„US-Politik muss wieder multilateraler, antirassistischer, umweltfreundlicher und sozialer werden“

Der künftige US-Präsident muss das Verhältnis der Vereinigten Staaten zu ihren südlichen Nachbarn dringend überprüfen. Das fordert das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat.

 

Die Grenze zwischen Mexiko und den USA in Tijuana. Foto: Tobias Käufer


Die großen gesellschaftlichen Fragen wie Migration, Umwelt- und Klimaschutz, die Rechte indigener Völker sowie die Förderung der Demokratie könnten nur „gemeinsam und auf Augenhöhe beantwortet werden“, sagt Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz. „Die Rechte der lateinamerikanischen Migranten dürfen nicht länger mit Füßen getreten werden. Nie wieder dürfen tausende Kinder von ihren Eltern an der Grenze getrennt werden. Millionen in den USA lebende Migranten aus Lateinamerika müssen gültige Papiere erhalten, um sich in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Kein Mensch ist illegal“, so Adveniat-Chef Pater Heinz. Es sei wichtig, dass von den US-Wahlen ein Signal gegen Populismus, nationalen Egoismus, Abschottung und Rassismus ausgehe. Dazu zähle auch der Respekt vor der Eigenständigkeit lateinamerikanischer Kulturen.

„Die Corona-Pandemie zieht in Lateinamerika schwere wirtschaftliche Konsequenzen nach sich. Zunehmende Armut und soziale Not sind immer Motoren für Kriminalität, Gewalt und dadurch erzwungene Migration“, sagt Pater Heinz. Die Lösung könne deshalb nicht sein, neue Mauern zu errichten. Stattdessen müssten die Fluchtursachen effektiver bekämpft werden. „Es ist eine neue Anti-Drogen-Politik notwendig. Zudem muss der illegale und legale Waffenhandel aus den USA nach Lateinamerika viel stärker reguliert, besser noch komplett unterbunden werden“, fordert Pater Heinz. Waffen aus amerikanischer Produktion verursachen Leid und Gewalt in Lateinamerika. Die US-Regierung müsse in den Jahren 2021 bis 2025 intensiv in den Umweltschutz und in nachhaltige Energien in Lateinamerika investieren, statt mit Zöllen und Strafen zu drohen.

 

Für Migranten in Lateinamerika und der Karibik.

 

Trotz der vergangenen vier Jahre unter US-Präsident Donald Trump hätten die Vereinigten Staaten immer noch viele Bewunderer in Lateinamerika, weil sie für demokratische Grundrechte, die Kraft sozialer Bürgerrechtsbewegungen sowie für viele Erfolgsgeschichten lateinamerikanischer Einwanderer in den USA stünden. „Wie stark der Einfluss dieser Bewegungen auch auf Lateinamerika ist, hat die jüngste Entwicklung um die anti-rassistische Black-Live-Matter-Bewegung gezeigt, die in vielen lateinamerikanischen Ländern Unterstützer gefunden hat“, sagt Pater Michael Heinz.

Umso wichtiger sei es, dass aus den USA nach dem 3. November ein neues Signal ausgehe: Die Politik der USA müsse wieder multilateraler, anti-rassistischer, umweltfreundlicher und sozialer werden. „Ein Hoffnungszeichen ist die Ankündigung des Präsidentschaftskandidaten Joe Biden, die Amazonas-Politik Brasiliens genau zu beobachten.“ Es wäre ein starkes Signal, wenn eine neue US-Regierung tatsächlich 20 Milliarden US Dollar investiert, um die Abholzung der Lunge der Welt zu stoppen.

Ebenso müsse der ins Stocken geratene Dialogprozesse mit Kuba, Venezuela und Nicaragua wieder in Gang gesetzt werden. „Ist eine Embargo-Politik nicht eher kontraproduktiv, weil sie zu einer Solidarisierung der Bevölkerung mit den kritisierten Regimen führt und diese den dortigen Machthabern auch als Ausrede für eigenes Missmanagement dient?“, fragt Adveniat-Chef Pater Heinz. „Den Preis für eine Embargo-Politik zahlt immer die Zivilbevölkerung, nie die herrschenden Eliten.“ Es sei durchaus möglich in einen Dialog mit autokratischen Regimen zu treten, ohne dabei auf die berechtigte Forderung nach der Einhaltung von Menschenrechten und demokratischen Grundrechten verzichten zu müssen.

Am 3. November wird in den Vereinigten Staaten ein neuer Präsident gewählt. Zur Wahl stellen sich der republikanische Amtsinhaber Donald Trump und der demokratische Herausforderer Joe Biden.