Venezuela: Adveniat hilft mit zwei Millionen Euro und baut Gesundheitsversorgung auf

„Venezuela ist ein Lehrbeispiel, wie ein autoritäres Regime ein Land zugrunde richtet.“ Der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat Pater Martin Maier bringt nach seinem Aufenthalt in dem südamerikanischen Land vom 4. bis 12. Januar 2023 seine Eindrücke auf zwei Begriffe: Empörung und Bewunderung.
 

Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Martin Maier besucht in Caracas, der Hauptstadt von Venezuela, einen von Adveniat unterstützen Kinderhort, in dem Schülerinnen und Schüler sowie Kindergartenkinder eine Mahlzeit erhalten und betreut werden. Foto: Privat


„Es ist empörend, wenn die Hälfte der Bevölkerung ohne elektrischen Strom lebt, die Trinkwasserversorgung ständig unterbrochen ist, die öffentliche Gesundheitsversorgung am Boden liegt und die Inflationsrate mit 686 Prozent den Lohn der Menschen auffrisst. Dass Präsident Nicolas Maduro sein systematisches Versagen mit dem Etikett ‚Sozialismus des 21. Jahrhunderts‘ versieht, ist schlicht zynisch“, kritisiert Pater Maier.

Inzwischen sind offiziell sieben Millionen Venezolaner – kirchliche Vertreter sprechen bereits von acht Millionen – aus dem Land geflohen. Das Land blute systematisch aus. Denn es sind überwiegend gut ausgebildete, junge Leute, die keine Zukunft mehr in ihrem Land sehen. „In dieser Situation ist es bewundernswert, wie die im Land ausharrenden Menschen trotzdem überleben“, sagt Pater Maier und gibt ein Beispiel: Acht Euro im Monat beträgt aktuell das Gehalt für staatlich angestellte Lehrerinnen und Lehrer. Das Geld reicht jedoch gerade einmal für die täglichen Fahrten mit dem städtischen Bus von der Wohnung zur Schule. Überleben sei da nur möglich mit einem Zweit- oder Dritt-Job im informellen Sektor oder dank der Überweisungen von Familienmitgliedern aus dem Ausland. „Der staatliche Lohn ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Hungerlohn“, fasst der Adveniat-Hauptgeschäftsführer zusammen.

Zwei Millionen Euro hat das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat allein im Jahr 2022 für Hilfsprojekte in Venezuela bereitgestellt. „Wir erreichen die Armen, die die Hilfe am dringendsten benötigen, weil wir die Strukturen der Kirche nutzen, der einzigen Institution, der die Venezolaner noch vertrauen“, erläutert Pater Maier. Konkret ermöglicht Adveniat mit seinen kirchlichen Projektpartnerinnen und Projektpartnern vor Ort Kinder- und Schulspeisungen, versorgt Binnenflüchtlinge und Rückkehrer aus dem Ausland mit Lebensmitteln, unterstützt kirchliche Radiosender als letzte unabhängige Stimme im Land und schult Menschen in der Demokratie-, Friedens- und Menschenrechtsarbeit.
 

Für die Unterstützung der Menschen in Venezuela.


„Zusätzlich hat Adveniat zwischen 2019 und 2022 für 400.000 Euro Medikamente ins Land geliefert und in 18 der insgesamt 28 Bistümer Medikamenten-Banken aufgebaut. Da die Gesundheitsversorgung noch wichtiger ist als die Versorgung mit Lebensmitteln, werden wir für fast eine Million Euro den Aufbau von einfachen Gesundheitszentren sowie die Ausbildung von Ersthelfern und die Fortbildung des Personals in Krankenhäusern und Gesundheitsposten fördern“, kündigt Adveniat-Hauptgeschäftsführer Maier an.

Damit sich die Lage der Menschen grundsätzlich verbessert, braucht es Pater Maier zufolge jedoch demokratische und rechtsstaatliche Reformen. „Aktuell fehlen die Bedingungen für eine funktionierende Demokratie.“ Auf Proteste aus der Bevölkerung reagiere die Regierung drakonisch. Der Adveniat-Hauptgeschäftsführer nennt ein Beispiel: „Im Armenviertel La Vega von Caracas sitzt ein Sozialaktivist schon seit einem halben Jahr im Gefängnis, weil er für eine bessere Wasserversorgung demonstrierte.“ Da die Opposition nicht nur zerstritten ist, sondern im Land kaum noch existent, fehlt jede wählbare Alternative – Grundvoraussetzung jeder Demokratie.

Pater Maier ist überzeugt: Angesichts dieser Rahmenbedingungen wird Venezuela eine Demokratisierung alleine nicht schaffen. Deshalb müssten die Verbesserungen der Beziehungen zu Kolumbien sowie die Aufnahme der Handelsbeziehung zwischen den USA und Venezuela als dem Land mit den größten Erdölreserven weltweit von der internationalen Gemeinschaft genutzt werden, um den Aufbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzufordern. „Mehr noch: Europa und die USA müssen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zur Voraussetzung für den Handel mit Venezuela machen“, fordert Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Martin Maier.