Adveniat fordert nachhaltige, sozial gerechte Planung für Sportevents in Lateinamerika

Eine Woche vor Beginn der Olympiade in Tokio und fünf Jahre nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro zieht Klemens Paffhausen vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat eine kritische Bilanz und fordert für die nächsten sportlichen Großevents auf lateinamerikanischem Boden: „Wir brauchen eine nachhaltige, sozial gerechte Planung für die Fußballweltmeisterschaft 2026, die neben Kanada und den USA auch in Mexiko stattfindet.“
 

In der Gemeinde Águas Espraiadas in São Paulo wurden 2014 für die WM-Vorbereitungen die Häuser eines Armenviertels abgerissen und die Bewohner enteignet. Foto: Milz/Adveniat



Klemens Paffhausen, Adveniat-Brasilien-Referent. Foto: Steffen/Adveniat

Korruption, Schulden und Politikverdrossenheit

Die Olympischen Sommerspiele 2016 hätten in Rio de Janeiro vor allem Korruption, Schulden und Politikverdrossenheit hinterlassen. „Fünf Jahre nach der Olympiade verrotten Sportstätten, und es werden deshalb immer noch Steuergelder für eine schlecht geplante Großveranstaltung ausgegeben, die den Menschen eigentlich Freude und Spaß bringen sollte“, sagt Paffhausen. Laut brasilianischen Medien haben allein die Unterhaltskosten für die Sportstätten nach Olympia 2016 umgerechnet noch einmal 20 Millionen Euro verschlungen.

Sportliche Großveranstaltungen wie eine Fußball-Weltmeisterschaft oder Olympische Spiele dürften nicht auf dem Rücken der Bevölkerung und deren erbrachter Steuerleistungen ausgetragen werden. „Die Lehren aus der Fußball-WM 2014 und von Olympia 2016 in Brasilien, für die Milliarden in Sportstätten flossen, während auf der Straße hunderttausende Menschen Investitionen in Krankenhäuser und Bildung forderten, müssen in Zukunft konsequent umgesetzt werden. Das gilt für die 2026 unter anderem auch in Mexiko stattfindende Fußball-WM, und es muss auch bei der anstehenden Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2030 beachtet werden“, fordert Paffhausen.
 

Maria Penha, Bewohnerin der Vila Autodromo einer Favela, die 2015 Olympianeubauten weichen musste. Die verbliebenen Einwohner leisteten Widerstand gegen die Umsiedlungspläne. Bei einer Polizeiaktion wurde sie von einem Gummigeschoß unter dem Auge getroffen. Foto: Steffen/Adveniat

In der Gemeinde Aguas Espraiadas in Sao Paulo wurden die Häuser eines Armenviertels im Zuge der WM-Vorbereitungen abgerissen und die Bewohner zwangsumgesiedelt. Heute spielen Kinder inmitten der Ruinen. Auf dem Gelände entstehen jetzt Hochhäuser mit Luxusappartments und eine Hochbahn. Foto: Bernhardt/Adveniat

Es wurde in Gebäude und nicht in Menschen investiert. Umso wichtiger sind Investitionen in Sportprojekte für die Kinder und Jugendlichen aus den Armenvierteln, die mit Hilfe des Sports Halt und Orientierung im Leben fänden. Foto: Bernhardt/Adveniat


Gesellschaft muss von Großveranstaltungen profitieren und nicht nur als Zahlmeister dienen

Bis heute seien die Korruptionsfälle um Bauaufträge rund um die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro nicht umfassend aufgeklärt. Es gehe nicht darum, Sportveranstaltungen oder die Freude daran zu verbieten. Im Gegenteil: „Der Olympische Gedanke – ein friedvolles, faires Miteinander aller Menschen – muss wieder im Mittelpunkt stehen. Deshalb sollten Mega-Sportevents ähnlich wie industrielle Großprojekte in Zukunft vorab verbindlich nachweisen, dass sie nachhaltig organisiert, finanziert und für die Gesellschaften von Nutzen sind“, sagt Paffhausen.

Für die Austragung der Fußball-WM 2030 interessieren sich unter anderem Argentinien, Uruguay und Chile, Länder, in denen vergleichbare Verhältnisse herrschen wie in Brasilien. Es dürfe dort für die FIFA keine Steuererleichterungen geben. „Die Gesellschaft muss von solchen Großveranstaltungen profitieren und nicht nur als Zahlmeister dienen für das Internationale Olympische Komitee, den Fußball-Weltverband FIFA oder multinationale Baukonzerne, die anschließend Milliardengewinne einfahren“, fordert Paffhausen.
 

Die Koordinatorin der Pastoral für gefährdete Jugendliche in Rio de Jeneiro und Adveniat-Projektpartnerin Regina Leão mit Kindern in der Favela Campinho. Foto: Florian Kopp/Adveniat

Es muss in Sportprojekte für Kinder in Armenvierteln investiert werden

Die Olympischen Spiele hätten große Enttäuschung hinterlassen, sagt auch Adveniat-Projektpartnerin Regina Leão, die sich im Erzbistum Rio de Janeiro in der Jugendpastoral engagiert. „Leider haben wir nach so vielen Jahren gesehen, dass viele Investitionen nicht die soziale Inklusion in den Fokus gerückt haben“, sagt Leão. Obwohl der Sport genau das leisten könne. Es sei nicht in die Menschen, sondern in Gebäude und Räume investiert worden.

Umso wichtiger seien Investitionen in Sportprojekte für die Kinder und Jugendlichen aus den Armenvierteln, die mit Hilfe des Sports Halt und Orientierung im Leben fänden. „Deshalb investieren wir – die Kirche in Brasilien und Adveniat –  besonders viel in die Kinder- und Jugendarbeit, denn durch Sport, kritisches Bewusstsein und das Kennenlernen der eigenen Rechte werden wir auf dem Weg zu einer gerechten Gesellschaft ein Stück vorankommen“, betont Leão.
 

Für den Einsatz für Menschenrechte in Lateinamerika.


Fair-Play-Kampagne für Menschenrechte

Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat hatte anlässlich der Olympischen Spiele 2016 die Aktion „Rio bewegt. Uns.“ gestartet. Ziel der Aktion war es, im Zusammenspiel zwischen Sport und kirchlicher Jugendarbeit bessere Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche in der brasilianischen Metropole zu schaffen. Zu dem Bündnis hatten sich auf Initiative des Hilfswerks Adveniat neben Misereor vor allem katholische Verbände wie etwa das Kolpingwerk Deutschland, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) zusammengeschlossen.

Beteiligt waren auch das Erzbistum Rio de Janeiro, die Brasilianische Bischofskonferenz und die Brasilianische Ordenskonferenz. Das Aktionsbündnis „Rio bewegt. Uns.“ hat dafür im Jahr 2017 den Fair Play Preis des Deutschen Sports erhalten. Adveniat hat in den letzten Jahren Projekte zur Förderung von Jugend und Sport in Rio de Janeiro mit über 500.000 Euro unterstützt.