Wahlen in Brasilien als Weichenstellung für Amazonien
- Lulas Sieg könnte gut fürs Klima sein

Unter Jair Messias Bolsonaro sind am brasilianischen Amazonas Natur und indigene Völker bedroht. Ex-Präsident Luiz Inacio "Lula" da Silva will am Sonntag mit einem Wahlsieg neue Hoffnung für die Region bringen.
 

Das fünf Millionen Quadratkilometer große brasilianische Amazonasgebiet bindet gigantische Mengen an CO2, deren Freisetzung laut Forschern das Weltklima zum Kippen bringen würde. Foto: Escher/Adveniat


Rund 37.000 Brände hat Brasiliens staatliches Klimainstitut (Inpe) zwischen dem 1. und 25. September in der Amazonasregion registriert - so viele wie seit 2010 nicht mehr. Der August hatte bereits auf einem Zwölf-Jahres-Hoch gelegen. Der für die Regulierung des Regens in Südamerika und das weltweite Klima wichtige Wald liegt unter dicken Rauchwolken. Für Umweltexperten ist das ein Indiz für die Verzweiflung der Landwirte, deren favorisierter Kandidat und Amtsinhaber, der Rechtspopulist Jair Messias Bolsonaro, die Präsidentschaftswahl am Sonntag laut Umfragen verlieren wird.

Von Juli bis Oktober ist in Amazonien Trockenzeit, und Bauern haben sie stets genutzt, um bereits zuvor geschlagene Biomasse zu verbrennen und Platz für neue Soja-, Mais-Felder und Vieh zu schaffen. Nun brennen sie extra viel ab, bevor unter einer neuen Regierung Lula da Silva Schluss mit dem illegalen Kahlschlag sein könnte.

Das fünf Millionen Quadratkilometer große brasilianische Amazonasgebiet bindet gigantische Mengen an CO2, deren Freisetzung laut Forschern das Weltklima zum Kippen bringen würde. Denn weniger Wald bedeute weniger Regen und einen Anstieg der Temperaturen. "Mehrere Studien zeigen, dass der Wald in den nächsten 30 bis 50 Jahren verschwinden könnte", warnt der brasilianische Klimaforscher Carlos Nobre gegenüber der Zeitung "O Globo". Eine regelrechte Versteppung drohe.
 


"Die Amazonasbäume haben sich in Millionen von Jahren so entwickelt, dass sie nur kurze Trockenperioden aushalten müssen. Deshalb werden sie (bei längeren Trockenzeiten) sterben." Historische Dürren, wie die des vergangenen Jahres, als sogar die für die weltweite Lebensmittelproduktion wichtigen Agrarflächen Südbrasiliens und Argentiniens litten, seien ein Vorbote dessen, was bevorstehe.

Er sei sich dieser Gefahren bewusst, sagt Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva von der Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores). Er werde die Rodungen in Amazonien deshalb auf null senken. Naturschutzgebiete sollen unter seiner Regierung genauso streng überwacht werden wie die indigenen Schutzgebiete, die grüne Naturinseln inmitten der Zerstörung sind.

Für viele der rund 25 Millionen in der Region lebenden Nicht-Indigenen verhindern die Schutzgebiete jedoch die Entwicklung. Der Ex-Militär Bolsonaro hatte ihnen versprochen, sie für die wirtschaftliche Nutzung zu öffnen. Weil er damit am Widerstand des Kongresses, von Umweltschützern und aufgrund des Drucks aus dem Ausland scheiterte, schwächte er die Kontrollbehörden.
 

Für gute Lebensbedingungen für die indigenen Völker im Amazonas.


Der Zusammenhang zwischen gekappten Budgets und Rodungen ist klar: Gegenüber Lulas Regierungszeit (2003-2010) und der seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff (2011-2016) beträgt das Budget der Kontrollbehörden heute nur noch einen Bruchteil. Und Bußgelder für Umweltsünder werden kaum noch ausgestellt. Dafür hat die Abholzung deutlich zugenommen. "Brasilien war unter Lula eine wichtige Größe der internationalen Klimapolitik", erklärt Marcio Astrini vom Klimabündnis Observatorio do Clima. Unter Bolsonaro sei das Land jedoch zum Paria mutiert.

Marina Silva, Umweltministerin unter Lula, will das ändern. "Brasiliens grünes Gewissen", wie sie von Umweltschützern bezeichnet wird, hat Anfang September ihre Unterstützung für Lulas Kampagne angekündigt. Ihrer Politik strenger Kontrollen verdankte Brasilien einst die drastische Reduzierung der Rodungen von 28.000 Quadratkilometern 2004 auf 4.500 Quadratkilometer im Jahr 2012, dem historischen Tiefstwert. Im Vergleich: Seit Bolsonaro 2019 die Regierung übernahm, nahm die Abholzung von 7.500 auf zuletzt 13.200 Quadratkilometer zu.

Doch auch unter Lula und Rousseff war nicht alles Sonnenschein. So trat Marina Silva 2008 aus der Regierung aus, nachdem sich die Arbeiterpartei für gigantische Wasserkraftwerke an den Amazonasflüssen und Überlandstraßen durch unberührten Wald eingesetzt hatte. Sie unterstütze Lula jetzt, weil es um die Demokratie und die Natur in Brasilien gehe, so Silva. "Wir sehen die Zerstörung Amazoniens und der indigenen Völker. Wir dürfen Brasilien nicht beerdigen."

Bei ihrem angekündigten Kampf zur Bewahrung der Amazonasregion wissen Lula und Marina Silva auch die katholische Kirche an ihrer Seite. 2015 hatte Papst Franziskus seine Umweltenzyklika "Laudato si" veröffentlicht, die sich auch Klimafragen widmet. 2019 richtete der Vatikan dann eine Sondersynode zur Zukunft Amazoniens aus, gegen die Bolsonaro laut wetterte. Ende August warnte der Erzbischof der Amazonasmetropole Manaus, Kardinal Leonardo Ulrich Steiner, angesichts der fortschreitenden Zerstörung: "Wenn wir so weitermachen, wird Amazonien keine Zukunft haben." 

Text: Thomas Milz/kna