Unumkehrbare Folgen?
Sorge um brennendes Amazonasgebiet

Tausende Feuer brennen im Amazonas-Becken, viele vermutlich gelegt, um für den Ackerbau zu roden. Ist ein Ausmaß der Entwaldung erreicht, das unumkehrbare Folgen für das Weltklima nach sich zieht? Thomas Wieland, Leiter der Projektabteilung des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, hält dies im Interview mit dem Domradio für möglich.

Brandrodung an der Transamazonica, Brasilien. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

Das kirchliche Amzonasnetzwerk Repam spricht von einem "Point of no Return". Was ist damit gemeint?

Thomas Wieland: Das sind Dinge, die der Weltklimarat schon seit 2008 uns jedes Jahr vor Augen führt: Es gibt Entwicklungen, die zu einer Wüstenbildung auf der Erde oder zu einer Veränderung des Klimas führen, die nicht mehr umkehrbar sind; zum Beispiel die Entwaldung des Amazonasgebietes. Der Weltklimarat sagt, wenn 40 Prozent des Amazonaswaldes abgeholzt sind, dann ist die Wüstenbildung in der Lunge der Welt unvermeidbar.

Für gute Lebensbedingungen für die indigenen Völker im Amazonas.

Viele bei uns denken wahrscheinlich immer noch "ach, Brasilien ist doch weit weg". Warum muss uns das trotzdem sehr, sehr beunruhigen, was da im Moment am Amazonas gerade passiert?

Wieland: Man kann dazu mal eine kleine Übung machen: bei jedem sechsten Atemzug daran denken. Der kommt nämlich aus dem Amazonasgebiet. Bei jedem fünften bis sechsten Glas Wasser mal daran denken: Der Amazonas muss geschützt werden, dort entsteht Sauerstoff, dort entsteht Süßwasser in großen Mengen, das für das Überleben der Menschheit wichtig ist, auch für unser Überleben. Die Veränderungen im Amazonasgebiet haben Auswirkungen auf das Klima bei uns in Deutschland und wir spüren zum Beispiel von Jahr zu Jahr die heißen Sommer.
Inzwischen warnen die Großgrundbesitzer in Brasilien, die eigentlich ein Interesse haben, Soja anzubauen, ihren Präsidenten davor, weiter den Amazonas auszubeuten, weil in Süd-Brasilien die Trockenheit schon so um sich greift, dass es zu Ernteausfällen kommt. São Paulo, die Megametropole in Süd-Brasilien, steht zeitweise ohne Wasser da, es gibt Stromausfälle, weil die Wasserkraftwerke nicht mehr genügend Wasser haben, um Strom zu produzieren. Jetzt ist es schon spürbar und die brasilianische Regierung ignoriert das, trotz zahlreicher Stimmen aus allen Sektoren der Gesellschaft.

Thomas Wieland, Leiter der Projektabteilung des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat

Thomas Wieland, Leiter der Projektabteilung des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. Foto: Martin Steffen

Wie wahrscheinlich ist denn dieses Szenario im Moment, da wirklich große Teile in Brand stehen?

Wieland: Man könnte natürlich sagen "ja, der Weltklimarat, die sind einschlägig, die sind vorbelastet". Aber die Wahrscheinlichkeit, dass das eintritt, ist für mich auch dadurch belegt, dass nicht nur die Klimaforscher dazu Stellung nehmen, sondern auch das Weltwirtschaftsforum in Davos. Die haben jetzt im August ebenfalls davor gewarnt, dass die Entwaldung des Amazonasraumes unumkehrbare Folgen fürs Weltklima hat. Und diese Entwicklung ist wahrscheinlich, weil die in der Regierung Stehenden nichts dagegen tun, sondern im Gegenteil den Sachverhalt leugnen und alle politischen Hebel in Bewegung setzen, dass das Amazonasgebiet weiter als Rohstofflager betrachtet wird und nicht als Lebensraum für 35 Millionen Menschen und als vitales Zentrum für das Überleben der gesamten Menschheit.

Was sagen ihre Partner vom kirchlichen Netzwerk im Amazonasgebiet Repam zur aktuellen Lage im Amazonasgebiet?

Wieland: Repam ist sehr besorgt über die Brände im Amazonasgebiet. Schon lange bevor es in deutschen Medien publik war, sind intern schon die Bilder kursiert von der Rauchentwicklung und von der Zerstörung des Amazonasraums. Repam führt das allerdings auf eine Einstellung dem Amazonas gegenüber zurück. Und zwar wird das Amazonasgebiet in der internationalen globalen Entwicklung als Rohstofflager verstanden, aus dem man Bauxit, Erdöl, Gold, Holz herausholt, ohne das Territorium selbst zu schützen.
Und diese Einstellung steht hinter den Bränden, denn die Brände sind menschengemacht und sollen die Agrarfront nach vorne treiben, um das Land wirtschaftlich ausbeuten zu können. Viehzucht, Ölpalmen und Soja sind das Ziel. Das ist nur sehr kurzfristig, weil nämlich die Böden nicht sehr ertragreich sind, es reicht für die kurzfristige Rendite.

Im Oktober findet im Vatikan die Amazonas-Synode statt, die die Bewahrung der Schöpfung und den Schutz von Lebensräumen in den Fokus nimmt. Was meinen Sie, kann die was bewegen und hat die kirchliche Stimme in Brasilien überhaupt noch Gewicht?

Wieland: Die Vorbereitungen zur Synode laufen seit Januar 2018. Adveniat ist da beteiligt gewesen, wir haben als Lateinamerika-Hilfswerk an einzelnen Sitzungen teilgenommen und auch die Möglichkeit der Vorbereitung der Synode mitfinanziert. Es ist ein großer Erfolg, dass die Synode vom 7. bis 26. Oktober in Rom stattfinden wird.
Und es ist ein großer Erfolg, dass die Beteiligung der Menschen des Territoriums im Vorfeld möglich war: 85.000 Menschen haben sich zu den Themen der Synode im Amazonasgebiet im Vorfeld versammelt, ökologische Themen diskutiert, Themen der Kirche und der Evangelisierung, Themen der indigenen Völker und haben ihre Voten über das panamazonische kirchliche Netzwerk Repam strukturiert, in den Synodenprozess eingespeist. Schon allein wegen dieser breiten Beteiligung vor Ort ist eine Dynamik entstanden, die eigentlich nicht mehr aufzuhalten ist. Im guten Sinne, im Sinne der Aktualisierung des Evangeliums, ist es ein positiver Prozess.
Und wegen dieser Bewegung an der Basis habe ich viele Hoffnungen, was die Amazonas Synode betrifft. Und ich habe auch Hoffnung, dass nach der Synode der Prozess im Amazonasgebiet, der schon längst läuft, über das Netzwerk weitergeht.

Das Interview führte Hilde Regeniter vom Domradio