„Zeit, die Waffen niederzulegen!“ - Lula ruft nach knappem Wahlsieg in Brasilien zur Versöhnung auf

Brasilien hat einen neuen Präsidenten, der ein alter Bekannter ist. Luiz Inácio Lula da Silva, Ex-Gewerkschaftsführer, Ex-Präsident (2003 bis 2010) und Gründer der linken Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) ist am Sonntag in einem Wahlkrimi zum Präsidenten für die Amtszeit 2023 bis 2026 gewählt worden. „Lula“ erreichte 50,9 Prozent der Stimmen, der rechtspopulistische Amtsinhaber Jair Messias Bolsonaro kam auf 49,1 Prozent. Damit ist die Wahl 2022 die knappste der brasilianischen Geschichte. 
 

„Lula“ erreichte 50,9 Prozent der Stimmen, der rechtspopulistische Amtsinhaber Jair Messias Bolsonaro kam auf 49,1 Prozent. Damit ist die Wahl 2022 die knappste der brasilianischen Geschichte. Foto: Käufer/Adveniat


Bereits den ersten Wahlgang am 2. Oktober hatte Lula mit 48,4 Prozent vor Bolsonaro mit 43,2 Prozent gewonnen. Nun wurde es am Sonntag noch spannender. So schrumpfte Lulas Vorsprung aus dem ersten Wahlgang von 6,1 Millionen Stimmen auf nun gerade einmal 2,1 Millionen Stimmen. Verantwortlich für Bolsonaros überraschend gutes Abschneiden waren seine Ergebnisse in den beiden bevölkerungsreichsten Gliedstaaten São Paulo und Rio de Janeiro, in denen er elf bzw. dreizehn Prozent vor Lula lag. Dieser konnte sich wie schon im ersten Wahlgang auf seine Heimat verlassen, den armen Nordosten. 

Lulas Wahl ist historisch

So ist er der erste Präsident, der eine dritte Amtszeit erreicht, während Bolsonaro der erste Präsident seit Einführung der Wiederwahl Ende der 1990er Jahre ist, der abgewählt wird. So ist dem 77-jährigen Lula ein Comeback gelungen, das ihm kaum jemand zugetraut hätte. Seine politische Karriere war eigentlich bereits beendet, als er im April eine Haftstrafe wegen Korruption und Geldwäsche antreten musste. 580 Tage saß er in Haft, so dass der Rechtsaußen Bolsonaro die Wahlen Ende 2018 gewinnen konnte. Doch die Prozesse wurden mittlerweile wegen Verfahrensfehlern annulliert. 

So konnte sich Lula am Sonntagabend zurückmelden: „Sie wollten mich lebend beerdigen. Aber hier bin ich!“ In seiner Ansprache nach Bekanntgabe seines Sieges zeigte er sich versöhnlich. „Ich übernehme Brasilien in einer schwierigen Situation, aber ich habe Vertrauen in Gott, dass ich mit dem Volk zusammen einen Ausweg finde, damit wir wieder demokratisch und harmonisch zusammeneben können und auch innerhalb der Familien wieder Frieden schaffen.“ 
 

Für den Schutz der Indigenen Völker im Amazonasgebiet.


Der nun beendete Wahlkampf galt als der schmutzigste der Geschichte, beide Seiten hatten sich mit Fake News überzogen. Nie zuvor war Brasilien derart polarisiert. Nun sei es wichtig, sich um das brasilianische Volk zu kümmern, so Lula. „Es will gut leben, gut essen und gut wohnen. Und es will Arbeitsplätze und gerechte Löhne. Und es braucht ein funktionierendes Gesundheits- und Bildungssystem und religiöse Freiheit. Es will Bücher statt Waffen.“ Nachdem unter dem Rechtsaußen Bolsonaro sich die Zahl der Waffenbesitzer verdreifacht hatte, erklärte Lula: „Es ist Zeit, die Waffen niederzulegen!“

Wenn er am 1. Januar das Amt übernehme, werde seine erste Aufgabe sein, den Hunger in Brasilien zu bekämpfen. In seinen ersten zwei Amtszeiten hatte Lula Brasilien durch Sozialprogramme vom Uno-Hunger-Index genommen. Nun leiden laut Untersuchungen wieder 33 Millionen Brasilianer Hunger. „Als weltweit drittgrößter Nahrungsmittelproduzent (…) sind wir verpflichtet zu garantieren, dass jeder Brasilianer Frühstücken, Mittagessen und Abendessen kann, und zwar jeden Tag. Das wird wieder die oberste Priorität meiner Regierung werden.“

"Wir werden darum kämpfen, die Abholzung auf null zu drücken"

Auch dem Umweltschutz widmete sich Lula vor seinen Anhängern. Brasilien sei bereit, wieder eine Führungsrolle beim Kampf gegen den Klimawandel zu übernehmen. „Wir wollen alle Biome schützen, besonders den Amazonaswald. In unseren früheren Amtszeiten konnten wir die Abholzung Amazoniens um 80 Prozent reduzieren und in bedeutendem Umfang Treibhausgase reduzieren. Jetzt werden wir dafür kämpfen, die Abholzung Amazoniens auf null zu drücken. Denn Brasilien und der Planet brauchen ein lebendes Amazonien.“

Unter Bolsonaro hatte die Zerstörung der Umwelt zugenommen. Doch damit sei nun Schluss. „Ein gesunder Baum ist mehr wert als Tonnen von illegal geschlagenem Holz,“ so Lula. Die illegalen Holzhändler seien nur am „schnellen Geld auf Kosten des Niedergangs des Lebens auf dieser Erde“ interessiert. Der neugewählte Präsident sprach sich auch für den Schutz der indigenen Territorien aus, die derzeit durch illegale Aktivitäten von Goldsuchern, Holzhändlern und Landwirten bedroht sind. „Wenn ein indigenes Kind durch die Gier der Umwelt-Raubtiere ermordet wird, stirbt ein Teil der Menschheit mit ihm.“ 

Text: Thomas Milz