Ein Dorf im Kampf
gegen die Erdölindustrie

Es ist die Geschichte des kleinen, scheinbar chancenlosen David gegen einen übermächtigen Goliath: Ein Dorf im amazonischen Tiefland Ecuadors leistet seit Jahrzehnten Widerstand gegen die vorrückende Erdölindustrie. Unterstützung bekommen die Menschen von dem panamazonischen kirchlichen Netzwerk Repam, das die Umweltenzyklika Laudato si´ von Papst Franziskus konkret vor Ort umsetzt.

Seit Jahrzehnten wehren sich die Menschen im Osten Ecuadors gegen das Vorrücken ausländischer Erdölfirmen. Das Land gehört ihnen. Doch die Erdölvorkommen darunter beansprucht der ecuadorianische Staat für sich. Foto: Adveniat/Pohl

Dichtes, sattes Grün umgibt das kleine Dorf Sarayaku. Straßen gibt es hier nicht und nur ab zu tönt ein tierisches Quaken, Krähen und Schnalzen aus der Tiefe des Regenwaldes. Die Menschen hier leben das ursprüngliche Leben der Kichwa-Indianer, die in einfachen Hütten unter Palmdächern wohnen. Es gibt kein Handynetz und auf den Teller kommt, was die Natur hergibt: Fisch, Yucca oder Kochbananen. Sarayaku liegt in einer der wenigen noch unberührten Regionen Ecuadors: im amazonischen Tiefland. Doch diese Unberührtheit müssen seine Bewohner hartnäckig verteidigen.

Seit Jahrzehnten wehren sich die Menschen im Osten Ecuadors gegen das Vorrücken ausländischer Erdölfirmen. Das Land gehört ihnen. Doch die riesigen Erdölvorkommen darunter beansprucht der ecuadorianische Staat für sich. In Sarayaku begannen die Konflikte 1996, als die Regierung dem argentinischen Unternehmen Compañía General de Combustibles (CGC) die Förderlizenzen erteilte, ohne vorher die Gemeinde in die Entscheidung einbezogen zu haben.

Patricia Gualinga auf einer Dorfversammlung im Gemeindehaus

"Wir waren in einer Art Kriegszustand"

„Militärs und private Sicherheitskräfte drangen in unser Land ein“, erinnert sich Patricia Gualinga, eine der Sprecherinnen der Gemeinschaft. „Tonnen von Dynamit wurden für seismische Messungen in der Erde vergraben“, erzählt sie. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. „Wir waren in einer Art Kriegszustand, in ständiger Angst und Ungewissheit. Die Politiker hatten erwartet, dass wir zu Verhandlungen mit dem Unternehmen bereit sein würden.“

Denn viele andere Gemeinden lassen sich darauf ein. Sie verkaufen ihr Land für vage Jobversprechen und Geld, das schnell aufgebraucht ist. Gemeinschaften werden so gespalten. „Wir wollten keine Verhandlungen und beschlossen, Widerstand zu leisten – bis zum Ende“, sagt Patricia. Das Unternehmen zog sich schließlich zurück.

2012 bestätigte auch der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in Costa Rica: Der ecuadorianische Staat hatte das Recht der Indigenen auf vorherige Beratung, auf Gemeindeeigentum und kulturelle Identität verletzt. Trotzdem müssen sich die Menschen in Sarayaku nach wie vor gegen die Begehrlichkeiten großer Firmen wehren. Sarayaku ist nur eines von vielen Beispielen im Amazonasgebiet, dem Lebensraum von etwa 375 Völkern. Nirgendwo ist der Raubbau an der Schöpfung so offensichtlich wie dort: Eine Fläche von der Größe Frankreichs ist bereits unwiederbringlich verloren.

Bauarbeiten am Ufer des Rio Napo. Foto: Adveniat/Pohl
Im Amazonasgebiet ist eine Fläche von der Größe Frankreichs bereits unwiederbringlich zerstört. Foto: Adveniat/Pohl
Schwimmende Kinder im Rio Bobonaza. Foto: Adveniat/Pohl

„Der maßlose Abbau von Rohstoffen, die Holzindustrie, die Ausweitung der Rinderzucht und des Sojaanbaus, der Klimawandel: Das alles hat massive Folgen für die Indígenas, die hier seit Jahrhunderten leben“, erklärt Mauricio López Oropeza. Er ist Generalsekretär des panamazonischen kirchlichen Netzwerks Repam (Red Eclesial PanAmazónica), das im September 2014 in Brasília von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien aus dem ganzen Amazonasgebiet gegründet wurde und dem die Kirchen der neun Amazonasstaaten angehören. Die Idee: Angesichts der fortschreitenden Zerstörung der Natur muss die Kirche mit einer Stimme sprechen, nach grenzüberschreitenden Antworten suchen und an der Seite der Menschen stehen. Teil von Repam sind beispielsweise auch der lateinamerikanische Bischofsrat Celam, die Caritas Ecuador, aber auch das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat.

Mauricio López Oropeza in seinem Büro

„Papst Franziskus hat uns ermutigt, Repam zu gründen“

Präsident des Netzwerkes ist Kardinal Claudio Hummes, der zugleich der brasilianischen Bischofskommission für Amazonien vorsteht und ein langjähriger Freund von Papst Franziskus ist. Er informiert den Papst regelmäßig über die Lebenswirklichkeit der Menschen im Amazonasgebiet. Gemeinsam mit Mauricio López hat Hummes im Dezember 2015 bei der Weltklimakonferenz in Paris das Anliegen von Repam in die internationale Diskussion eingebracht. Eindeutige politische Positionen bei den Themen Ökologie und Bewahrung der Schöpfung waren in der katholischen Kirche bislang selten, führten lange ein Randdasein. „Selbst hier im Amazonas war die Kirche bei diesem Thema sehr gespalten“, erinnert sich Mauricio López.

Das soll sich ändern. „Papst Franziskus hat uns ermutigt, Repam zu gründen“, erklärt López. Dass der Papst nur wenige Monate nach der Gründung seine Umwelt-Enzyklika Laudato si´ veröffentlichte, nennt López einen Glücksfall. „Diese Enzyklika hat uns in unserem Weg bestärkt, gefestigt, animiert. Sie ist zu unserer Vision geworden, die wir vor Ort in die Tat umsetzen.“

„Wir kämpfen nicht nur für unser eigenes Überleben“

Für die Menschen in Sarayaku ist diese kirchliche Stimme ein Zeichen der Solidarität: „Bislang hat sich kaum jemand für uns interessiert“, sagt Patricia Gualinga. „Dass erstmals Bischöfe aufstehen und uns dieses Versprechen geben, ist für uns ein wichtiges Signal!“ Jetzt haben die Sarayakus einen weiteren wichtigen Verbündeten. „Und wenn Repam innerhalb der Kirche ein Bewusstsein für unsere Nöte und Probleme im Amazonas schafft, wäre das ein großer Fortschritt!“

Dabei geht es um mehr als bloße Ökologie: Es geht um die Bewahrung eines Lebensraumes und der Schöpfung in allen ihren Facetten indigener Spiritualität. Für die Kichwa durchdringen geheiligte Geister jedes Tier und jeden Baum, jedes Wasser und sogar die Steine. Ihr Leben gestalten sie in Harmonie und Respekt vor der Schöpfung. Daran könnten sich die Menschen in den Industriestaaten ein Beispiel nehmen, findet Patricia Gualinga. Denn die Folgen ihrer maßlosen Ausbeutung, da ist sie sich sicher, bekommen irgendwann alle zu spüren. „Wir kämpfen nicht nur für unser eigenes Überleben“, sagt Patricia, „sondern für das der Menschheit und der zukünftigen Generationen.“

Text: Ina Rottscheidt