Lateinamerika: Adveniat fordert richtige Weichenstellungen im Superwahlmonat November

„Klimawandel, Korruption und die Corona-Pandemie sorgen für eine soziale Verwüstung in Lateinamerika historischen Ausmaßes. Im Superwahlmonat November müssen die richtigen Weichen gestellt werden.“ Das fordert der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat Pater Martin Maier.

Pater Martin Maier SJ ist Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. Foto: Adveniat


„Hunderttausende Menschen suchen im Müll nach Essensresten. Nach verheerenden Wirbelstürmen, zerstörten Ernten und der steigenden Armut infolge der Corona-Pandemie sind Flüchtlingstrecks mit tausenden Verzweifelten in Richtung Norden unterwegs. Lateinamerika erlebt in diesen Monaten einen dramatischen Armuts-Tsunami“, sagt Pater Maier. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat habe seinen Partnerinnen und Partnern allein für Lebensmittel und Hygiene-Artikel mehr als acht Millionen Euro in rund 500 Projekten zur Verfügung gestellt, um die drängendste Not zu lindern.

Aktuell befinden sich zehntausende Menschen aus der ganzen Region in Mexiko und im Grenzgebiet zwischen Kolumbien und Panama auf der Flucht. „Sie sind die Verlierer und Leidtragen einer katastrophalen Entwicklung. Sie tragen die Folgen von gleich drei schweren Krisen: Den katastrophalen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie, des Klimawandels und von krimineller Staatsführung“, erläutert Adveniat-Hauptgeschäftsführer Maier. „Die neu gewählten Regierungen und politischen Kräfte müssen nach den anstehenden Wahlen in Nicaragua, Venezuela, Honduras, Chile und Argentinien die Not der Menschen in den Mittelpunkt stellen.“

Den Auftakt macht am 7. November Nicaragua. Dort ließ das amtierende Präsidentenpaar Daniel Ortega und Rosario Murillo sämtliche aussichtsreichen Mitbewerber verhaften. Die Familie Ortega kontrolliert zudem Schlüsselpositionen in Medien und Wirtschaft. Die Voraussetzungen für freie und faire Wahlen sind nicht gegeben, kritisierte die Nicaraguanische Bischofskonferenz. In Honduras wird am 28. November ein Nachfolger von Präsident Juan Orlando Hernández gewählt, dem die US-Justiz vorwirft, in den Drogenhandel verstrickt zu sein. „Die Folge krimineller Staatsführung sind Flucht und Migration“, sagt Pater Maier. Zudem wurde Mittelamerika von zwei verheerenden Wirbelstürmen heimgesucht, die Ernten in Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua zerstörten.
 

Für die Unterstützung der Menschen in Lateinamerika.


Argentinien leidet vor den Parlamentswahlen am 14. November unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die Armenspeisungen der Kirche sind überfüllt, die Armutsrate ist auf über 40 Prozent gestiegen. „Zehntausende Menschen suchen nach Essensresten im Müll und übernachten auf der Straße. Adveniat unterstützt die Forderung der argentinischen Kirche, dass die Politik den Fokus auf die Not der Menschen lenken muss“, sagt Pater Maier. Jüngst hatte der Vorsitzende der Argentinischen Bischofskonferenz, Bischof Óscar Ojea aus San Isidro eine gemeinsame gesellschaftliche Kraftanstrengung gefordert.

Am 21. November wählt Chile einen Nachfolger für Präsident Sebastián Piñera. Das Land erlebt tiefe gesellschaftliche Verwerfungen. „Wer auch immer in Chile gewinnt, muss sich für die gesellschaftliche Aussöhnung einsetzen. Dazu zählt insbesondere die Anerkennung der Grundrechte der indigenen Völker. Ein Schlüssel dazu ist eine nachhaltige Umweltpolitik“, sagt Pater Maier. Adveniat stellt sich deshalb hinter die Forderung des chilenischen Kardinals Celestino Aós Braco, der einen Umbau hin zu einer ökologisch und sozial gerechteren Gesellschaft fordert: „Die Bedeutung der Ökologie ist heute unbestreitbar. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend darauf reagieren.“

In Venezuela stehen am 21. November Regionalwahlen an. In der Vergangenheit waren die Wahlen wegen des Vorwurfs von Wahlmanipulation und Betrug immer wieder boykottiert worden. „Wer sich nicht beteiligt, hat schon verloren“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Venezolanischen Bischofskonferenz, Bischof Raúl Biord von La Guaira, jüngst bei seinem Adveniat-Besuch in Essen. Der in Mexiko begonnene Dialog zwischen Regierung und Opposition müsse fortgesetzt werden, um den Menschen wieder Hoffnung zu machen. Sechs Millionen Menschen haben das Land infolge staatlicher Repression und der Versorgungskrise verlassen. Die Agenda der Verhandlungen in Mexiko reichte bis zu den Präsidentschaftswahlen. „Auf diesem Wege sind Regionalwahlen jetzt eine Etappe, an der sich die Opposition unbedingt beteiligen muss“, so die unmissverständliche Forderung von Bischof Biord.