Welttag der Indigenen: Zwei Drittel der weltweiten Morde an Umweltschützern in Lateinamerika, 40 Prozent Indigene

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Der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Pater Michael Heinz, hofft anlässlich des Welttags der Indigenen, dass Deutschland noch in diesem Jahr die ILO 169 ratifiziert. Denn „Indigene werden systematisch von ihren angestammten Territorien vertrieben, gesellschaftlich ausgegrenzt und gezielt ermordet.“ 

Intakter Regenwald (rechts) wird immer weiter abgeholzt. Indigenen werden von ihren Territorien vertrieben, damit Rohstoffe ausgebeutet oder die Flächen für Plantagen und Rinderzucht genutzt werden können.

Intakter Regenwald (rechts) wird immer weiter abgeholzt. Indigenen werden von ihren Territorien vertrieben, damit Rohstoffe ausgebeutet oder die Flächen für Plantagen und Rinderzucht genutzt werden können. Foto: Thomas Milz/Adveniat

„Der internationale Tag der indigenen Völker muss ein Tag der Trauer und des Aufschreis sein.“ Davon ist der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Pater Michael Heinz SVD, überzeugt. 1994 haben die Vereinten Nationen den 9. August erstmals den ursprünglichen Völker gewidmet. „Indigene werden systematisch von ihren angestammten Territorien vertrieben, gesellschaftlich ausgegrenzt und gezielt ermordet.“ Erschütternde Zahlen der Nichtregierungsorganisation „Global Witness“ belegten dies aktuell. Mehr als zwei Drittel der 212 weltweit getöteten Umweltschützer sind demnach 2019 in Lateinamerika umgebracht worden. 40 Prozent gehörten indigenen Völkern an. Der Adveniat-Hauptgeschäftsführer erinnert daran, dass Papst Franziskus sich 2018 in Puerto Maldonado im peruanischen Amazonasgebiet direkt an die indigenen Völker gewandt und gesagt hatte, „dass ihr mit eurem Leben in Wahrheit in die Gewissen schreit. Ihr seid lebendige Erinnerung an die Sendung, die Gott uns allen anvertraut hat: das ,gemeinsame Hausʻ zu bewahren.“ Für Pater Heinz steht fest: „Die Indigenen sind auch mit ihrem Tod ein verzweifelter Schrei, der die Weltgemeinschaft zum radikalen Umdenken, zur Umkehr ruft.“

Zunehmende Bedrohung indigener Völer durch Holzfäller, Goldsucher und Rinderbarone

Partnerinnen und Partner des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat berichten übereinstimmend von einer zunehmenden Bedrohung der indigenen Völker, ihrer Kultur und Lebensweise. „Holzfäller, Goldsucher und Rinderbarone fühlen sich durch die Politik des rechtsextremen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro aufgefordert, immer weiter ins Amazonasgebiet vorzudringen“, so Pater Heinz. Aber auch in anderen Ländern würden Indigene nur als Hindernis für die Ausbeutung von Rohstoffen und die Nutzung ihrer Territorien für Palmöl-, Zuckerrohr oder Sojaplantagen sowie Rinderweiden betrachtet. „Selbst, wenn sich die Indigenen in den ihnen gesetzlich garantierten Territorien gegen die Eindringlinge wehren, laufen sie Gefahr, ermordet zu werden. Dass auf diese Weise nicht selten auch das Corona-Virus eingeschleppt wird, ist eine weitere tödliche Gefahr. Denn Indigene sterben der brasilianischen Indigenenvereinigung Apib zufolge überdurchschnittlich häufig an Corona-Infektionen“, erläutert Pater Heinz.

Hoffnung das Deutschland die ILO 169 zum Schutz Indigener ratifiziert

Für den Adveniat-Hauptgeschäftsführer spielen die indigenen Völker eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob ein Klimakollaps infolge der menschengemachten Klimaerwärmung überhaupt noch abgewendet werden kann. „Die letzten intakten Regenwaldgebiete sind Territorien der indigenen Völker“, so der Adveniat-Chef. Das zeige der Blick auf die Satellitenbilder im Internet. „Sterben die indigenen Völker, dann stirbt die Lunge der Erde“, ist Pater Heinz überzeugt. Optimistisch stimme ihn, dass die jahrelange Forderung des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat und anderer, die einzige internationale Bestimmung zum Schutz der indigenen Völker, die ILO 169, zu unterzeichnen, in der Politik prominent angekommen sei. „Wir freuen uns sehr, dass die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Bärbel Kofler unmissverständlich gefordert hat, dass die ILO 169 ‚auch von Deutschland endlich ratifiziert wird‘.“ Pater Heinz hofft, dass es noch in diesem Jahr dazu kommt. 

"Nichtstun ist für die Indigenen und für unseren Planeten tödlich"

Der Adveniat-Hauptgeschäftsführer hält aber auch einen gesellschaftlichen Wandel für dringend notwendig. Erst in den vergangenen Wochen habe „Spiegel online“ über eine wissenschaftliche Studie berichtet, die im US-Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht wurde. Danach stehen ein Fünftel der Soja- und Rindfleischimporte der Europäischen Union aus Brasilien im Zusammenhang mit illegaler Abholzung im Amazonasgebiet und der Cerrado-Savanne. „Wer indigene Völker und die letzten großen zusammenhängenden Waldgebiete unserer Erde schützen will, kann also etwas tun“, sagt Pater Heinz. „Die Kirche hat sich mit Papst Franziskus eindeutig als Verteidigerin der bedrohten Völker und der bedrohten Umwelt positioniert.“ Im Schlussdokument der Amazonas-Synode sei mehrfach von der Option für die indigenen Völker und deren Schutz die Rede. Wörtlich heißt es mit Blick auf die in freiwilliger Isolation lebenden Völker: „Heute wird ihr Leben immer wieder bedroht, weil ihre Territorien von verschiedenen Fronten aus überfallen werden. Weil sie in demografischer Hinsicht nur so wenige sind, werden sie leicht zu Opfern ethnischer Säuberung und sind der Gefahr des Verschwindens ausgesetzt.“ Damit es dazu nicht kommt, ist eine Umkehr auf allen Ebenen notwendig, ist Pater Michael Heinz überzeugt, der im Oktober 2019 persönlich an der Amazonas-Synode im Vatikan teilgenommen hatte. „Wir müssen in Kirche, Politik und Gesellschaft jetzt handeln. Nichtstun ist für die Indigenen und für unseren Planeten tödlich“, so der Adveniat-Hauptgeschäftsführer.

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Dazu arbeitet Adveniat entschieden in Kirche und Gesellschaft in Deutschland. Getragen wird das Werk von hunderttausenden Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten rund 1.900 Projekte gefördert werden, die mit mehr als 36 Millionen Euro genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Armen.

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