Hilfswerke-Bündnis fordert: Patente für Corona-Impfstoffe freigeben

Der Globale Süden ist ungehemmt dem Corona-Virus in all seinen Varianten ausgesetzt. Das liegt uch an einer mangelhaften Unterstützung durch die Regierungen des Nordens, beklagen das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat und andere Hilfswerke. Das Bündnis fordert in einem offenen Brief an die Deutsche Bischofskonferenz deshalb die vorübergehende Freigabe der Impfpatente.

Freigabe der Impfpatente könnte Menschenleben in Lateinamerika retten

Die Freigabe der Impfpatende könnte in der Corona-Pandemie Menschenleben retten. Davon sind Adveniat und andere Hilfswerke überzeugt. In einem offenen Brief an die deutschen Bischöfe machen sie sich für eine vorrübergehende Freigabe der Impfpatente stark. Foto: Adveniat

Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat macht sich gemeinsam mit mehreren katholische Organisationen und Hilfswerken für eine vorübergehende Freigabe von Patenten an Corona-Impfstoffen und Medikamenten stark. Sie appellieren an die Deutsche Bischofskonferenz, entsprechend auf die Bundesregierung einzuwirken. Deutschland zähle bei dieser Frage zu den Bremsern "und gilt vielen als Haupthindernis auf dem Weg zu einer globalen Einigung", heißt es in einem Offenen Brief an die Bischofskonferenz. Die Bischöfe wollen sich den Angaben zufolge bei ihrer Herbstvollversammlung vom 20. bis 23. September unter anderem mit der Frage globaler Impfgerechtigkeit beschäftigen.

Dass vor allem der Globale Süden bislang ungehemmt dem Virus in all seinen Varianten ausgesetzt sei, liege auch an einer mangelhaften Unterstützung durch die Regierungen des Nordens, beklagen die Organisationen. Während in Deutschland bis zum 12. September bereits 62,20 Prozent der Bevölkerung vollständig immunisiert seien, liege der Anteil in Afrika nur bei 3,18 Prozent.

Für die von Corona betroffenen Menschen in Lateinamerika.

Die Unterzeichner des Briefs verweisen auf ein Orientierungspapier der Deutschen Kommission Justitia et Pax. Darin heißt es, für die Knappheit der Impfstoffe seien vor allem der Patentschutz und die Produktionskapazitäten verantwortlich. Die Bischofskonferenz solle sich hinter die Analyse und die Forderungen stellen. "Bitte fordern Sie die Bundesregierung dringend auf, ihren Widerstand gegen die zeitweise Aussetzung der Patente und weiterer relevanter Rechte an geistigem Eigentum für gegen Covid-19 benötigte Impfstoffe, Therapeutika, Diagnose- und Produktionstechnologien aufzugeben."

Dieser Schritt werde inzwischen nicht nur von Papst Franziskus und der katholischen Kirche im Globalen Süden gefordert. Auch die Welthandelsorganisation WTO arbeite bereits an entsprechenden Vertragstexten. Bislang unterstützten über 100 Staaten die Aussetzung, darunter die USA und Frankreich.

Der Erzbischof der brasilianischen Amazonas-Metropole Manaus und Adveniat-Partner Dom Leonardo Steiner beschreibt die existentiellen Folgen der Corona-Pandemie: „Die Pandemie hat die Armut verschärft: Immer mehr Menschen leben von informeller Arbeit. Immer mehr Menschen bitten um Almosen. Immer mehr Menschen leben und schlafen auf der Straße.“

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Montag die Haltung der Bundesregierung erneut gegen die bereits seit Längerem erhobene Kritik verteidigt. "Der Schutz von geistigem Eigentum ist Quelle von Innovation", sagte er. "Es ist nicht die Patent-Freigabe, die das Problem der Impfstoff-Knappheit in Afrika schnell lösen würde." Es mangele an Produktionsmöglichkeiten. Ein Mittel dagegen sei eine möglichst enge Zusammenarbeit über Lizenzvergaben oder andere Kooperationsprojekte.

Unterzeichnet haben den Offenen Brief an die Bischofskonferenz das Missionsärztliche Institut, die Deutsche Ordensobernkonferenz, das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat, Misereor Aachen, die Bischöfliche Kommission für Mission, Entwicklung und Frieden im Bistum Osnabrück und die Jesuitenmission Deutschland.

(KNA)

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Dazu arbeitet Adveniat entschieden in Kirche und Gesellschaft in Deutschland. Getragen wird das Werk von hunderttausenden Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten mehr als 2.000 Projekte mit rund 35 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Armen.