Perus Absturz in eine neue Ära der Polarisierung und Gewalt verhindern

Am Sonntag wird in Peru in einer Stichwahl über das Präsidentenamt entschieden. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat fordert die Achtung der demokratischen Grundrechte ein. 

„Wichtiger als die Präsidentschaftswahl bleibt für die Wählerinnen und Wähler die Not der Covid-19-Pandemie, die das Land mit 1,9 Millionen Infizierten und 69.000 Toten schwer getroffen hat“, betont Peru-Referent Michael Huhn von Adveniat.

„Wichtiger als die Präsidentschaftswahl bleibt für die Wählerinnen und Wähler die Not der Covid-19-Pandemie, die das Land mit 1,9 Millionen Infizierten und 69.000 Toten schwer getroffen hat“, betont Peru-Referent Michael Huhn von Adveniat. Foto: Luisenrrique Becerra/Adveniat

Unmittelbar vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in Peru am kommenden Sonntag, 6. Juni, um das sich der linksgerichtete Pedro Castillo und die rechtsgerichtete Keiko Fujimori bewerben, hat ein Attentat mit mindestens 16 Toten im Tal der Flüsse Apurímac, Ene und Mantaro (Vraem) den Wahlkampf überschattet, für das die Bewegung des „Sendero Luminoso“ bereits die Verantwortung übernommen hat.

Pater Michale Heinz, Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat

Pater Michale Heinz, Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. Foto: Martin Steffen

„Es ist eine Warnung an die Peruaner, dass die Gewalt jederzeit in die Mitte der Gesellschaft zurückkehren kann, wenn soziale Ungleichheit und die Abwesenheit des Staates eine Region alleine lassen“, sagt Pater Michael Heinz, Geschäftsführer des kirchlichen Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat. Peru wurde in der Vergangenheit von einer langen Epoche der Gewalt heimgesucht. Auf mindestens 70.000 bezifferte eine nationale Wahrheits- und Versöhnungskommission in der Vergangenheit die Zahl der Menschen, die zwischen 1980 und 2000 durch Gewalt im Kontext des bewaffneten Konflikts in Peru ums Leben kamen – überwiegend Indigene aus dem Volk der Quechua. Die Mehrzahl der Opfer gehe auf das Konto der linken Bewegungen „Sendero Luminoso“ (Leuchtender Pfad) und „Túpac Amaru“, für eine große Zahl „Verschwundener“ und Getöteter trügen Armee und Polizei Verantwortung. „Perus neue Präsidentin oder Perus neuer Präsident muss die Rechte der indigenen Bevölkerung achten und schützen. Und sich für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte einsetzen, egal welcher Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Hautfarbe“, fordert Heinz.

Für Menschen in Lateinamerika

Michael Huhn, Peru-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat

Michael Huhn, Peru-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. Foto: Martin Steffen

Die Stichwahl um das Präsidentenamt polarisiert die peruanische Gesellschaft, weil sowohl Castillo mit seiner Nähe zu linksautoritären Ideologien wie dem venezolanischen Chavismo als auch Fujimori, die sich nie von den Gewalttaten ihres wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen inhaftierten Vaters und Ex-Präsidenten Alberto Fujiomori distanziert hat, Ängste in der Bevölkerung hervorrufen. Die Peruaner sehen der Wahl mit Sorge entgegen. Sie stehen vor einer Wahl der schlechten Auswahl. „In den Umfragen sagen weit mehr der Befragten, wen sie nicht wählen werden, als dass sie einen der beiden Kandidaten wählen wollen“, sagt Michael Huhn, Länderreferent für Peru bei Adveniat.
Pedro Castillo, Kandidat der Partei „Perú Libre“, konnte sich im ersten Durchgang mit 19,09 Prozent der Stimmen als stärkste politische Kraft für die Stichwahl qualifizieren. Als zweite Kandidatin setzte sich Keiko Fujimori von der Partei „Fuerza Popular“ mit 13,35 Prozent durch. Schon der erste Durchgang zeigte, dass sowohl Castillo als auch Fujiomori keine breite Anhängerschaft in der Bevölkerung haben.

„Die wichtigere der beiden Wahlen, die das Parlamentes, ist aber bereits erfolgt, übrigens bei weit weniger Aufmerksamkeit im Ausland als bei der anstehenden Stichwahl des Präsidenten, da eine personalisierte Wahl medial wirksamer ist. Wer auch immer gewählt werden wird: Sie oder er wird sich mit dem Kongress, der mächtiger ist als der Präsident, arrangieren müssen“, sagt Peru-Experte Huhn.

Kongress und neues Staatsoberhaupt stehen in Peru vor schwierigen Aufgaben. In der Bevölkerung herrscht nach vielen Korruptionsfällen von vorangegangenen Präsidenten ein tiefes Misstrauen in das höchste Amt des Staates. Im November 2020 gipfelte der Unmut in Massenprotesten auf den Straßen und in einer Staatskrise. Seitdem führt als Notlösung eine Übergangsregierung das Land. Der Vorsitzende der Peruanischen Bischofskonferenz, Erzbischof Miguel Cabrejos, hatte bereits nach den Protesten ein Anforderungsprofil formuliert, dass die Person erfüllen müsste, die Peru künftig führen wolle. Die ausgewählte Person müsse vor allem neues Vertrauen schaffen, im Kongress wie in der Bevölkerung.

Bilanz der Pandemie: 1,9 Millionen Infizierte, 69.000 Tote 

Peru ist wie viele andere Länder in der Region schwer von der coronabedingten Wirtschaftskrise betroffen. „Wichtiger als die Präsidentschaftswahl bleibt für die Wählerinnen und Wähler die Not der Covid-19-Pandemie, die das Land mit 1,9 Millionen Infizierten und 69.000 Toten schwer getroffen hat und noch immer im Griff hält“, so Huhn. Adveniat hat die peruanische Kirche unter anderem dabei unterstützt, dringend benötigten Sauerstoff in die besonders von der Corona-Pandemie betroffenen Regionen zu liefern und entsprechende Produktionsstellen aufzubauen. 

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Dazu arbeitet Adveniat entschieden in Kirche und Gesellschaft in Deutschland. Getragen wird das Werk von hunderttausenden Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten mehr als 2.000 Projekte mit rund 35 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Armen.