Amtsantritt von Präsident Iván Duque: "Kolumbien steht vor der Zerreißprobe - politisch und sozial"

Venezolanische Flüchtlinge werden in der von Adveniat unterstützten Casa de Paso Divina Providencia bei Cúcuta zunächst mit Essen und Trinken versorgt.
Venezolanische Flüchtlinge werden in der von Adveniat unterstützten Casa de Paso Divina Providencia bei Cúcuta zunächst mit Essen und Trinken versorgt. Foto: Diozöse Cúcuta

Kolumbien/Essen.

„Kolumbien steht vor der Zerreißprobe – politisch und sozial.“ Davon ist die Kolumbien-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Monika Lauer Perez, überzeugt. Es sind vor allem drei Herausforderungen, mit denen Iván Duque von der Partei Centro Democrático konfrontiert ist, wenn er am morgigen Dienstag, 7. August 2018, das Amt des Präsidenten Kolumbiens antritt. Neben der Umsetzung des 2016 mit der Guerillabewegung Farc geschlossenen Friedenvertrags und den Friedensverhandlungen mit der zweitgrößten Rebellengruppe, der ELN, müssen vor allem die vielen Flüchtlinge aus dem Nachbarland Venezuela integriert werden. Offiziell haben eine knappe Million Venezolaner in Kolumbien Schutz gesucht. „Die Menschen flüchten angesichts der sich verschärfenden humanitären Krise in Venezuela weiter über die Grenze, um Essen, Medikamente und Arbeit in Kolumbien zu finden“, berichtet Adveniat-Expertin Monika Lauer Perez, die sich in den vergangenen Wochen selbst ein Bild vor Ort gemacht hat. „Es kommt zu heftigen Spannungen, weil die venezolanischen Flüchtlinge als ‚günstige Arbeitskräfte‘ ausgebeutet werden und sich die Kolumbianer um ihre Arbeitsplätze betrogen fühlen“, erläutert Monika Lauer Perez.

Mit diesen Spannungen ist eine Gesellschaft konfrontiert, die aufgrund der mehr als fünfzig Jahre dauernden gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und verschiedenen Rebellengruppen sowieso als weitgehend gespalten gilt. „Duque muss die Vereinbarungen des 2016 mit der Farc geschlossenen Friedensvertrags umsetzen. Und das besser als es die Regierung unter dem scheidenden Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos getan hat“, betont Adveniat-Referentin Lauer Perez. „Ansonsten sehe ich die Gefahr, dass das Friedensabkommen scheitert.“ 

Für Duque eine besondere Herausforderung, wurde er doch im Wahlkampf vom ehemaligen Präsidenten und erklärten Gegner des Friedensabkommens Álvaro Uribe unterstützt. Nach deutlicher Kritik am Friedensvertrag mit der Farc hatte Duque jedoch zuletzt versöhnlichere Töne angeschlagen. Hoffnung schöpft die Kolumbien-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat auch, weil die zweitgrößte Rebellengruppe des Landes, die ELN, angekündigt hat, weiterhin über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Der ist Voraussetzung damit in der Folge auch zwischen Regierung und ELN ein Friedensvertrag ausgehandelt werden kann.

Kritisch melden sich im Land derzeit vor allem die indigenen Völker zu Wort. „Die Indigenen befürchten, dass eine wirtschaftsfreundliche Regierung internationalen Firmen erlaubt, in ihren Territorien Bodenschätze abzubauen und landwirtschaftliche Produkte im industriellen Stil für den internationalen Markt anzubauen“, erklärt Adveniat-Expertin Monika Lauer Perez. Die fehlende Sicherheit für ausländische Investoren durch die massive Präsenz der Guerillas habe bislang dafür gesorgt, dass die ursprünglichen Völker in ihren Territorien relativ unbehelligt gemäß ihrer Kulturen und Traditionen leben konnten. 

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