„Demokratischer Hoffnungsträger des Volkes gegen Pakt der Korrupten“
Adveniat zur Stichwahl ums Präsidentenamt in Guatemala
Essen, 16. August 2023. „Ein demokratischer Hoffnungsträger des Volkes trifft auf den ‚Pakt der Korrupten‘. Ausgang ungewiss.“ So fasst Inés Klissenbauer, Mittelamerika-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, die Situation vor der Stichwahl um die Präsidentschaft in Guatemala am Sonntag, 20. August 2023, zusammen.

Die Gesundheitsversorgung in Guatemala funktioniert nicht. Deshalb übernehmen – unterstützt vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat – kirchliche Krankenstationen wie hier in der Kleinstadt Iztapa die Aufgaben des Staates. Foto: Achim Pohl/Adveniat
Die erste Runde der Präsidentschaftswahl am 25. Juni 2023 endete mit einem Paukenschlag: „Die Guatemalteken haben ein starkes Zeichen für Demokratie und Rechtstaatlichkeit gesetzt. Mit Bernardo Arévalo hat der Sohn des ersten demokratisch gewählten Präsidenten die Stichwahl erreicht, während Zury Ríos, die Tochter eines Diktators und Massenmörders, von den Wählerinnen und Wählern aus dem Rennen ist. Das zeigt, dass viele Menschen in Guatemala sehr genau und kritisch überlegen, wem sie ihre Stimme geben“, so Inés Klissenbauer. Neben Arévalo ist mit Sandra Torres die ehemalige Frau des Ex-Präsidenten Colom in die Stichwahl eingezogen, die bereits mehrfach angetreten, aber bisher stets auf Platz zwei gelandet war.

Adveniat-Referentin für Guatemala: Inés Klissenbauer. Foto: Martin Steffen / Adveniat.
Entsetzt zeigt sich die Adveniat-Referentin von der Reaktion der staatlichen Behörden auf den Ausgang der ersten Rund der Präsidentschaftswahl. Wochenlang war nicht klar, ob Bernardo Arévalo und seine Partei Movimiento Semilla zur Stichwahl zugelassen wird. „Das zeigt einmal mehr, dass das Land von einem „Pakt der Korrupten“ regiert wird, wie es allerorten in Guatemala heißt“, kritisiert Inés Klissenbauer. Der noch amtierende Präsident Alejandro Giammattei kontrolliere bis heute mit reichen einflussreichen Gruppen das Parlament, die Justiz und die staatlichen Institutionen. „Die Folge: Ein weiteres Anwachsen der Korruption, Gewalt und Straflosigkeit sowie die Kriminalisierung der indigenen Bevölkerungsmehrheit, um sie von ihren Territorien zu vertreiben und sich mit der Ausbeutung der Bodenschätze dort zu bereichern“, fasst Adveniats Mittelamerika-Referentin zusammen.
Der Bischof von Huehuetenango und langjährige Adveniat-Partner Kardinal Álvaro Leonel Ramazzini erklärt in einem Aufruf der von ihm gegründeten „Convergencia Nacional de Resistencia“ (Nationaler Zusammenschluss des Widerstandes) die Solidarität „mit allen, die ihre Empörung und Ablehnung gegen den erneuten Versuch zum Ausdruck bringen, einen möglichen Machtwechsel zu verhindern, nach dem sich das guatemaltekische Volk sehnt“. Gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur warnte Kardinal Ramazzini sogar vor einem möglichen Rückfall in die Militärdiktatur.
Für die Unterstützung der Menschen in Lateinamerika.
Vor diesem Hintergrund ist es für Inés Klissenbauer umso beeindruckender, dass sich ein Großteil der guatemaltekischen Bevölkerung und insbesondere die Armen in den ländlichen Gebieten als mutige Verteidiger der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie erwiesen haben. Nahezu jeder Fünfte hat seine Stimme bewusst ungültig gemacht, um seinen Protest gegen eine Wahl auszudrücken, bei der die aussichtsreichsten Kandidaten der Opposition mit Hilfe des Verfassungsgerichts in abgekarteten, von oben gelenkten Verfahren von der Wahl ausgeschlossen wurden.
Weil der Staat bei seinen elementaren Aufgaben wie beispielsweise Bildung und Gesundheit versagt, springt die Kirche unterstützt vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat ein. „Unsere Partnerinnen und Partnern vor Ort bilden insbesondere auf dem Land Frauen und Männer aus, die Familien von der Schwangerschaft an bei Ernährung, Gesundheit und Erziehung beistehen“, berichtet die Adveniat-Referentin Inés Klissenbauer. Angesichts der Tatsache, dass eines von zwei Kindern chronisch unterernährt ist, ist dies dringend notwendig. Um dem verbreiteten Hunger etwas entgegenzusetzen, fördert das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat kirchliche Programme zur Ernährungssicherheit. Juristische Beratungsstellen der Kirche sorgen dafür, dass die Menschen über ihre Rechte aufgeklärt werden. „Adveniat unterstützt gezielt die Kirche vor Ort, weil sie eine wichtige Institution im Land ist, die an der Seite der Armen und der benachteiligten indigenen Völker steht, und der die Menschen vertrauen“, erklärt Mittelamerika-Expertin Inés Klissenbauer.
Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Getragen wird diese Arbeit von vielen Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten 1.500 Projekte mit rund 32 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Menschen vor Ort.