Angst vor erneutem Dammbruch im Südosten Brasiliens
Adveniat: Bergbaukonzerne dürfen sich nicht aus der Pflicht stehlen

„Viele Menschen im Großraum Belo Horizonte leben unter ständigem Terror“, betont Norbert Bolte, Brasilien-Referent beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. Sie seien wegen Dammbruchgefahr mehrfach evakuiert und wieder in ihre Häuser zurückgeschickt worden – „und dabei haben sie die ganze Zeit die grausamen Bilder des Verbrechens von Brumadinho vor Augen“, schildert Bolte die dramatische Lage im Südosten Brasiliens. Genau am Jahrestag des Verbrechens um Brumadinho, bei dem im vergangenen Jahr durch einen Dammbruch 272 Menschen starben, kämpft die Region rund um Belo Horizonte im Bundesstaat Minas Gerais mit den schwersten Regenfällen seit Wetteraufzeichnung. Und auch weitere Dämme drohen zu brechen. 

Der Unglückort ein Jahr nach dem Verbrechen von Brumadhino. Elf Menschen werden noch immer unter den Schlammlawinen vermisst, 270 verloren ihr Leben. Nun droht ein weiterer Damm in der Region zu brechen. Foto: Kopp/Adveniat

Mindestens 54 Menschen sind am vergangenen Wochenende nach den heftigen Regenfällen im Südosten Brasiliens ums Leben gekommen, 18 Menschen werden laut Zivilschutz des Bundesstaates Minas Gerais noch vermisst. „Und wieder sind es die Ärmsten, die bei den Überschwemmungen und Erdrutschen ums Leben gekommen sind“, beklagt der Brasilien-Experte. Denn in den großen Bergbauregionen Brasiliens wohnen in erster Linie die arme Bevölkerung wie auch Indigene, deren angestammter Lebensraum zerstört wird. 

Norbert Bolte, Brasilien-Referent beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. Foto: Steffen/Adveniat

Zehntausende mussten am Wochenende ihre Häuser verlassen, vor weiteren Erdrutschen wurde gewarnt. Im Januar und Februar kommt es laut Bolte in der Region immer wieder zu starken Regenfällen, bedingt durch den Klimawandel würden diese aber immer stärker. Nach Angaben des brasilianischen Wetterdienstes Inmet wurden in Belo Horizonte die intensivsten Regenfälle der vergangenen 110 Jahre verzeichnet. In 24 Stunden fielen am Freitag fast 172 Liter Regen pro Quadratmeter vom Himmel. Das entspricht etwa der Hälfte des Regens, der sonst im ganzen Monat niedergeht. Eine besonders dramatische Situation ergebe sich zusätzlich durch den fahrlässigen Umgang der Bergbaukonzerne mit der Sicherheit der Staudämme, sagt Bolte. 

Schon 2015 kamen in Mariana bei dem Bruch eines Abraumbeckens eines Tochterkonzerns von Vale 19 Menschen ums Leben, Tausende wurden obdachlos, Hunderttausende sind über Jahrzehnte von der Verseuchung betroffen. Genau ein Jahr nach dem Staudammbruch von Brumadinho im Januar 2019 droht nun ein drittes Mal der Damm eines Bergwerks zu brechen: In Barão de Cocais, 50 Kilometer östlich von Belo Horizonte, wurde am Wochenende die Alarmstufe erhöht. Der viele Regen habe die Innenstruktur des Damms beschädigt, teilte das Bergwerksunternehmen Vale Medienberichten zu Folge mit. Der Damm sei noch stabil, stehe aber unter erhöhtem Risiko, weil flussaufwärts ein weiterer Damm schon seit einem Jahr zu kollabieren drohe. „Die Bergbauunternehmen dürfen sich nicht aus der Pflicht stehlen – sie sind für die Sicherheit ihrer Anlagen verantwortlich“, betont Bolte. 

Für die Menschen in Brasilien.

Hinterbliebende gedenken ihren Angehörigen, die vor einem Jahr Opfer des Verbrechens um Brumadinho wurden. Foto: Kopp/Adveniat

Die Staatsanwaltschaft von Minas Gerais hat am Dienstag vergangener Woche Anklage wegen vielfachen Mordes gegen Vale und die brasilianische Tochtergesellschaft des deutschen Prüfunternehmens TÜV Süd, dessen Mitarbeiter die Stabilität des Dammes geprüft hatten, erhoben. „Wir können nur hoffen, dass diese Verbrechen nun endlich auch als solche anerkannt werden und sowohl die Bergbaukonzerne wie auch die Aufsichtsbehörden verpflichtet werden, Sicherheit zu garantieren“, sagt Bolte. Adveniat unterstützt die Sozialarbeit des Erzbistums Belo Horizonte seit dem Verbrechen von Brumadinho in besonderem Maße. Die Partner stecken all ihre Energie in die Durchsetzung der Entschädigungsansprüche, in die Traumaarbeit sowie die Bewusstseinsbildung zur Gefahr rund um den Bergbau.