Brasilien leidet unter moderner Sklaverei

Der brasilianische Arbeiterbischof José Reginaldo Andrietta (mitte) und Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz haben Weihbischof Otto Georgens (links) und den Menschen im Bistum Speyer die Adveniat-Aktion "Faire Arbeit. Würde. Helfen." vorgestellt.
Der brasilianische Arbeiterbischof José Reginaldo Andrietta (mitte) und Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz haben Weihbischof Otto Georgens (links) und den Menschen im Bistum Speyer die Adveniat-Aktion "Faire Arbeit. Würde. Helfen." vorgestellt. Foto: Klaus Landry

Speyer.

Ein wenig hoffnungsvolles Bild malte der brasilianische Bischof Jose Reginaldo Andrietta von der Situation seines Landes. Er sieht die Gesellschaft Brasiliens auf einer schiefen Ebene, die immer mehr Menschen an den Rand drängt. Bei einer Pressekonferenz am 15. Dezember in Speyer sprach er von „moderner Sklaverei“ und machte vor allem Gesetze  der „derzeitigen neoliberalen Regierung“ für diese Entwicklung verantwortlich. Die „Macht des Geldes“ bestimme zunehmend die Geschicke des Landes. Bei den anstehenden Wahlen müsse man fragen, wie demokratisch sie noch seinen.

Brasiliens Arbeiterbischof ist im Rahmen der Weihnachtsaktion des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat in Deutschland unterwegs, um über die Situation in seiner Heimat zu informieren. Ein besonderes Anliegen ist Bischof Andrietta die Situation der jungen Menschen. Achtzig Prozent hätten weder eine Ausbildung noch einen Studienabschluss. Die Jugendarbeitslosigkeit liege bei 28 Prozent, und auch Kinderarbeit sei weit verbreitet.

Andrietta selbst stammt aus einer Arbeiterfamilie: der Vater Schreiner, die Mutter trug durch Näharbeit zum bescheidenen Einkommen der Familie bei. Schon früh fand er zu seinem Engagement für Kirche und Gesellschaft. Unter anderem arbeitete er in einer Favela, in der Fabrikarbeiter unter schwierigsten Bedingungen lebten.  „Dort verstand ich, dass die Lebensbedingungen das Ergebnis der Arbeitsverhältnisse waren“, sagt Bischof Andrietta. Sprich: Die niedrigen Löhne erlaubten den Familien nicht, in Würde zu leben.

Die Folgen der Ausbeutung des Landes durch ausländische Konzerne

Die prekären Arbeitsbedingungen seien das historische Erbe der Sklavengesellschaft in Brasilien, sagte Bischof Andrietta – und Folge einer Ausbeutung des Landes durch ausländische Konzerne und ausländisches Kapital, wie er hinzufügte. Durch eine weitgehende Privatisierung leiste die Regierung dieser Entwicklung Vorschub. Die sozialen Leistungen würden gekürzt, und die Ausgaben für diesen Bereich seien von der Regierung für einen Zeitraum von zwanzig Jahren in ihrer derzeitigen Höhe eingefroren worden.

Brasilien sei inzwischen „Weltmeister bei Arbeitsunfällen“. Es gebe kaum Sicherheit bei einer Erkrankung. Und mit dem Mindestlohn können man seine Familie nicht ernähren. Kritisch merkte Bischof Andrietta an, dass durch die Aushöhlung der Tarifsysteme  der gesellschaftliche Einfluss der Gewerkschaften immer weiter zurückgehe und sie zunehmend als gesellschaftlich relevante Kraft ausfielen. Die  Kirche müsse ihre prophetische Stimme erheben, wenn es um den Kampf für menschenwürdige Lebensverhältnisse gehe, Bischöfe und Laien, so der brasilianische Bischof.

Weihbischof Otto Georgens, der im Bistum Speyer für den Bereich Weltkirche verantwortlich ist, betonte die Bedeutung der Kirche im Kampf für Gerechtigkeit und menschenwürdige Arbeit, gerade auch in Lateinamerika. Er verwies auf die wichtige Solidaritätsarbeit des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat und bat um Unterstützung seiner Arbeit bei der Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember.

Adveniat-Chef kritisiert Verkauf von Billigtextilien

Kritik am Verkauf von Billigtextilien übte der Hauptgeschäftsführer von Adveniat, Michael Heinz. Wenn ein T-Shirt zwei oder eine Hose acht Euro koste, könnten diese Produkte nicht unter gerechten Arbeitsbedingungen hergestellt worden sein, sagte der Hauptgeschäftsführer bei der Pressekonferenz in Speyer. Er betonte, das eigene Konsumverhalten habe konkrete Auswirkungen auf die Löhne etwa in Lateinamerika.

Text: Norbert Rönn

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