Kolumbien fünf Jahre nach dem Friedensabkommen

Vor fünf Jahren, im November 2016 sollte der jahrzehntelange blutige Konflikt zwischen Regierung und Guerilla in Kolumbien mit einem Friedensvertrag enden. Doch das Land versinkt weiterhin in Gewalt und Kriminalität.

Adveniat-Partner Leyner Palacios

Adveniat-Partner Leyner Palacios setzt sich in der Wahrheitskommission für die Aussöhnung in Kolumbien ein. Er gehört zu den Friedensaktivisten, die ständig mit dem Tode bedroht werden. Foto: Adveniat

Mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrags beendeten die linksgerichtete Guerillaorganisation FARC und der kolumbianische Staat am 24. November 2016 offiziell einen fünf Jahrzehnte andauernden Bürgerkrieg, der über 250.000 Menschen das Leben kostete. Vorausgegangen waren Verhandlungen, die maßgeblich von der Versöhnungskommission der Kirche in Kolumbien vorangetrieben worden waren. Deren Arbeit hatte das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat viele Jahre untertstützt. Bis heute begleitet Adveniat seine Partnerinnen und Partner vor Ort mit der Aktion "Frieden jetzt!".

Für die Friedens- und Menschenrechtsarbeit in Lateinamerika.

Fünf Jahre sind seitdem vergangen. Der Frieden kam in dieser Zeit allerdings nur schleppend voran - auch weil das Land sich wegen der hohen Nachfrage aus Europa und den USA nicht aus den Fängen der brutalen Kokain-Kartelle befreien kann. Und weil der amtierende Präsident Ivan Duque von Anfang an mit dem Vertrag fremdelte und damit eine historische Chance versäumte, die ihm sein Vorgänger, Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos, ermöglichte.

Bis heute vergeht in Kolumbien kaum eine Woche ohne Morde an Umweltschützern, Menschenrechtlern oder Sozialaktivisten. Fast alle stehen in Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Interessen rechtsgerichteter Paramilitärs, linksgerichteter Guerillas oder der organisierten Drogenkriminalität sowie illegalem Bergbau oder einer flächenfressenden Agrarindustrie. Zwar hat sich die FARC als Kriegspartei verabschiedet, doch die marxistische ELN-Guerilla und zahlreiche rechtsextreme Gruppen agieren weiter.

Allein in diesem Jahr wurden bis September laut der kolumbianischen Menschenrechtsorganisation "Somos Defensores" 86 Morde an Menschenrechtsaktivisten registriert. "Im ersten Halbjahr 2021 haben wir 524 Angriffe verzeichnet, was einer Zunahme von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Zugenommen haben auch Aggressionen gegen weibliche Aktivistinnen", sagte Lourdes Castro, Koordinatorin der Organisation in Bogota.

Hinzu kommt laut "Somos Defensors" zunehmende Gewalt gegen Teilnehmer und Organisatoren der jüngsten Sozialproteste. Um sie zu beenden müsste die Regierung vor allem drei Dinge umsetzen, fordert Castro: "Erstens muss die Stigmatisierung von Menschenrechtlern enden. Da hat der kolumbianische Staat große Verantwortung. Aber auch wir Bürger müssen zur Legitimation dieser Auseinandersetzung für soziale Gerechtigkeit beitragen."
Zweitens müsse die Regierung ihre Verpflichtung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern ernst nehmen. Dafür gebe es im Friedensabkommen wichtige Instrumente, deren Umsetzung im Hinblick auf Prävention und Schutz von Sozialaktivisten helfen könnten. Drittens müsse die Straflosigkeit für Verbrechen gegen Sozialaktivisten aufhören, so Castro.

Deutsche Nichtregierungsorganisationen lenkten jüngst den Blick auf die Militärkooperation Deutschlands mit Kolumbien. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Berlin Anfang November mit Kolumbien ein Kooperationsabkommen über Verteidigungsfragen geschlossen habe, über dessen Inhalt kaum etwas bekannt sei, heißt es in einer gemeinsam Pressemitteilung des Zusammenschlusses "Menschenrechtskoordination Kolumbien", der auch das Lateinamerika-Hilfwerk Adveniat angehört.