WM-Spezial: Panama - Aschenputtel fährt nach Russland 

Wenn man die Menschen in Panama dieser Tage nach der Teilnahme ihres Landes bei der Fußball-WM in Russland fragt, dann schaut man bisweilen noch immer in erstaunte Gesichter, selbst bei den größten Fußball-Fans. Andrés, ein junger Busfahrer, sagt zum Beispiel: „Das ist doch unglaublich, dass wir bei der Weltmeisterschaft dabei sind, oder?“ Schließlich war die Qualifikation in der Nordamerika- und Karibikgruppe CONCACAF ausgesprochen glücklich. Erst im letzten Spiel im Oktober entrissen die Panameños den USA noch den dritten Platz, erzielten dabei im Spiel gegen Costa Rica ein Phantomtor - aber das interessierte am Ende niemanden. Das Land am Kanal war zum ersten Mal in der Historie für eine Fußball-WM klassifiziert. Aschenputtel fährt nach Russland – könnte man dieses Märchen nennen.      

„Wir müssen uns zerreißen, wir müssen die drei besten Spiele aller Zeiten zeigen“, redet sich Andrés in Emphase. „Die Spieler müssen bei der WM zeigen, dass sie das Trikot zu Recht tragen.“ Das wird schwer genug in einer Gruppe mit England, Belgien und Tunesien. Die Erwartungen von Mannschaft und dem ganzen Land seien dann auch eher darauf gerichtet, einen guten Eindruck zu hinterlassen, sagt Roberto Rivera vom Sportsender TVMAX. „Wir wollen in Russland zeigen, dass sich der Fußball in Panama entwickelt“. Das alleine ist schwer genug in einem Land, in dem Baseball und Boxen für gewöhnlich die Menschen vor den Fernseher zieht. 

Mindestens 3.800 Fans aus Panama werden ihr Team anfeuern

Von den 23 nominierten Spielern verdienen 20 ihr Geld im Ausland, allerdings in B- oder C-Ligen. Der dem deutschen Publikum bekannteste Akteur dürfte Armando Cooper sein, der in Santiago bei Universidad de Chile spielt. Der 30-jährige Mittelfeldspieler war 2015 kurzzeitig beim FC St. Pauli unter Vertrag, kam aber am Millerntor nicht über sieben Einsätze hinaus, da er so seine Probleme mit der Disziplin hatte. Die vier europäischen Legionäre der Panama-Auswahl spielen in Rumänien, der Slowakei und den B-Mannschaften von KAA Gent in Belgien und Deportivo La Coruña in Spanien. 

Der Held der Panameños aber ist ohnehin Abwehrspieler Román Torres von Seattle Sounders in der US-Profiliga MLS. Er erzielte den Siegtreffer im entscheidenden Qualifikationsspiel gegen Costa Rica am letzten Spieltag der CONCACAF-Ausscheidungsrunde. Seither ist er endgültig eine Legende. „Es hat sich eine Menge verändert, jeder will plötzlich ein Foto mit mir", sagt Torres. „Es ist so, als ob ich ein berühmter Schauspieler wäre."

Mindestens 3.800 Fans werden Torres und Compañeros in Russland anfeuern. So viele Panamaer hatten bis Ende Mai bei der FIFA eines der Tickets für die Spiele des tropischen Aschenputtels in Russland beantragt. 

Text: Klaus Ehringfeld

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