Sechs Ordensfrauen in Haiti entführt

In Haitis Hauptstadt Port-au-Prince nimmt die Gewalt immer weiter zu. Zuletzt wurden mindestens sechs Ordensfrauen entführt. Die Haiti-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat Soraya Jurado ist alarmiert.

Eine Straßenszene in Port-au-Prince, im Vordergrund eine junge Frau, die sich das Gesicht mit der Hand verdeckt.

Die Lage in Port-au-Prince ähnelt einem Kriegszustand. Die Entführung der Ordensschwestern fand am hellichten Tage statt. Foto: Adveniat/Steffen

Adveniat-Partner bietet sich als Austausch-Geisel an

Bewaffnete Männer haben im Zentrum von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince einen Kleinbus überfallen. Die Insassen, darunter mindestens sechs Ordensfrauen, der Fahrer sowie weitere Personen wurden am helllichten Tag an einen unbekannten Ort verschleppt, wie Radio Vatikan unter Berufung auf lokale Quellen berichtete.

Die Stadt steht seit vielen Monaten unter Einfluss verschiedener bewaffneter Banden, die um die Vormachtstellung in den Stadtgebieten kämpfen. Der Adveniat-Partner Bischof Pierre-Andre Dumas von Anse-a-Veau und Miragoane verurteilte die Tat scharf. Die Entführer respektierten nicht einmal die Würde dieser sechs Ordensfrauen der Kongregation der Schwestern von Sainte-Anne, „die sich mit ganzem Herzen Gott hingeben, um die Jugendlichen, die Ärmsten und Verletzlichsten unserer Gesellschaft zu erziehen und auszubilden“, so der Bischof. Sich selbst bot Dumas als Geisel anstelle der Ordensfrauen an.

„Immer wenn wir denken, der Boden sei in Haiti erreicht, tut sich eine noch tiefere Spalte auf.“, erzählt Soraya Jurado, Haiti-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, angesichts der neuesten Entwicklungen. „Es ist niemand sicher.“ Betroffen von der Gewalt seien vor allem Kinder, Jugendliche und Frauen, die sowieso schon am stärksten unter der prekären Situation in Haiti leiden. „Hunger macht sich breit, es herrscht schon lange Mangelversorgung auf Haiti.“

Für die Unterstützung der Menschen in Lateinamerika.

„Kirche ist vor Ort, wo andere nicht sind.“

Doch es gibt laut Jurado auch Hoffnung: „Unsere Partnerinnen und Partner helfen direkt vor Ort und unterstützen die Menschen in ihren größten Nöten direkt an der Basis. Jeder Antrag, der bei uns eingeht bedeutet, dass der Antragsteller nicht aufgegeben hat, die Bedarfe der Menschen sieht und einen Schritt nach vorne in Richtung Zukunft gehen will.“ In der Diözese Anse-a-Veau des Bischofs Dumas, der sich zuletzt als Austausch-Geisel angeboten hat, fördert Adveniat deshalb insbesondere die Unterstützung von Jugendlichen und Familien. Zudem wird der Bau von Solaranlagen finanziert, da die öffentliche Stromversorgung nicht funktioniert. Auch die Trinkwasserversorgung ist schlecht – um die Trinkwasserqualität zu verbessern, werden Trinkwasseranlagen gefördert. So können Krankheiten, wie beispielsweise die sich wieder ausbreitende Cholera, eingedämmt werden.

Auch Papst Franziskus betete nach seinem Mittagsgebet auf dem Petersplatz am Sonntag für Haiti: „Ich bete für die soziale Harmonie im Land und rufe alle auf, die Gewalt zu beenden, die so viel Leid über diese liebe Bevölkerung bringt.“ Aktuell fordern die Geiselnehmer drei Millionen US-Dollar. „Es ist nicht klar, woher das Geld kommen soll und ob die Geiseln sicher und gesund wieder freikommen.“, so Jurado.

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Getragen wird diese Arbeit von vielen Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten 1.500 Projekte mit rund 32 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Menschen vor Ort.