Honduras in der Corona-Krise:
Korruption, Gewalt, Hunger

In Honduras hat die Ausbreitung des Corona-Virus dramatische Auswirkungen für die Menschen. Hunger, Gewalt und Perspektivlosigkeit dominieren den Alltag. Hinzu kommen Korruption, Einschnitte in die Menschenrechte und ein marodes Gesundheitssystem.

Sie leben nur noch von dünner Bohnensuppe und Zuckerwasser. Und sie teilen sogar noch das Wenige, was sie haben. Seit vier Monaten hungern noch mehr Honduraner, seit das Coronavirus ihr Land erreicht hat, seit sie durch die Ausgangssperre ihre Jobs verloren haben. 70 Prozent der honduranischen Bevölkerung arbeitet im informellen Sektor und lebt von dem, was sie am Tag verdient. Zurzeit ist das: nichts. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung lebt bereits in Armut, 40 Prozent in extremer Armut – und es werden immer mehr. Deswegen kommt es trotz Ausgangssperre immer wieder zu Protesten. Die Menschen fordern Hilfen und Konzepte von der Regierung.

Eine entscheidende Frage: Wo sind die rund 40 Millionen US-Dollar geblieben, die der Regierung zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung stehen? Darunter genehmigte Mittel aus dem Staatshaushalt, Spenden, externe Finanzierungen und Genehmigungen zum Erwerb neuer Kredite. Bis auf wenige medizinische Ausstattung und mobile Krankenhauszelte, von denen bisher erst einige wenige angekommen sind, wurden scheinbar keine Investitionen getätigt. Die Menschen sterben auf den Straßen, weil es zu wenig Krankenhäuser gibt und die, die es gibt, überfüllt und ohne Medikamente und Ausstattung sind. 

für die Menschen in Lateinamerika in der Corona-Krise

Die Investitionen ins Gesundheitssystem gingen in den letzten Jahren zurück. Mit 101 US-Dollar pro Person gehört Honduras zu den Ländern in Lateinamerika und der Karibik, die am wenigsten in die Gesundheit investieren. Stattdessen fließt das Geld in Sicherheit und Verteidigung. Darauf legt die Regierung seit zehn Jahren großen Wert. Mitte Juni genehmigte die Europäische Union 80 Millionen Euro als Hilfe für das honduranische Gesundheitssystem, Wirtschaft und Menschenrechte, so eine Meldung der Agentur Reuters. Ob es bei den Menschen ankommt, bleibt fraglich. „Wenn das Geld statt in überteuerte medizinische Ausstattung zur Ernährung der Bevölkerung genutzt worden wäre, befänden wir uns jetzt in einer anderen gesundheitlichen Situation“, schreibt Padre Ismael Moreno, Projektpartner des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, bei Facebook. „Und um die Sache noch schlimmer zu machen, wird eine ‚intelligente‘ Lockerung von der Regierung angeordnet, obwohl weiterhin Bedrohung besteht.“ Padre Melo, wie der Jesuitenpater genannt wird, macht die konservative Regierung und den aktuellen Präsidenten Juan Orlando Hernandez für die Krise verantwortlich.

Drohungen und Morde

Am 15. März wurde in Honduras eine Ausgangssperre verhängt, die immer noch gilt. Seit Wochen plant die Regierung Lockerungen, um die stark angeschlagene Wirtschaft zu entlasten. Doch aufgrund steigender Infektionszahlen wurde der Lockdown erst einmal weiter verlängert. Vor allem in den Großstädten steigt die Zahl der Infizierten. Die Menschen dürfen die Häuser nur zum Einkaufen verlassen oder um zur Arbeit zu gehen. Laut WHO sind in Honduras 38.438 Menschen mit Covid-19 infiziert, 1.098 starben bereits daran. Die Dunkelziffer sei laut Experten hoch, da nur wenige Tests durchgeführt würden.  

Lateinamerika hat sich zum Epizentrum der Corona-Pandemie entwickelt. Während in Europa die Infektionszahlen zurückgehen, steigen sie in Lateinamerika rasant an. Gemeinsam mit seinen Projektpartnern hat Adveniat bereits knapp sieben Millionen Euro als Nothilfe geleistet, um die Menschen medizinisch, sowie mit Lebensmittel- und Hygienekits zu versorgen. Mehr dazu

Padre Melo (rechts) und Gerardo Chevez kritisieren Korruption und die Einschränkungen der Pressefreiheit in ihrem Sender "Radio Progresso", der von Adveniat unterstützt wird.

Padre Melo (rechts) und Gerardo Chevez kritisieren Korruption und die Einschränkungen der Pressefreiheit in ihrem Sender "Radio Progreso", der von Adveniat unterstützt wird. Foto: Jürgen Escher/Adveniat

Mit Eintritt der Ausgangssperre setzte die Regierung am 16. März auch den Verfassungsartikel zur Pressefreiheit außer Kraft. Für die Journalisten machte es keinen großen Unterschied, da die Pressefreiheit sowieso unterdrückt ist. Zwei Wochen später musste die Regierung die formelle Aussetzung der Pressefreiheit jedoch aufgrund massiven internationalen Drucks wieder aufheben. „Die Regierung versucht immer wieder die Pressefreiheit in Honduras einzuschränken“, sagt Gerardo Chévez, Reporter beim unabhängigen Radiosender Radio Progreso, der vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt wird. „Was uns beunruhigt, ist das neue Strafgesetzbuch, das Ende Juni in Kraft getreten ist. Darin gibt es Bestimmungen, die die Meinungs- und Pressefreiheit beschneiden.“ Reduziert wurden hingegen Strafen für Korruption und Gewalt gegen Frauen – in einem der korruptesten Länder weltweit und einem Land, in dem in diesem Jahr bereits mehr als 70 Frauen ermordet wurden.

Corona verschärft Ungleicheit und Ungerechtigkeit

Seit die Corona-Pandemie Honduras erreichte, hat es bereits 18 Morde gegeben, keiner wurde bisher aufgeklärt. Journalistinnen und Menschenrechtler sind besonders gefährdet. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, äußerte sich am 21. Juli bestürzt darüber und appellierte an die Regierung in Honduras, die Fälle aufzuklären. 

Die Corona-Krise verschärft die Ungleichheit und Ungerechtigkeit in Honduras noch weiter. Sie ist ein weiterer Faktor in der seit Jahren anhaltenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Krise.

Text: Christina Weise