Adveniat-Corona-Hilfe unterstützt Favelabewohner und Flüchtlinge in Rio de Janeiro

Mit einer Soforthilfe für Betroffene der Corona-Krise von 100.000 Euro unterstützt Adveniat mithilfe seiner Projektpartner die Menschen in Lateinamerika derzeit besonders. In Rio de Janeiro kommt das Geld Flüchtlingen, Favelabewohnern und Obdachlosen zugute.

David und Sandra Chacon sind mit ihren vier Kindern aus Venezuela geflohen. Jetzt wohnen sie am Stadtrand von Rio de Jenairo und sind anderthalb Stunden gefahren, um ins Flüchtlingszentrum der Erzdiözese zu kommen. Fotos: Licherbeck/Adveniat


David und Sandra Chacon sind mit ihren vier Kindern anderthalb Stunden gefahren, um ins Flüchtlingszentrum der Erdiözese Rio de Janeiro zu kommen. Die Familie aus Venezuela wohnt am Stadtrand und möchte nun 500 Reais in Empfang nehmen, rund 90 Euro. Das Geld ist Teil der Soforthilfe von insgesamt 30.000 Euro, die das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat nach Rio überwiesen hat. Adveniat will damit die schlimmsten Folgen der Corona-Krise abwenden. Die Hilfe soll Flüchtlingen, Favelabewohnern und Obdachlosen zugute kommen. 

Beobachter befürchten massenhafte Verelendung und soziale Unruhen

Wie an vielen Orten der Welt, herrscht auch in Rio de Janeiro Stillstand. Geschäfte, Restaurants und Hotels sind zu, Veranstaltungen wurden gecancelt, die Strände abgeriegelt. So notwendig die Maßnahmen sind, um das Coronaviruas einzudämmen, so bedrohen sie auch die Existenz von Millionen von Menschen. Wer vorher schon arm war und im informellen Sektor arbeitete, der droht jetzt ins Elend abzustürzen. Dazu zählen etwa Straßenverkäufer, Putzfrauen, Kellner und Hilfsarbeiter.

Diese Menschen lebte von der sprichwörtlichen Hand in den Mund. Wenn sie tagsüber nicht arbeitet, dann essen sie abends nicht. Beobachter befürchten nun eine massenhafte Verelendung und soziale Unruhen. Nicht nur in Rio, sondern in ganz Brasilien. Man schätzt, dass rund 50 Millionen Menschen im informellen Sektor des Landes arbeiten.

 


Bewaffnete Miliz bedroht Flüchtlingsfamilien

Besonders prekär ist die Lage für die Flüchtlinge. „Ohne das Geld von Adveniat wüssten wir derzeit nicht weiter“, sagt David Chacon. Der 46-Jährige erzählt, dass er arbeitslos sei, obwohl er eine Ausbildung als Ingenieur habe. Aber als Venezolaner treffe er in Rio auf viele Vorurteile. Nun könne er die Jobsuche wegen der Corona-Krise ganz einstellen, glaubt er.

2016 waren David und Sandra Chacon aus Venezuela geflüchtet, weil es dort „keine Perspektiven“ mehr gab, wie sie sagen, „nur noch Hunger“. Aber auch in Brasilien erfüllten sich ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben nicht. Vor kurzem erlitt David Chacon zudem einen leichten Herzinfarkt und braucht seitdem eine Krücke.

Am schlimmsten sei jedoch das Wohnviertel, in das sie geraten seien, sagt er. Dort herrsche eine bewaffnete Miliz. „Vor wenigen Tagen wurde bei uns eingebrochen“, erzählt Chacon, „der Vermieter war daran beteiligt. Nun droht er, unseren Kindern etwas anzutun, wenn wir zur Polizei gehen sollten. Er gehört zur Miliz.“ Chacon sagt, dass man die 500 Reais von Adveniat nutzen werde, um Nahrungsmittel zu kaufen und so schnell wie möglich umzuziehen.

 

Michelle Canaval und ihre Schwiegermutter Ana Soleima Garcia flohen aus Venezuela nach Brasilien. Nun ist das Caritas Zentrum derzeit ihre einzige Unterstützung.

Leandro de Souza Cámara, Rektor des Priesterseminars São José, bei der Ausgabe von Hilfspaketen an bedürftige Favelabewohner.

Maria Luisa Souza Silva, vorne, und Edilene Conceição de Lima in der Favela Turano mit Hilfspaketen.


100 Flüchtlingsfamilien erhalten Soforthilfe

Insgesamt 100 Flüchtlingsfamilien erhalten die Soforthilfe in Rio. Die meisten stammen aus Venezuela, aber auch Familien aus dem Kongo, Togo und Haiti sind dabei. Fast alle arbeiteten im informellen Sektor, sagt die Koordinatorin der Aktion, Debora Marques Alves von der Caritas. Täglich zehn Familien sollen die Hilfe bekommen, so wolle man größere Ansammlungen vermeiden. Man habe sich dazu entschieden, Bargeld auszuzahlen, weil man die Erfahrung gemacht habe, dass die Familien am besten wüssten, was sie am dringendsten benötigten.

Die 24-jährige Michelle Canaval ist gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter gekommen. Sie habe ein fünfjähriges Kind, sagt sie, und lebe mit ihrem Mann, den Schwiegereltern und einem weiteren Paar in der Favela Tabajaras. Sie alle stammen aus Venezuela.

Bis vor zwei Wochen arbeitete Canaval noch in einem Restaurant und ihr Mann fuhr Essen aus. Dann verloren sie von einem auf den anderen Tag ihre Jobs und ihre Einkommen, weil die Restaurants schlossen; Canavals Mann wartet bis heute auf seinen letzten Lohn. Arbeitslosengeld, Lohnfortzahlung oder Home Office klingen für das Paaar wie Worte aus einer anderen Welt.

 

für die Menschen in Lateinamerika in der Corona-Krise


„Von unseren Priestern vor Ort wissen wir, welche Familien besonders bedürftig sind.“

„Wir wissen nicht, wie es jetzt weitergehen soll“, sagt die junge Frau. Mit dem Geld von Adveniat werde man einen Teil der Miete zahlen, um nicht auf der Straße zu landen; außerdem den kaputten Kühlschrank reparieren und die nötigsten Lebensmittel einkaufen. Dann sehe man weiter.

„Einen Monat können wir uns davon gut ernähren“, sagt Edilene Conceição de Lima. Die 51-Jährige ist in das Priesterseminar der Erzdiözese "São José" gekommen, um ein Nahrungsmittelpaket in Empfang zu nehmen. Es wurde mit Spendengeld von Adveniat gekauft. Darin enthalten sind beispielsweise fünf Kilo Reis, zwei Kilo Bohnen, ein Kilo Nudeln und ein Kilo Mehl.

„Außerdem haben wir eine Tüte mit Seife, Waschmittel und Zahnpasta gepackt“, ergänzt der junge Leiter des Priesterseminars, Leandro de Souza Cámara. Insgesamt 125 Familien aus der benachbarten Favela Turano werden in den kommenden Tagen so ein Paket bekommen, auch sie in Gruppen gestaffelt, erklärt er. 500 weitere Pakete gingen in andere Favelas von Rio. „Von unseren Priestern vor Ort wissen wir, welche Familien besonders bedürftig sind.“
 

100.000 Euro Adveniat-Soforthilfe für Corona-Krise in Lateinamerika

Adveniat stellt in einem ersten Schritt 100.000 Euro als Soforthilfe zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in Lateinamerika bereit. „Das Virus breitet sich inzwischen auch von Mexiko bis Feuerland rasant aus“, berichtet Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz. Mehr zur Hilfe von Adveniat


Gebet für die Adveniat-Spender in Deutschland

Bevor Cámara die Hilfspakete ausgibt, versammelt er die Menschen – es sind wie bei der Flüchtlingshilfe vorwiegend Frauen erschienen – im Hof des Seminars und spricht ein schönes Gebet, das Adveniat und die Spender aus Deutschland mit einschließt.

Edilene Conceição de Lima freut sich ganz besonders über die Hilfe. Sie lebt gemeinsam mit ihrer erwachsenen Tochter und deren drei Kindern in einem Haus am Rande der Favela. Sie sagt, dass sie Angst vor starken Gewittern habe, weil es durchs Dach regne und die Wände wackelten. Das einzige Einkommen der Familie sei das geringe Kindergeld sowie das Gehalt von umgerechnet 80 Euro, das ihre Tochter als Putzfrau verdiene. „Aber das ist mit der Corona-Krise weg.“

Erschwerend kommt für die Großmutter hinzu, dass sie unter einer Lungenschwäche leidet und ein Medikament braucht. „Es kostet jeden Monat 25 Euro“, sagt sie. „Ich bete jetzt zu Gott, dass ich nicht den Virus kriege. Und ich danke Adveniat von ganzem Herzen, dass wir keine Angst vor Hunger haben müssen.“

Text: Philipp Lichterbeck