Bolsonaros Geheimdienst spioniert Bischöfe aus - Ist die Kirche wieder Staatsfeind in Brasilien?

Brasiliens Geheimdienst soll katholische Bischöfe wegen der anstehenden Amazonas-Synode ausspioniert haben. Wie schon in Zeiten der Militärdiktatur fällt die Kirche in Verdacht, subversiv und staatsgefährdend zu sein.

Dom Roque Paloschi (Mitte) zu Besuch in der Tenharin Gemeinde Mufai. Als Präsident des Indigenen-Missionsrats CIMI setzt er sich für die Rechte der indigenen Völker ein. Foto: Escher/Adveniat

Brasilien scheint die von Präsident Jair Messias Bolsonaro angekündigte Zeitreise "40 oder 50 Jahre zurück", also in die Zeit des Kalten Kriegs, anzutreten. "Über den brasilianischen Teil Amazoniens bestimmt immer noch Brasilien", so sein Nationaler Sicherheitsberater, General Augusto Heleno. Weder fremde Staatschefs noch Nichtregierungsorganisationen (NRO) dürften "reinreden". Heleno soll den Geheimdienst auf Bischöfe und Patres angesetzt haben, die mit der Amazonas-Synode befasst sind. Die Bischofsversammlung kommt im Oktober im Vatikan zusammen.

Heleno bestreitet diese Medienberichte eher halbherzig. "Unsere Befürchtungen rund um die Synode haben ihren Grund, denn auf der Agenda stehen Punkte, die die nationale Sicherheit betreffen", so der General. Oppositionspolitiker wollen ihn nun vor den Kongress laden. Er sage nur aus, wenn er gezwungen werde, so Heleno, der früher als Truppenchef in Amazonien mit Kritik an Umweltschutz und Landzuteilungen an Indigene aufgefallen war.

Bei der von Papst Franziskus angesetzten Synode geht es um die Rechte der 400 indigenen Völker, die in dem acht Millionen Quadratkilometer großen Amazonasgebiet leben. Und es geht um Naturschutz. Bereits im Juni 2018 wurden die Eckpunkte in einem Vorbereitungspapier festgeschrieben. Geheimnisse gibt es nicht.

Doch laut Adveniat-Partner Padre José aus Maranhao gibt es Informationen, dass man den Papst in Gesprächen dazu bringen will, von der Synode Abstand zu nehmen. Der Adveniat-Partner blickt mit großer Sorge auf die gegenwärtigen Entwicklungen in Brasilien. "Wir kehren Schritt für Schritt wieder auf die Militärdiktatur zurück, die so viel Elend, Gewalt und Blutvergiessen in den Jahren von 1964 bis 1988 in Brasilien gefordert hat", so Padre José.
 

Erzbischof Roque Paloschi von Porto Velho setzt sich als Präsident des Indigenen-Missionsrats Cimi für die Rechte und das Überleben der ursprünglichen Völker ein.

60 Prozent des Amazonasgebiets liegen in Brasilien, der Rest in Kolumbien, Peru, Bolivien, Ecuador, Venezuela, Suriname, Guayana und Französisch-Guayana. Die Militärdiktatur (1964-1985) schürte die Angst, ausländische Mächte könnten Brasilien das rohstoffreiche Gebiet streitig machen. Überhastet entstanden Militärbasen, Städte, Staudämme und Tausende Kilometer lange Asphaltschneisen. Damals habe man keine Rücksicht auf Umweltschützer nehmen müssen, schwärmt General Heleno noch heute.

Der im Januar angetretene Ex-Militär Bolsonaro wünscht sich diese Zeiten von "Recht und Ordnung" zurück. Er lobt offen die Folterknechte der Diktatur für ihren Einsatz gegen den Kommunismus, das Kabinett hat mehr Militärs als unter der Diktatur.

Die Militärs rechtfertigten ihre Machtübernahme einst mit der kommunistischen Bedrohung. Genau wie damals steht die katholische Kirche nun wieder im Verdacht, marxistisch unterlaufen zu sein. Suspekt erscheint auch der argentinische Papst mit seinem Einsatz für die Armen. Gilberto Carvalho, ein aus der katholischen Arbeiterbewegung stammender Politiker, vermutet dahinter auch evangelikale Kräfte, die einen Kirchenkrieg entfachen wollen. "In dieser Regierung haben sie ein großes Gewicht, und das ist schlecht für die Trennung von Staat und Kirche." Die Spionage weise in Richtung Polizeistaat, so der frühere Berater von Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva und Ex-Minister unter dessen Nachfolgerin Dilma Rousseff.

Für gute Lebensbedingungen für die indigenen Völker im Amazonas.

Bereits im November hatte Bolsonaro Brasiliens Kandidatur für die Austragung der Klimakonferenz "COP 25" im November 2019 zurückgezogen. Der Grund: Seit 2015 verbreitet Bolsonaro die Theorie, dass die internationale Staatengemeinschaft Brasilien Amazonien wegnehmen wolle, um den sogenannten "Triplo-A-Korridor" einzurichten. Dabei soll es sich um einen "136 Millionen Hektar großen" Grünstreifen von den Anden über Amazonien bis hin zum Atlantik handeln.

Laut dem Pariser Klimaabkommen von 2015 seien die Vereinten Nationen ermächtigt, das Schutzgebiet einzurichten, sofern Brasilien die dortige Umwelt nicht schütze, so Bolsonaro. Brasilien könnte daher auch aus dem Klimapakt aussteigen. Außenminister Ernesto Araujo, der den Klimawandel als marxistische Lüge hinstellt, erwägt sogar, die UNO zu verlassen.

Teil dieser Verschwörungstheorie sind "ausländische oder aus dem Ausland gesteuerte" Nichtregierungsorganisationen (NGO), die sich für Umweltschutz und die Rechte indigener Völker einsetzen. Sie wollten die Indigenen überreden, ihre Reservate von Brasilien abzuspalten und an Ausländer zu verkaufen. Das mit Bolsonaro verbündete Agro-Business wirft dem katholischen Indio-Missionsrat seit langem vor, Indigene aus Nachbarländern einzuschleusen, um Farmland zu rauben. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hatte Bolsonaro deshalb angeordnet, NGOs schärfer zu kontrollieren. (kna/adv)