Zwei Jahre nach dem Verbrechen von Brumadinho - Wallfahrt und Protestveranstaltung

Die von Adveniat unterstütze Wallfahrt ist gleichzeitig Protestveranstaltung gegen Brasiliens Minenkonzern Vale: die „2. Romaria für eine ganzheitliche Ökologie“, die in diesen Tagen in Brumadinho stattfindet. Die Kleinstadt im Innern des Bundesstaats Minas Gerais erlangte am 25. Januar 2019 weltweit traurige Berühmtheit. Damals barst der Damm eines Vale-Rückhaltebeckens und 272 Menschen wurden von den herabstürzenden Schlammmassen aus der Eisenerzproduktion getötet, viele regelrecht zermalmt.
 

Die Sozialarbeiterin Marina Paulo Oliveira unterstützt die Angehörigen von Opfern des Verbrechens von Brumadinho. Foto: Adveniat/Kopp


Das Desaster war auf die nachlässige Wartung und von Vale gekaufte Gutachten über die Sicherheit des Damms zurückzuführen, anders ausgedrückt: Es waren Profitdenken und Korruption im Spiel. Bis heute hat der Vale-Konzern jedoch nicht die volle Verantwortung für das Verbrechen übernommen und wehrt sich gegen Klagen von Opferverbänden auf Wiedergutmachung. Tausende Menschen in der Region um Brumadinho, deren Leben von der Verseuchung des einstmals sauberen Flusses Paraopeba existentiell beschädigt wurde, warten bis heute auf eine Anerkennung als Betroffene und eine Entschädigung. Viele von ihnen sind Kleinbauern, die ihre Felder nicht mehr bewässern können; aber auch eine Gemeinde von Indigenen und eine Siedlung der Landlosenbewegung MST ist darunter.

An all das will die Wallfahrt in diesem Jahr erinnern. Es geht um Solidarität, Gemeinschaft und Widerstand, sagt der Weihbischof Dom Vicente Ferreira, einer der Organisatoren. „Wir sind Brüder und Schwestern, wir halten uns fest an den Händen“, hat er in einem Lied für die Wallfahrt getextet.
 

Adveniat unterstützt Hilfe für Angehörige und Protestbewegung

272 Menschen wurden unter den Schlammmassen begraben, als im Januar 2019 das Rückhaltebecken einer Eisenerzmine barst. Für die Adveniat-Partnerin Marina Oliveira steht fest: „Es ist unsere Verantwortung, vor einem erneuten Verbrechen zu warnen.“ Die Sozialarbeiterin und zwei weitere Mitglieder ihres Teams werden von Adveniat unterstützt. Sie kümmern sich gemeinsam mit Weihbischof Dom Vincente um die Angehörigen der Opfer des Verbrechens und haben eine Bewegung gegründet, die Druck auf den Bergbaukonzern Vale ausübt. Dieser weigert sich noch immer, die Opfer und Angehörien zu entschädigen. Darüber hinaus unterstützt Adveniat die Wallfahrten und Protestbewegungen zu den Gedenktagen an die Opfer und das Verbrechen. 


An der Liste der beteiligten Organisationen und Personen an der Wallfahrt von Brumadinho lässt sich die Breite des Bündnisses ablesen, das dank des Engagements der Erzdiözese von Belo Horizonte entstanden ist. Es sind verschiedene Gruppen von Bauern, Indigenen und Schwarzen dabei, die vom Desaster betroffen sind, Angehörige von Toten, soziale Bewegungen, Universitäten sowie Kirchengemeinden aus der gesamten Region um Brumadinho.

Bis auf die Messen für die Opferangehörigen finden die meisten Treffen der Wallfahrt wegen der Corona-Pandemie im virtuellen Raum statt. Das hat wiederum den Vorteil, das Menschen aus ganz Brasilien teilnehmen können, die vom zerstörerischen Bergbau betroffen sind, wie ihn Vale praktiziert. Denn Probleme mit unsicheren und umweltschädlichen Minen gibt es nicht nur im Bundesstaat Minas Gerais, sondern an vielen Orten im Land. Es geht also darum, gemeinsame Probleme zu identifizieren, die Kräfte zu bündeln und kollektive Strategien auszuarbeiten.

Die Romaria, die schon am 18. Januar begann, beruht dieses Jahr auf vier Säulen, die man gemeinsam erarbeitet hat: 1. Die Erinnerung an die 272 „Märtyrer“, wie sie dort genannt werden. 2. Die Anklage gegen das Verbrechen, das von Vale verübt wurde. 3. Der Kampf um Gerechtigkeit und eine vollständige Entschädigung für alle Opfer. 4. Die Verkündung der Hoffnung und die Verteidigung einer ganzheitlichen Ökologie, die das Leben über den Profit stellt.
 

Für die Menschen in Brasilien.


Ganz konkret heißt das, dass Briefe und Videobotschaften ausgetauscht werden; dass es ein Webinar über internationale Klagen sowie dem Europäischen Zentrum für Verfassungsrechte und Menschenrechte gibt; dass die Betroffenen sich auf dem Youtube-Kanal der brasilianischen Bischofskonferenz vorstellen; dass eine Totenwache stattfindet; dass es Darbietungen von Poesie, Musik und Kunst gibt.

„Die Romaria erinnert uns daran, dass das Volk Gottes ein Pilgervolk ist. Es ist unterwegs, um die Freiheit zu finden, den Frieden und soziale Gerechtigkeit“, sagt Dom Vicente. „Wir erinnern an die 272 Opfer von Brumadinho. Es ist eine Anklage und eine Forderung, damit Wiedergutmachung geschieht und erneut Hoffnung auf eine ganzheitliche Ökologie gesät werden kann.“ Das Konzept der ganzheitlichen Ökologie geht auf die Enzyklika „Laudato Si – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ von Papst Franziskus zurück. Seine Warnung vor den zerstörerischen Folgen der kapitalistischen Ausbeutungslogik werden in Brumadinho verstanden. Hier hat man am erlebt, was sie anrichten kann.

Neben den zahlreichen Treffen im virtuellen Raum wird als ein Höhepunkt der Wallfahrt der „Pakt der Betroffenen“ am Jahrestag des Verbrechens von Brumadinho in einer Kirche in der Nähe der Mine lanciert. Dabei wird ein Brief verlesen, den die unterschiedlichen Betroffenen kollektiv verfasst haben: Angehörige von Toten, Indigene, Landlose, Kleinbauern, die ihren Wasserquelle verloren haben und deren Böden verseucht sind. „Dieser Brief vereint unsere Schmerzen und ist unser Schrei nach Gerechtigkeit“, sagt Marina Oliveira, die von Adveniat unterstützt wird und die in den vergangenen zwei Jahre unermüdlich für das Zustandekommen des Pakts gearbeitet hat. „Diese Wallfahrt spielt bei der Suche nach Gerechtigkeit eine fundamentale Rolle“, sagt sie. „Ohne sie gäbe es keine Einheit.“

Text: Philipp Lichterbeck