Adveniat zum Tod des kubanischen Kardinals Ortega

„Kardinal Ortega hat als politischer Vermittler Geschichte geschrieben und war gleichzeitig als Seelsorger ganz nah bei den Menschen.“ So fasst der Kuba-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Martin Hagenmaier, die Lebensleistung des kubanischen Kardinals Jaime Lucas Ortega y Alamino zusammen, der am 26. Juli 2019 in Havanna gestorben ist.

Kardinal Jaime Ortega y Alamino vor dem Papstbesuch 2012 im Gespräch mit Jugendlichen in der Pfarrei Nuestra Señora de la Merced in Bauta, einer Kleinstadt in der Nähe von Havanna. Foto: Adveniat

Kardinal Ortega hatte 2014 die beiden Briefe von Papst Franziskus an US-Präsident Barack Obama und Kubas Präsident Raúl Castro persönlich übergeben, die dann zu den Vermittlungsgesprächen zwischen den verfeindeten Ländern führten. „Mit seinen jahrzehntelangen unermüdlichen Vermittlungsbemühungen auf allen Ebenen hat er maßgeblichen Anteil daran, dass der letzte verbliebene Eisblock des Kalten Krieges zumindest vorübergehend geschmolzen ist“, erklärt Hagenmaier. 

Dem am 18. Oktober 1936 in Jagüey Grande in der Provinz Matanzas geborenen Ortega war es bereits 2010 gelungen, dass die letzten verbliebenen politischen Gefangenen der Verhaftungswelle „Schwarzer Frühling“ von 2003 freigelassen wurden. „Kardinal Ortega hat die Kirche in Kuba zur gefragten Vermittlerin gemacht, trotz aller Anfeindungen des kommunistischen Regimes“, erläutert Hagenmaier. „Ihm ist es dabei gelungen, unabhängig zu bleiben, auch wenn ihm die Hardliner unter den überwiegend in Miami lebenden Exilkubanern immer wieder fälschlicher Weise eine zu große Nähe zur Regierung vorgeworfen haben.“ Erstaunlich unabhängig hätten etwa Kirchenzeitungen und kirchliche Internetseiten meinungsbildend wirken können, auch wenn es in Konfliktfällen immer wieder zu Einschränkungen gekommen sei. 

Kardinal Ortega mit Adveniatdelegation. Foto: Adveniat

1964 wurde Jaime Ortega zum Priester geweiht und nur zwei Jahre später für acht Monate in ein Arbeitslager gesteckt. Die Möglichkeit zum Exil in Spanien, die ihm sein Vater organisiert hatte, lehnte er ab. 1978 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Pinar del Río und 1981 zum Erzbischof von Havanna ernannt. „Er hat die Kirche in Kuba geprägt und so aufgestellt, dass sie bis heute wächst“, berichtet Adveniat-Experte Hagenmaier. „Mit seiner volksnahen, gesprächigen, zugewandten Art war er ein echter Hirte, der die Menschen begeistert hat.“ 1994 zum Kardinal ernannt, war er immer dem fortschrittlichen Kirchenbild des pilgernden Gottesvolkes des Zweiten Vatikanischen Konzils verpflichtet. Ortega hatte die Reformpredigt, die Kardinal Jorge Mario Bergoglio noch vor seiner Wahl zum Papst an die Teilnehmer des Konklave gerichtet hatte, in Kuba veröffentlicht“, so Hagenmaier, der seit zehn Jahren das Land in der Karibik regelmäßig besucht.

Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat fördert soziale Initiativen, pastorale Projekte und die Bildungsarbeit der Kirche in Kuba mit rund 1,7 Millionen Euro jährlich. „Selbst Lehrer sind an den Kursen im kirchlichen Raum interessiert, weil sie dort neue didaktische Konzepte kennenlernen können“, sagt Adveniat-Referent Hagenmaier. Die vorsichtige politische Öffnung der vergangenen Jahre lasse sich auch daran ablesen, dass wieder Kirchen gebaut werden dürfen und öffentliche Prozessionen an Heiligenfesten möglich sind. „Die Kirche darf heute öffentlicher sein“, sagt Hagenmaier. Auch das eine Folge der vorsichtigen auf Dialog ausgerichteten Politik des kubanischen Kardinals. „Jaime Ortega steht mit seinem Leben für eine pastorale Kirche, die politisch, sozial und spirituell bei den Menschen ist, wie sie Papst Franziskus immer wieder fordert“, ist der Kuba-Experte des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat überzeugt.