"Für Kolumbien gibt es keine Alternative zum Frieden"
Kolumbiens Präsident Santos auf dem Adveniat-Podium

Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz, Bundesjustizministerin Katarina Barley, Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos, Moderator Joachim Frank, Erzbischof Luis Augusto Castro Quiroga und Christiane Bögemann-Hagedorn vom BMZ (von links).
Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz, Bundesjustizministerin Katarina Barley, Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos, Moderator Joachim Frank, Erzbischof Luis Augusto Castro Quiroga und Christiane Bögemann-Hagedorn vom BMZ (von links). Foto: Jürgen Escher/Adveniat

„Für Kolumbien gibt es keine Alternative zum Frieden.“ Das hat Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos Calderón am 10. Mai auf dem 101. Katholikentag in Münster betont. „Wahrheit, Gerechtigkeit, Entschädigung und Nichtwiederholung“ seien Grundvoraussetzung für einen dauerhaften Frieden. Deshalb seien von Beginn des Friedensprozesses an die Perspektive der mehr als 8,5 Millionen Opfer in den Mittelpunkt gestellt worden. Santos sagte: „Es ist sehr viel einfacher, Krieg zu führen, als Frieden zu stiften.“ Denn man müsse überzeugen, Vorurteile aus dem Weg räumen und erreichen, dass Leute einander vergeben. Damit ein friedliches Kolumbien wachsen könne, müsse die Armut überwunden und in Bildung investiert werden.

Unter der Überschrift „Frieden und Versöhnung sind möglich“ diskutierte der Friedensnobelpreisträger mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Kolumbianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Luis Augusto Castro Quiroga, Bundesjustizministerin Dr. Katarina Barley, der Lateinamerikabeauftragten im Bundesentwicklungsministerium, Dr. Christiane Bögemann-Hagedorn, und dem Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Pater Michael Heinz, über Kolumbiens Weg zum Frieden. Moderiert wurde das Adveniat-Podium vom Chefkorrespondenten der DuMont Mediengruppe Joachim Frank. Präsident Santos wurde 2016 „für seine entschlossenen Anstrengungen, den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg in dem Land zu beenden“ vom Nobelkomitee ausgezeichnet.

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos.
Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos. Foto: Jürgen Escher/Adveniat

Die Regierung unter Präsident Santos müsse den Friedensvertrag schneller umsetzen, forderte der ehemalige Vorsitzende der kolumbianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Castro Quiroga von Tunja. Kolumbien stehe bis heute vor großen Herausforderungen: „Die illegalen bewaffneten Gruppen töten weiterhin, vertreiben Kokain und rekrutieren Kinder. Während des Krieges wurden 16.879 Kinder rekrutiert.“ Besorgniserregend seien auch die systematischen Ermordungen von Menschenrechtsaktivisten. Aufgrund der Abwesenheit des Staates in den Krisenregionen des Landes sei die Kirche der „Garant für das Leben“. Weiterhin seien Land und Reichtum ungerecht verteilt und  die zugesagten Investitionen würden nicht getätigt – insbesondere in den Regionen, die am meisten vom Krieg betroffenen sind. Zudem fehlten die Mittel, damit die etwa acht Millionen Vertriebenen in ihre Heimat zurückkehren können. Vetternwirtschaft und die hohe Korruption seien bis heute in Kolumbien zu Hause.

Amazonasregion: Niemandsland ohne jede Staatsgewalt

„Die auch heute noch erschreckend hohe Mordrate an Menschenrechtsaktivisten in Kolumbien ist ein Skandal“, betonte auch Pater Heinz. Zudem wies er auf die bedrohte Lebenssituation indigener Völker im Amazonasgebiet hin und bat Präsident Santos, sich für sie stark zu machen. „In den Amazonasregionen gibt es ein Niemandsland ohne jede Staatsgewalt“, beklagte der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks. Dieses Vakuum werde von neuen bewaffneten Gruppen gefüllt. „Die Indigenen dürfen nicht zum zweiten Mal zu Opfern werden.“

„Elementar ist es, in Prozessen die Opfer stärker in den Blick zu nehmen“, sagte auch Bundesjustizministerin Barley. Besonders die Frauen könnten eine entscheidende Rolle beim Wiederaufbau einer friedlichen Gesellschaft spielen. Denn sie seien es, die am stärksten unter Kriegen litten. Mit Blick auf die Erfahrungen aus der deutschen Geschichte sagte sie: „Man darf nicht aufhören mit dem Versöhnungsprozess. Es geht um kollektive Verantwortung und das Lernen aus der Vergangenheit.“ Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt die Konstruktion von Frieden“, sagte Kolumbien-Expertin Bögemann-Hagedorn. „Es geht um Entwicklung, Bildung, Aufbau von Infrastruktur.“ Die kolumbianische Regierung erhalte 100 Millionen Euro als Kredit pro Jahr.

Organisiert hatte das Katholikentags-Podium das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat, das seit vielen Jahren den Friedensprozess in Kolumbien begleitet. Adveniat unterstützt mit seiner Aktion „Frieden jetzt!“ Einrichtungen der kolumbianischen Kirche wie die Nationale Versöhnungskommission oder den Bischöflichen Friedensrat. In vielen regionalen Friedensinitiativen werden über die gesellschaftlichen Gräben hinweg friedliche Konfliktlösungsstrategien vor Ort entwickelt und eingeübt. Die Opfer von fünfzig Jahren Krieg und Gewalt dürfen nicht zum zweiten Mal Opfer werden. Deshalb setzt sich die Kirche mit Unterstützung von Adveniat dafür ein, dass ihre Anliegen gehört werden. 60 Opfer wurden durch die Nationale Versöhnungskommission nach Havanna begleitet, damit sie vor den Verhandlungsführern der Regierung und der Farc ihre Geschichte erzählen können. Weitere Informationen unter www.adveniat/friedenjetzt.