Wahlkampf in Brasilien: Neuauflage des Duells Lula gegen Bolsonaro

Luiz Inácio Lula da Silva, der linke Sozialdemokrat, fordert erneut nach 2018 den amtierenden brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro heraus. Damals wurde Lula Opfer einer Verleumdungskampagne. Wie stehen seine Chancen 2022? Das hat das Domradio den Brasilienreferenten des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat im Interview gefragt.
 

In Brasilien stehen die Menschen wieder für Lebensmittelpakete an.

In Brasilien stehen die Menschen wieder für Lebensmittelpakete an. Das Land ist zurück auf der Weltkarte des Hungers, wie Brasilienreferent Norbert Bolte sagt. Foto: Adveniat/Florian Kopp

Wo steht Brasilien nach vier Jahren Amtszeit des ultrarechten Staatschefs Bolsonaro?
Norbert Bolte: Brasilien steht an einem sehr schwierigen Punkt. Unsere Projektpartner spiegeln uns täglich wider, dass das Land zutiefst gespalten ist. Es gibt ein Klima von Hass und Gewalt. Es gibt seitens des Präsidenten und seiner Anhänger öffentliche Angriffe gegen die Verfassung, gegen den Obersten Gerichtshof, gegen das Wahlsystem. Und es gibt vor allen Dingen einen massiven Sozialabbau, der dazu geführt hat, dass das Land zurück ist auf der Weltkarte des Hungers.

Für die Unterstützung der Menschen in Brasilien.

Lula war von 2003 bis 2011 brasilianischer Präsident. Dann kandidierte er 2018 erneut. Damals wurde er wegen angeblicher Korruption zu einer Haftstrafe verurteilt und war damit aus dem Rennen. Nach seiner Haft ist er politisch rehabilitiert und startet jetzt sein Comeback. In Umfragen liegt er deutlich vor seinem Gegner. Was wissen Sie von Ihren Partnern vor Ort? Sehen sie Lulas Kandidatur positiv?
Bolte: Ich möchte vielleicht von einer historischen Rehabilitation sprechen, denn mit juristischen Schachzügen war Lula damals aus dem Rennen geworfen worden, die sich im Nachhinein als falsch, unhaltbar und sogar als manipulativ erwiesen haben. Seitens unserer Partner wird die Kandidatur von Lula grundsätzlich als positiv angesehen. Besonders positiv wird wahrgenommen, dass es ihm gelingt, offenbar wieder ein breites Wahlbündnis im Hinblick auf diese Präsidentschaftswahlen zusammenzubekommen.

Norbert Bolte ist Brasilienreferent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat.

Norbert Bolte ist Brasilienreferent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. Foto: Martin Steffen

Äußern sich denn auch Kirchenleute öffentlich zu den beiden Kandidaten?
Bolte: In der Öffentlichkeit äußern sich die Projektpartner und vor allem die Bischöfe in Brasilien zu diesen beiden Kandidaten eher nicht. Allerdings, wenn wir mit ihnen direkt ins Gespräch kommen, also im nicht öffentlichen Raum, sagen sie ganz klar, wen sie bevorzugen würden. Sie machen das inhaltlich immer wieder daran deutlich, dass endlich Schluss sein muss mit einer Politik, die die Armen und die Ausgegrenzten der Gesellschaft noch weiter marginalisiert.

Beobachter befürchten, dass es im Wahlkampf zu Gewalt kommen wird. Ist das auch in Ihren Augen eine Gefahr?
Bolte: Dies ist nicht nur eine Befürchtung, sondern ist bereits eingetreten. Wir haben in den letzten Wochen einige Wahlkampfveranstaltungen beobachtet und mussten feststellen, dass es dort schon zu Ausschreitungen kam, zu heftigen Gewaltausbrüchen. Und es ist zu befürchten, dass sich das bis zur heißen Phase des Wahlkampfs noch weiter verschlimmern wird.

Aus Adveniat Sicht: Was sind die wichtigsten Punkte, an denen sich die präsidiale Eignung der Kandidaten jetzt festmacht?
Bolte: Aus unserer Sicht sollte der Kandidat, der sich am Ende durchsetzt, einer sein, der sich im Sinne der Option für die Armen verhält mit einer Regierungspolitik, die in Richtung Überwindung des Hungers geht, die zugunsten der Armen arbeitet, die Sozialprogramme wieder auflegt, die Bildung und Gesundheit in den Mittelpunkt stellt und die vor allem auch einen Weg findet, den Klimawandel mit zu berücksichtigen. Denn unter dem leiden vor allen Dingen die Armen.

Das Interview führte Katharina Geiger vom Domradio.

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