Ein Jahr nach dem Erdbeben im Süden Haitis kommt der Wiederaufbau voran

Am 14. August 2021 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,2 die Halbinsel Tiburon im Süden von Haiti. Über 2200 Menschen starben, Zehntausende von Gebäuden wurden zerstört. Die Adveniat-Partnerorganisation Proche baut zerstörte Kirchengebäude wieder auf - unter schwersten Bedingungen.

Am 14. August 2021 erschütterte ein Erdbeben den Süden von Haiti. Bischof Joseph Gontrand Décoste steht in den Trümmern der Kathedrale San Luis. Foto Adveniat/Milz

„Dieser Ort ist der wichtigste, der emblematischste unserer Diözese, es ist unsere Mutterkirche“, sagt Joseph Gontrand Décoste, der Bischof von Jérémie. Er steht inmitten der Trümmer der Kathedrale San Luis. „Die Glocken sind heruntergefallen und haben Teile der Kirche eingerissen. Nun müssen wir schauen, ob wir sie wieder aufbauen können.“

Stephan Destin, Leiter des katholischen Wiederaufbaubüros „Proche" in der Erdbebenregion. Foto: Adveniat/Milz

Der Mann, der darauf eine Antwort geben kann, ist Stephan Destin, der die Arbeiten des katholischen Wiederaufbaubüros „Proche" in der Erdbebenregion leitet. Seit dem Erdbeben hat sein Team rund 500 beschädigte kirchliche Bauten analysiert, darunter Kirchen, Pfarrhäuser, Schulen und Krankenhäuser. 

Den Bischöfen in den drei betroffenen Diözesen hat man Empfehlungen zu jedem einzelnen Gebäude gegeben, ob sich ein Wiederaufbau lohnt oder nicht. Zumal der Transport der Baumaterialien aus dem von Gang-Kämpfen erschütterten Port-au-Prince hierher sehr schwierig geworden ist. 

Doch bei der Kathedrale von Jérémie fällt die Entscheidung besonders schwer. „Die Kathedrale ist für den Bischof ein Projekt mit absoluter Priorität“, erklärt Destin. Denn den Bürgern von Jérémie liegt viel an der Kathedrale, die das Symbol der Hafenstadt ist. Doch die von dem Erdbeben geschwächten Grundmauern zu verstärken, damit der eingestürzte Glockenturm und das Dach wieder Halt haben, könnte teurer werden als ein Neubau, so Destin.

Für die Unterstützung der Menschen Haiti.

Vorerst werden die Messen in einem provisorischen Bau vor der Kathedrale abgehalten. Man rechne noch, was kostengünstiger wird, so Destin. So könnte man die Ruinen abreißen und die Kathedrale originalgetreu neu bauen. „Aber natürlich mit einer Struktur, die zukünftigen Erdbeben widerstehen kann. Oder zukünftigen Hurrikans.“

Das Baubüro „Proche“ hat bereits zahlreiche kirchliche Gebäude wieder aufgebaut, die 2016 von dem Hurrikan Matthew beschädigt wurden, der dieselbe Region traf wie das Erdbeben vor einem Jahr. Aufgrund der prekären Versorgungslage mit Baumaterialien sind einige der nach dem Hurrikan gestarteten Projekte jetzt erst in der Endphase. Nun muss entscheiden werden, in welcher Reihenfolge man sich an die Wiederaufbauarbeiten der durch das Erdbeben beschädigten Gebäude macht.

In Jérémie versuchen die Menschen zwischen den Trümmern zurecht zu kommen. Foto: Adveniat/Milz.

Dazu hat man den drei betroffenen Diözesen von Jérémie, Les Cayes und Anse-à-Veau et Miragoâne Listen vorgelegt, auf denen die einzelnen Bauten mit Ampelfarben markiert sind: Grün für sich lohnende Aufbauprojekte, Gelb für mit Risiken behaftete und Rot für Bauten, deren Wiederaufbau sich nicht lohnt. 

Stephan Destin bleibt trotz der bürgerkriegsähnlichen Zustände in der Hauptstadt Port-au-Prince und dem politischen Chaos in Haiti positiv gestimmt. „Obwohl es gerade in Port-au-Prince so schwierig ist, und ich nicht weiß, wie man die Lage dort verbessern soll, geht es im Süden voran. Und ich bin mir sicher, dass viele Gebäude wieder aufgebaut werden, wie die Kathedrale von Jérémie.“Zum Gelingen trägt auch Adveniat bei. Zur Unterstützung von „Proche“ läuft derzeit ein Dreijahresprogramm (2021-2023) mit einer Gesamtsumme von 377.400 Euro für die Wiederaufbauarbeit in der betroffenen Region.

Haiti: „Was den Wiederaufbau angeht, bin ich optimistisch“

Im August 2021 erschütterte zum wiederholten Male ein Erdbeben Haiti. Stephan Destin leitet die Wiederaufbauarbeiten des kirchlichen Baubüros „Proche“, dessen Arbeit von Adveniat mitfinanziert wird. Wir haben mit ihm über den Fortschritt und Hindernisse beim Wiederaufbau gesprochen. Zum Interview

„Trotz der schlimmen Nachrichten, die wir in den letzten Monaten aus Haiti erhalten und deren dramatische Eskalationsspirale wohl noch kein Ende findet, freuen wir uns bei Adveniat, dass wir auf unsere Partner vor Ort zählen können“, erklärt Soraya Jurado, Adveniat-Referentin für Haiti. „Die Zahl der Anfragen, vor allem aus den Pfarreien und ländlichen Gebieten, macht deutlich, dass die Unterstützung von Adveniat dringend benötigt wird und dort ankommt, wo sie gebraucht wird.“ 

„Dank der Unterstützung unserer Spender in Deutschland konnten wir dieses Jahr nicht nur Bildungsmaßnahmen, sondern auch Zisternen im vom Erdbeben 2021 betroffenen Gebiet sowie ein Alphabetisierungs- und Kleinkreditprogramm für Frauen fördern. Jeder noch so kleine Schritt, der dazu beiträgt, das Leben der Menschen zu verbessern, stellt nicht nur eine materielle Unterstützung dar, sondern ist auch ein sehr wichtiges Zeichen der Solidarität und ermöglicht es unseren Partnern, den Menschen in Haiti Hoffnung zu machen und Perspektiven aufzutun.“