Kuna verhindern Raubkopien ihrer Kunst durch Modefirmen

Ethno-Mode ist angesagt. Aber handelt es sich dabei um Plagiat oder Inspiration? Panamas Indigene vom Volk der Kuna kämpfen für die Urheberrechte an ihrer Textilkunst – auch gegen internationale Konzerne. 

Adveniat-Partnerin Briseida Iglesias präsentiert Molas, die traditionelle Handarbeit der Kuna-Frauen, die auch ihre Blusen zieren.

Adveniat-Partnerin Briseida Iglesias präsentiert Molas, die traditionelle Handarbeit der Kuna-Frauen, die auch ihre Blusen zieren. Gegen Plagiate von Mode-Konzerne wehrt sie sich immer wieder - mit Erfolg.  Foto: Matthias Hoch/Adveniat

Briseida Iglesias ist 1,50 Meter klein, 59 Jahre alt, zartgliedrig – und in der Modewelt gefürchtet. Schon die Erscheinung der Partnerin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat vom indigenen Volk der Kuna in Panama ist ein Hingucker: Stets kleidet sie sich in die traditionellen Blusen und Röcke aus farbenfrohen Motivbildern ihrer Ethnie, Mola genannt. Hand- und Fussgelenke zieren lange Reihen von bunten Perlen. Doch weniger ihr Äusseres hat sie bekannt gemacht, als ihr unerbittlicher Kampf für die Urheberrechte an ihrer Handwerkskunst. Denn die Kuna sind ein autonomes Volk, verwaltet von einem eigenen Kongress, und Mola ist eine registrierte Marke. 

Rund 50.000 Kuna leben auf dem Inselarchipel San Blas zwischen Panama und Kolumbien, hauptsächlich vom Fisch- und Langustenfang, vom Tourismus und vom Verkauf ihrer Handwerkskunst. „Mehr haben wir nicht, deshalb müssen wir unsere Trümpfe gut ausspielen und dürfen uns nicht über den Tisch ziehen lassen“, betont Atilio Martinez, Lehrer und selbst Kuna.

Ihre Spende, damit Indigene in Lateinamerika und der Karibik ihre Rechte verteidigen und ihre Kultur leben können:

Den Kampfgeist der Kuna sollte man nicht unterschätzen. In Costa Rica liess die umtriebige Iglesias eine ganze Ladung voller Mola beschlagnahmen, weil die ohne Erlaubnis ihres Kongresses ausser Landes geschmuggelt worden und dort mit dem Etikett „made in Costa Rica“ versehen worden war. „Den Zöllnern habe ich die Leviten gelesen“, erinnert sich die zierliche Dame mit einem spitzbübischen Lächeln. „Inzwischen kennen sie mich, und verlangen von jedem Händler, der Mola über die Grenze bringt, eine Genehmigung des Kuna-Kongresses.“ 

Die französische Modemacherin Helene Breebart lebt seit den 70er Jahren in Panama und entwirft dort Mode.

Die französische Modemacherin Helene Breebart lebt seit den 70er Jahren in Panama und entwirft dort Mode. Foto: Sandra Weiss

Eine weitere Kontrahentin ist die französische Modemacherin Helene Breebart: 1,72 Meter groß, schlank, blond, ehemalige Vertreterin von Dior, aufgewachsen auf einem Landsitz ausserhalb von Paris und seit den 70er-Jahren in Panama ansässig. „Ich nutze zwar die Technik übereinanderliegener Stoffe wie die Mola, aber mit eigenem Design“, beteuert die 76-Jährige. Original-Molas für Kragen oder Knopfleisten kaufe sie als Einzelstücke von den Kuna an, und sie habe sogar schon Kuna-Models zu einer Modeschau bei der UNO in New York mitgenommen, erzählt Breebart, die sich als Botschafterin der panamaischen Folklore versteht. 

Bei ihrem Streit mit Briseida Iglesias geht es weniger um die Designs, als um Arbeitsrechte: In ihrer kleinen Nähwerkstatt, in der einige Kuna arbeiten, wird nur massgeschneiderte Mode gefertigt. Die billigsten Blusen werden für 250 US-Dollar verkauft. „Den Näherinnen zahlt sie aber nur fünf Dollar pro Stunde oder beauftragt sie nur zeitweise, damit keine Sozialabgaben fällig werden“, schimpft Iglesias. Das sei alles rechtens und längst geregelt, entgegnet Breebart.

Selbst Nike muss sich bei den Kuna entschuldigen

Auch vor mächtigen Gegnern schreckt Iglesias nicht zurück. Nike zum Beispiel. Der US-Sportartikelhersteller hatte sich für eine Sonder-Edition des Modells Air Force 1 von den indigenen Designs inspirieren lassen. Als Iglesias davon Wind bekam und den Kuna-Kongress alarmierte, nahm man den Protest in Oregon am Sitz von Nike zunächst nicht besonders ernst. Auf den Vorschlag der Kuna eines finanziellen Ausgleichs wollte sich die Firma nicht einlassen, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. Stattdessen gab es eine offizielle Entschuldigung, und die Kollektion wurde vom Markt genommen.

Der Kampf der Kuna hat Schule gemacht. Inzwischen machen sich immer mehr Regierungen dieses Anliegen der indigenen Völker zu Eigen. So hat die panamaische Regierung bei der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) den Status eines immateriellen Weltkulturerbes für die Mola beantragt. Das mexikanische Kulturministerium verklagte kürzlich wegen Plagiats die Modeschöpferin Carolina Herrera. Deren Kollektion Resort 2020 ist von Designs der mexikanischen Huicholes inspiriert. Michael Kors handelte sich 2018 einen Proteststurm auf sozialen Medien ein wegen eines Kapuzenpulllis, der in Material und Design an südamerikanische Ponchos erinnerte. Spott ergoss sich vor kurzem über das spanische Modelabel Zara. Es bietet in der jüngsten Kollektion eine gestreifte, robuste Kunststoff-Einkaufstasche für 25 Euro an. Ganz ähnliche Versionen gibt es seit Jahrzehnten auf Mexikos Grossmärkten – für ein Zehntel des Preises.

„Ich habe gar nichts dagegen, dass unsere Mola die Welt erobert, im Gegenteil, darauf bin ich stolz“, betont Iglesias.“ Aber wir wollen dafür gerecht bezahlt werden.“

Sandra Weiss