„Wir erleben eine Ernährungskrise“
- Interview mit Adveniat-Partner Bischof Bernabé Sagastume

Eine „ganzheitliche Ökologie“ fordert Papst Franziskus immer wieder. Bischof Bernabé Sagastume von Santa Rosa in Guatemala setzt diese Forderung in die Tat um. Der Partner des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat kämpft mit den armen Menschen seines Bistums gegen die Ausbeutung ihrer Territorien durch multinationale Bergbaufirmen und setzt sich für die Kaffeebauern ein, die unter den Folgen des Klimawandels dramatisch leiden.
 

Adveniat-Partner Bischof Bernabe Sagastume setzt sich für die Rechte der Menschen und der Natur ein. Foto: Pohl/Adveniat


Als Sie 2007 nach Santa Rosa kamen, war der Kaffeeanbau noch ein gutes Geschäft. Was hat sich seitdem verändert?

 Bis 2009, 2010 waren die internationalen Preise für den Kaffee gut. Ich kann mich noch erinnern, wie Tausende Menschen aus dem Westen des Landes hierherkamen, um als Erntehelfer zu arbeiten. Heute kommen sie nicht mehr. Denn seit 2011 gibt es keine reguläre Regenzeit mehr. Anfangs hat der Klimawandel zu Überschwemmungen geführt. Daraufhin breitete sich der Kaffeerost aus, eine Pflanzenkrankheit. Die Krise trifft alle Kaffeeproduzenten in Guatemala, aber vor allem die kleinen, die unter der geringen Produktion und den schlechten Preisen leiden.

Jahrzehntelang war Kaffee die wichtigste Stütze der Wirtschaft dieser Region. Hat die gesamte Bevölkerung davon profitiert?

Gut verdient haben vor allem die Großgrundbesitzer, die Zwischenhändler und die größeren Unternehmen. Ich kenne wohlhabende Landbesitzer, die ihre Arbeiter schlecht behandeln und ausbeuten. Auf weit entfernten Plantagen in den Bergen dürfen die sogenannte Colonos auf ihrem Land leben. Diese armen Menschen sind abhängig davon, dass ihnen die Großgrundbesitzer wohlgesonnen sind. Die Unternehmer bestimmen die Löhne. Häufig sind es nur 30 Quetzales für einen sehr harten Arbeitstag, umgerechnet vier Euro. Die Colonos haben Schulden und können nicht wegziehen, weil ihre Hütten auf der Plantage stehen.
 


Wie hat sich das Leben in der Kaffeeregion während der letzten Jahre verändert?

Zugenommen haben die Armut, die Ausweglosigkeit, der Hunger. Wir erleben eine Ernährungskrise. Arme Länder wie Guatemala leiden mehr als andere unter den Folgen des Klimawandels. Wir waren nicht vorbereitet, die Regierung schon gar nicht. Zwar wurde im Jahr 2013 ein Gesetz erlassen, das die Auswirkungen des Klimawandels begrenzen soll, aber das Papier ist in den Schubladen verschwunden. Die Kleinbauern bekommen keine wirkliche Unterstützung. Viele mussten ihren Grundbesitz verkaufen, um Schulden zu bezahlen.

Wie hat die Kaffeekrise das Alltagsleben der Menschen auf dem Land verändert?

Die Kriminalität hat in den Kaffeegebieten zugenommen. Das ist eine Folge von Hunger und Armut. Man fragt sich, ob das Sünde ist. Ich glaube, es ist keine Sünde, wenn jemand stiehlt, weil er hungrig ist. Er tut es ja, um zu überleben. Jesus war immer gütig und mitfühlend gegenüber den Armen. Wir Gläubigen sehen das globale soziale Unrecht verursacht von den industrialisierten Ländern. Sie müssen ihre Verantwortung als Verursacher des Klimawandels übernehmen, solidarisch sein mit den armen Ländern, die unter den Folgen leiden. Alleine werden wir in Guatemala das Problem nicht in den Griff bekommen.
 

Für die Förderung von Umweltprojekten in Lateinamerika.


Einige Politiker bestreiten bis heute, dass Menschen für die weltweite Erderwärmung verantwortlich sind…

…Die zerstörerischen Folgen sind doch längst offensichtlich. Ein Beispiel: Mais und Bohnen sind der Grundnahrungsmittel der meisten Guatemalteken. Ihre Aussaat begann früher immer im Mai, weil da der erste Regen fiel. Heute gibt es weniger Regen und keine Regelmäßigkeit mehr. Den Vereinten Nationen zufolge ist Guatemala weltweit auf dem vierten Platz und in Lateinamerika auf dem ersten Platz der Länder, die den Folgen des Klimawandels am stärksten ausgesetzt sind.

Wie reagieren die Menschen darauf?

Die Menschen in Mittelamerika sind sehr besorgt, weil es nicht mehr regnet. Viele Familien entschließen sich, auszuwandern. Sie riskieren ihr Leben bei dem Versuch, in die USA zu gelangen. Dort werden sie als illegale Einwanderer kriminalisiert. Einige bilden Karawanen, die durch Mexiko ziehen. Dieses Phänomen hat es früher nicht gegeben. Ganz gleich, wie sehr die Grenzkontrollen verschärft werden, und egal wie viele Mauern gebaut werden, die Menschen werden immer versuchen, der humanitären Krise zu entkommen.
 

Adveniat-Projekt: Mensch und Umwelt schützen

Bischof Bernabé Sagastume setzt sich ganzheitlich für Mensch und Umwelt ein. In seiner Diözese Santa Rosa de Lima gründete er die Initiative „Kommission für den Erhalt der Natur“. Damit will er die Menschen sensibilisieren für die Risiken des Bergbaus in der Region und sie über ihre Rechte aufklärnen. 

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