Bittere Armut hinter Bitcoin-Fassade
Präsidentschafswahl in El Salvador

Hinter einer Hochglanzfassade versucht der amtierende Präsident Nayib Bukele die bittere Armut der Bevölkerungsmehrheit El Salvadors zu verstecken. Am Sonntag, 4.2.2024, tritt er erneut an, obwohl die Verfassung eine Wiederwahl gar nicht vorsieht.

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf dem Land und in den Armenviertel El Salvadors lebt in bitterer Armut.

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf dem Land und in den Armenviertel El Salvadors lebt in bitterer Armut. Foto: Hans-Maximo Musielik

„Die große Mehrheit der Menschen El Salvadors lebt in bitterer Armut unter erbärmlichen Bedingungen.“ So beschreibt die Mittelamerika-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Inés Klissenbauer, die aktuelle Realität im Gegensatz zur auf Hochglanz polierten Selbstdarstellung des mittelamerikanischen Landes. Am Sonntag, 4. Februar 2024, wird dort der amtierende Präsident Nayib Bukele zur Wiederwahl antreten, obwohl die Verfassung eine zweite Amtszeit gar nicht vorsieht. Doch das Verfassungsgericht hat den entsprechenden Artikel so ausgelegt, dass Bukele nach sechsmonatiger „Beurlaubung“ wieder antreten kann.

Inés Klissenbauer ist Mittelamerika-Referentin beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. Foto: Martin Steffen/Adveniat

„Bitcoin als Landeswährung, glitzernde Hochhausfassaden in der Hauptstadt San Salvador, die Wahlen zur Miss Universe 2023, neue schicke Urlaubsressorts für reiche Touristen – hinter dieser Hochglanzfassade versteckt Präsident Bukele die bittere Realität der überwiegenden Bevölkerungsmehrheit auf dem Land und an den Rändern der Städte“, erklärt Adveniat-Expertin Klissenbauer. Auch der behauptete Erfolg bei der Bekämpfung der Gewalt durch die Jugendbanden sei teuer auf Kosten der Armen erkauft. Unter den insgesamt bis zu 75.000 Verhafteten gebe es auch tausende Unschuldige, die nun ohne jedes rechtsstaatliche Gerichtsverfahren für Monate, teils Jahre in Haft sitzen. „Mehr als 200 Menschen sind in den Gefängnissen bereits gestorben. Die Haftbedingungen sind barbarisch und unmenschlich“, so Inés Klissenbauer. Präsident Bukele hatte bereits 2022 den Ausnahmezustand verhängt, den er seitdem regelmäßig verlängert. Dieser ermöglicht unter anderem, vermeintliche Mitglieder der Mara-Banden ohne Gerichtsbeschluss zu verhaften.

Hilfe für Mütter mit ihren im Gefängnis geborenen Kindern

Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat finanziert deshalb mit insgesamt 35.000 Euro Lebensmittel- und Hygienepakete, die Müttern mit ihren im Gefängnis geborenen Kindern zugutekommen und Familien, die ohne das Einkommen ihrer inhaftierten Ernährer hungern, auch wenn sie mit den kriminellen Mara-Banden nichts zu tun haben. 80.000 Euro stehen bereit für Familienangehörige, die sich die Kosten für einen Anwalt nicht leisten können. „Wir versuchen den armen Familien ein Minimum an Lebensmitteln in den Gefängnissen, und ein Minimum an Rechtsbeistand vor den Gerichten zu garantieren“, begründet die Mittelamerika-Expertin Klissenbauer die Hilfe des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat.

Für die Unterstützung der Menschen in Lateinamerika.

Als ungleichen und unfairen Kampf zwischen David und Goliath beschreibt der langjährige Adveniat-Partner Kardinal Gregorio Rosa Chávez den Präsidentschaftswahlkampf. Auf der einen Seite der in den Medien und insbesondere in den Sozialen Netzwerken omnipräsente amtierende Präsident Nayib Bukele, auf der anderen die nahezu unbekannten Kandidaten der Kleinstparteien, die im öffentlichen Wahlkampf kaum eine Rolle spielen. „Sie wollen eine Zukunft, in der eine einzige Partei dominiert“, so Kardinal Rosa Chávez, der am Ende der Entwicklung gar eine Diktatur befürchtet. Obwohl die Umfragen einen ungefährdeten Sieg Bukeles voraussagen, hofft Kardinal Rosa Chavez, dass „der schlafende Riese“, also die wählende Mehrheitsbevölkerung noch erwacht. Die Mittelamerika-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Inés Klissenbauer, erinnert an die faustdicke Überraschung bei den Präsidentschaftswahlen im Nachbarland Guatemala 2023: „Vielleicht nimmt sich die bislang schweigende Mehrheit der Salvadoreños ein Beispiel an Guatemala. Dort haben die Menschen den neuen Präsidenten Bernardo Arévalo gewählt und damit die Macht der korrupten Eliten durchbrochen.“

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Getragen wird diese Arbeit von vielen Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten 1.500 Projekte mit rund 32 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Menschen vor Ort.