Noch ist der Regenwald rund um das Dorf Demini eine dichte Fläche. Der traditionelle Shabono-Rundbau, in dem die rund einhundert Yanomami leben, erscheint beim Blick aus dem Flugzeug wie auf einem grünen Kissen gebettet. Daneben ragt ein bulliger Felsen in den Himmel: Watoriki, das „Haus des Windes“. Ab und zu blitzt es zwischen den Bäumen auf, wenn der kleine Fluss die Sonnenstrahlen reflektiert. Seinem Wasser verdanken die Yanomami hier ihr Leben.

Watoriki ist ein entlegener Ort ganz im Norden Brasiliens. Hunderte Kilometer Regenwald trennen ihn von den großen Amazonasstädten im Süden. Wer sich ihr durch die Luft nähert, erschreckt angesichts der plötzlich karg werdenden Felder und des von Sandbänken durchzogenen Flusses, dem Rio Branco. Längst hat sich die industriell betriebene Landwirtschaft an der dünn besiedelten Grenze zu Venezuela breitgemacht. Mit ihr kamen Kahlschlag, Insektizide und Dünger. Die einst waldbewachsene Ebene trocknet immer weiter aus.

Mit der Kampagne Zukunft Amazonas unterstützt Adveniat die indigenen Völker in ihrem Kampf um ihr Überleben.

Anfang 2016 erlebte der Teilstaat Roraima die schlimmste Dürre der letzten zwanzig Jahre. Der Pegel des Rio Branco fiel auf nur noch fünfzig Zentimeter. Selbst der angrenzende, sonst so feuchte Regenwald trocknete bedrohlich aus, seine immergrünen Blätter wurden gelb. Und er begann zu brennen. Sorgen um die Zukunft seines Volkes treiben seitdem Davi Kopenawa und seine Yanomami im Dorf Demini um. Adveniat unterstützt bereits seit Jahren die von ihm gegründete Yanomami-Organisation Hutukara. Und mit dem panamzonischen, kirchlichen Netzwerk Repam setzt sich das Lateinamerika-Hilfswerk für die Zukunft am Amazonas ein.

Das Quecksilber der Goldsucher verseucht die Yanomami

In den Neunzigerjahren hatte Kopenawa, der weltweit verehrte, oberste Repräsentant der Yanomami Brasiliens, der Regierung im fernen Brasília die „Terra Indígena Yanomami“ abgerungen. Hier, in ihrem Wald, wollten sie auf ewig nach ihren Traditionen weiterleben. Unbedrängt von der modernen Welt mit ihrem die Natur zerfressendem Lebensstil.

Der Shabono, der traditionelle Rundbau, in dem die rund einhundert Yanomami leben.
Der Shabono, der traditionelle Rundbau, in dem die rund einhundert Yanomami leben. Foto: Jürgen Escher/Adveniat

Der kleine Fluss rund 100 Meter abseits des Shabono ist dabei der Lebensquell für die Dorfbewohner. Das knietiefe, glasklare Wasser ist ihr Trinkwasserspender. Um sich zu waschen, gehen die Yanomami einfach ein paar Meter flussabwärts. Einige Biegungen weiter spendet der Fluss das Wasser zum Bewässern ihrer Felder. Und genug Fische für das Abendessen bietet er auch.

Doch im April 2017 sah sich Kopenawa gezwungen, die Vereinten Nationen in Genf um Hilfe zu bitten. Sein Volk sei krank, verseucht durch das Quecksilber, das die weißen Goldsucher in die Flüsse leiten. Sie trennen damit das Gold von Fremdstoffen. Doch das Gift verbreitet sich im Wasser, in den Tieren und Pflanzen. In manchen Gegenden des Yanomami-Landes seien bis zu neunzig Prozent der Indigenen stark mit Quecksilber belastet, ergaben Untersuchungen.

"Wenn die Regierung nichts unternimmt, verschwindet mein Volk"

Kopenawa fühlt sich an längst vergangen geglaubte Zeiten erinnert. Bereits in den Achtzigerjahren waren die Wälder der Yanomami voll illegaler Goldsucher. Mit der Einrichtung des Yanomami-Schutzgebietes wurden sie vorübergehend vertrieben. Doch seit der Jahrtausendwende kommen sie zurück, seit 2013 sogar in großen Gruppen. Und jeder Tropfen Quecksilber, den die Goldgräber in den Gewässern zurücklassen, bringe die Yanomami ihrem Untergang näher, so Kopenawa.

Mindestens 84 illegale Schürfstellen haben seine Leute ausgemacht und der Regierung gemeldet. Doch passiert ist nichts. Längst sind die großen Flüsse des Yanomami-Gebiets belastet. Urvölker wie die Yanomami haben keine Alternative zur Natur, sie können kein sauberes Wasser im nächsten Supermarkt kaufen. Kippt die Natur, kippen sie mit. „Wenn die Regierung nicht endlich die Augen öffnet und etwas unternimmt, wird mein Volk verschwinden“, warnt Kopenawa.