Proteste: Brasiliens Jugend fordert gerechte Bildungschancen

An Brasiliens Unabhängigkeitstag werden Millionen Brasilianer für bessere Bildung und gegen die Sparmaßnahmen der Regierung demonstrieren. Adveniat-Projektpartner wie das Jugendzentrum „Turma do Flau“  fordern Investitionen für gerechte Bildungschancen.

„Wenn die Regierung nicht in Bildung investiert, hat Brasilien keine Zukunft.“ Davon ist die 11-jährige Izadora überzeugt. Izadora wohnt in Brasília Teimosa, der ältesten Favela Recifes. Dort besucht sie das vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstütze Jugendzentrum „Turma do Flau“, das gefährdeten Kindern und Jugendlichen mit Freizeitangeboten und Verpflegung als Ort der Zuflucht dient. Das Viertel grenzt direkt an Boa Viagem, Recifes größten und beliebtesten Strand, an dem die Touristen Sonne und Meer genießen, während die Bewohner unter Armut und dem miserablen Bildungssystem leiden.

Massen-Demonstrationen für bessere Bildung

Nach den Bildungs-Tsunami-Protesten am 13. August mit landesweit 1,5 Millionen Demonstranten haben Schüler, Studenten und Gewerkschaften für den 7. September einen Trauertag ausgerufen. Sie werden in schwarz auf die Straße gehen, um die Kürzungen im Bildungssektor zu betrauern. Die Regierung hat angekündigt, allein 78 Millionen Euro bei den Grundschullehrbücher einzusparen. Die Bundesmittel für öffentliche Universitäten sollen um jährlich 30 Prozent gekürzt werden. Bildung soll vor allem jenen vorbehalten sein, die dafür bezahlen können. Die arme Bevölkerung geht leer aus.

Bild von früheren Protesten für mehr Investitionen in Bildung in Brasilien

Bild von früheren Protesten für mehr Investitionen in Bildung in Brasilien. Foto: Semilla Luz, Flickr CC

Schwester Aurieta leitet das Jugendzentrum „Turma do Flau“ in Recife. Auch sie demonstriert für gerechte Bildungschancen – mit den Kindern und Jugendlichen aus ihrer Einrichtung: „Wir kämpfen für Bildung und für eine Verringerung des Analphabetismus, den wir hier erleben. In Brasilien fehlt es an Investitionen und Plänen, um die Qualität der Schulen zu verbessern.“ Problematisch sei dies vor allem für die Kinder aus finanziell schwachen Familien, deren Überlebenskampf Schwester Aurieta durch ihre tägliche Pastoralarbeit bestens kennt. Für diese jungen Menschen sei eine gute Ausbildung die einzige Alternative „um das nötige Geld nicht im Drogengeschäft zu suchen“. 

Für die Bildungsarbeit in Lateinamerika.

Unabhängigkeitstag als Tag des Protests

An diesem Samstag, dem Tag der Unabhängigkeit Brasiliens, wird zum 25. Mal der „Schrei der Ausgeschlossenen“ erklingen. Bei dem Protestmarsch „Grito dos Excluídos“, der seinen Ursprung in der katholischen Kirche hat, gehen die Menschen für soziale Gerechtigkeit auf die Straße und prangern Wirtschaftsverbrechen wie den Dammbruch in Brumadinho an. Sie kritisieren zudem die Zerstörung des Amazonasgebietes, da die Regierung dort wirtschaftliche Interessen über ökologische Notwendigkeiten stellt. Alle Demonstrationen machen die Regierung von Präsident Jair Bolsonaro für die wachsende Ungleichheit im Land verantwortlich.

Militarisierung als Lösung?

Zwei Tage vor den Protesten hat Bolsonaro angekündigt, 216 Bildungseinrichtungen bis 2023 in Militärschulen umzubauen. Kritiker warnen davor, die Pädagogik der militärischen Leitung zu opfern. Außerdem bräuchten alle 140.000 Schulen des Landes dringend finanzielle Unterstützung. Allein für das kommende Jahr liegen die Kosten des Projektes bei umgerechnet 12 Millionen Euro. Auch die 11-jährige Izadora von „Turma do Flau“ würde sich Investitionen im Bildungsbereich wünschen: „Unsere Lehrer verdienen viel zu wenig für die wichtige Arbeit, die sie leisten. Da muss sich dringend etwas ändern.“