Machtwechsel in El Salvador: Kleines Land - große Probleme

Seit Samstag ist Nayib Bukele Präsident in El Salvador. Konflikte und Gewalt haben die Vergangenheit des Landes bestimmt. Dunkle Schatten lasten immer noch auf der Gegenwart. Was wird die Zukunft bringen?

Kardinal Rosa Chavez war Freund und Wegbegleiter Romeros. Was erwartet er vom neuen Präsidenten? "Von seiner Politik wird viel abhängen. Übrigens auch, ob die soziale Arbeit der Kirche Ergebnisse bringt." Foto: Adveniat/Hoch

Lederjacke und Sonnenbrille - so präsentiert sich der künftige starke Mann von El Salvador, Nayib Bukele, auf seinem Twitter-Profil. Während des Wahlkampfs setzte der 37-Jährige auf die Sozialen Medien. Mit Erfolg: Anfang Februar erhielt der unabhängig von den beiden großen politischen Blöcken - der linksgerichteten FMLN und der rechtsgerichteten ARENA - angetretene Präsidentschaftskandidat die meisten Stimmen. Am Samstag tritt er sein Amt an. Der aus einer Familie mit palästinensischen Wurzeln stammende Bukele wird in dem traditionell christlichen Lateinamerika der erste muslimische Präsident sein.

Die katholische Kirche bleibt freilich einstweilen eine feste Größe in El Salvador - auch wenn es im kleinsten Land Mittelamerikas immer mehr evangelikale Gemeinden gibt. In der Hauptstadt San Salvador empfängt Erzbischof Jose Luis Escobar Alas Besucher in einem holzgetäfelten Saal. Im Rücken hat der 60-Jährige großformatige Gemälde seiner Vorgänger. Und die Last der Vergangenheit. Zwischen 1980 und 1992 erschütterte ein blutiger Bürgerkrieg das Land; etwa 75.000 Menschen starben, darunter viele Oppositionelle, die sich der herrschenden Militärjunta entgegenstellten.

Heute sorgen die berüchtigten Mara-Jugendbanden für Angst. Sie rekrutieren sich oft aus den Nachkommen derer, die durch den Bürgerkrieg entwurzelt wurden. Auch wenn die Mordrate zuletzt gesunken ist: Um das Image von El Salvador ist es nicht gerade gut bestellt. Escobar Alas weiß das - und es ärgert ihn. "Das Land ist nicht gewalttätig. Wir leiden unter der Gewalt", sagt er und hebt an zu einer Philippika gegen die Skrupellosen und Mächtigen. Gegen die Untätigkeit des Staates im Kampf gegen Korruption und Kriminalität, gegen das "ungerechteste Rentengesetz der Welt". Und gegen die Mängel bei der Aufarbeitung der Bürgerkriegsverbrechen.

Hilfsprojekt in Gedenken an Oscar Romero

Das Vermächtnis von Oscar Romero weiterzutragen hat sich auch der langjährige Freund Romeros Kardinal Rosa Chávez zum Lebensinhalt gemacht. Nicht zuletzt durch das Sozialprojekt in seiner Pfarrei San Francisco, mit dem er gemeinsam mit den "Barmherzigen Schwestern" auf beeindruckende Weise zeigt, dass die Kirche für die Armen da ist.

Jetzt Spenden

Am Amtssitz des Erzbischofs von San Salvador befindet sich auch eines der wichtigsten Archive zu dieser Zeit. Im Jahr 2013 sorgte Escobar Alas für heftige Proteste, als er die Schließung des übergeordneten Menschenrechtsbüros "Tutela Legal" bekannt gab. Kurz darauf kündigte er eine Neugründung an. Der Ruf, die Vergangenheit zu begraben, ist im Land immer wieder zu hören. Kurz nach der Wahl Bukeles machte der Entwurf zu einem neuen Amnestiegesetz für die im Bürgerkrieg begangenen Untaten die Runde. Diesmal positionierte sich Escobar Alas eindeutig - und bezog Stellung gegen den Vorstoß.

Ein paar Kilometer entfernt von Escobar Alas leitet ein Kardinal die Pfarrei San Francisco. Weihbischof Gregorio Rosa Chavez ist einer, der das gegenwärtige Bild von Kirche in El Salvador mitgeformt hat. Der 76-Jährige setzte sich entschieden für die Heiligsprechung von Oscar Romero ein. Dessen Ermordung am 24. März 1980 war ein Fanal für den Ausbruch des Bürgerkriegs. Heute wird der ehemalige Erzbischof von San Salvador als Nationalheld verehrt, als Vorkämpfer für Solidarität und Gerechtigkeit.

Das war nicht immer so, wie Rosa Chavez betont. "Romero ist eine sehr umstrittene Figur gewesen. Ein Prophet, der im eigenen Land kaum Gehör fand - genau wie Jesus." Auch die Kirche haderte teilweise mit Romero, der sich, anders als manche seiner Mitbrüder, gegen eine Allianz mit der Macht entschied. Was aber erwartet Rosa Chavez vom neuen Präsidenten? "Von seiner Politik wird viel abhängen. Übrigens auch, ob die soziale Arbeit der Kirche Ergebnisse bringt."

Wie die künftig aussehen kann, zeigt sich bei einer Begegnung mit Bischof William Ernesto Iraheta Rivera. Der studierte Mathematiker und ehemalige Fußball-Torwart ist einer, der in viele Richtungen denkt. In seiner Diözese Santiago de Maria kämpfen die Menschen mit den Folgen des Klimawandels. Angehende Priester hat der Bischof dazu verpflichtet, einen kleinen Gemüsegarten anzulegen, damit sie wissen, vor welchen Herausforderungen die Landwirte in dem Bistum stehen. Iraheta Rivera geht selbst mit gutem Beispiel voran, baut auf einer Parzelle in seinem Amtssitz Obst und Gemüse an. Etwas Neues wächst heran - während "der Neue" in San Salvador bald sein Amt als Präsident antritt. 

Text: Joachim Heinz, KNA