Wahl in Brasilien: Dunkler Mythos Bolsonaro - Hoffnung Repam

In Brasiliens Amazonasregion lebt die ursprüngliche Bevölkerung unter dem zunehmenden Druck des vordringenden Agro-Business und staatlicher Großprojekte. Bei den Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober droht zudem ein Sieg des ultra-rechten Kandidaten Jair Messias Bolsonaro. Thomas Milz hat mit Darlene Braga gesprochen, die die Landpastoral im Amazonas-Netzwerk Repam vertritt, dem auch das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat angehört.

Yanomami in Brasilien

Die indigenen Völker Brasiliens sind dem Druck des Agro-Business und staatlicher Megaprojekte schutzlos ausgeliefert. Ein Sieg des ultrakonservativen Präsidentschaftskandidaten Bolsonaro könnte ihre Situation weiter verschärfen. Foto: Jürgen Escher/Adveniat

Thomas Milz: Wie steht es um die Gewalt gegen indigene Völker in der Amazonasregion?

Darlene Braga: Diese Gruppen wurden in der Geschichte stets enteignet und mussten Gewalt über sich ergehen lassen. Derzeit erleben wir regelrechte Fälle von Barbarei und Massakern. Das Amazonasgebiet wird ausgeplündert. Und die ursprüngliche Bevölkerung wird dabei ausgelöscht.

Der Indigenen-Missionsrat Cimi hat diese Woche den Gewaltbericht für 2017 vorgelegt. 108 Indigene wurden umgebracht, die Zahl von Drohungen und Mordanschlägen ist weiterhin hoch. 

Braga: Unsere Beobachtungen vor Ort bestätigen die Entwicklung: In 668 Konflikten ging es um Land, hinzu kommen noch 45 Auseinandersetzungen um Wasser. 4.163 Familien wurden allein im Amazonasgebiet von ihrem Land vertrieben. Zudem kamen hier bei Landkonflikten 56 Personen ums Leben. Es gab 103 versuchte Morde und 188 Morddrohungen. Am Amazonas geht es um wertvolle Rohstoffe – das erklärt die Zunahme der Gewalt in den ländlichen Regionen.

Mit der Kampagne Zukunft Amazonas unterstützt Adveniat die indigenen Völker in ihrem Kampf um ihr Überleben.

Wer sind die Opfer, wer sind die Täter?

Braga: Opfer sind Kautschukzapfer, Quilombolas (Nachfahren entlaufener Sklaven, Anm.d.Red.), Kleinbauern und generell die indigene Bevölkerung. Die Täter sind stets Großgrundbesitzer, Holzhändler, Landräuber – und der Staat.

Welche Akzente setzt denn die seit 2016 im Amt befindliche konservative Regierung um Präsident Michel Temer?

Braga: Der Regierung ist das Großkapital wichtig: Agro-Business, Holzhändler, Betreiber von Wasserkraftwerken und eben nicht die indigene Bevölkerung. Gefördert werden all die Projekte, die die Natur in reine Waren verwandeln. Gewalt wird dabei in Kauf genommen. Im Jahr 2017 hatten wir in Brasilien fünf große Massaker in den Bundesstaaten Mato Grosso, Pará, Rondonia, Bahia und Amazonas. Dabei wurden 23 Anführer der Zivilgesellschaft umgebracht. Das ist eine Massenexekution. Die Regierung schaut weg und kümmert sich stattdessen um die großen Infrastrukturprojekte und die Interessen der Unternehmer.

Darlene Braga von der Repam-Landpastoral.
Darlene Braga von der Repam-Landpastoral. Foto: privat

Welche Ziele verfolgen denn die indigenen Völker?

Braga: Die ursprüngliche Bevölkerung garantiert das Leben auf diesem Planeten. Sie sind die Wächter der Natur, beschützen die Umwelt, kümmern sich um den Wald. Sie denken und leben das „Bem Viver“, das „Gute Leben“ vor.

Und was tun die staatlichen Institutionen, die zu ihrem Schutz gegründet wurden?

Braga: Diese Institutionen handeln, wenn etwas passiert, versuchen zu vermitteln, stellen Notfallpläne auf – und dann sind sie wieder verschwunden. Es gibt keine langfristigen Initiativen. Der Indigenenbehörde Funai und der Behörde für die Agrarreform Incra fehlen Geld und Personal.

Der Wahlkampf ums Präsidentenamt wird vom ultra-rechten Kandidaten Jair Messias Bolsonaro beherrscht. Auch am Amazonas?

Braga: Wir dachten eigentlich, dass die Bevölkerung hier sensibler in Bezug auf das Thema Gewalt geworden sei. Doch dann tauchte das Phänomen Bolsonaro auf. Als er im August in meinem Heimatstaat Acre seine gewaltverherrlichenden Gesten gemacht hat, haben das viele Leute nachgeahmt. Selbst Leute, mit denen wir zusammenarbeiten. Die Menschen sind voll Hass auf die Arbeiterpartei PT und werden immer intoleranter. Manche sind überzeugt, dass eine Art Militärdiktatur die einzige Lösung sei und dass man die Bevölkerung bewaffnen muss.

Was wäre die Folge einer bewaffneten Bevölkerung?

Braga: Das führt zur Barbarei. Menschen voller Hass, die sich aufregen und eine Waffen in der Hand halten – da kann alles passieren. Es ist unerklärlich, was gerade in Brasilien passiert. Ich war schockiert von Bolsonaros Reden und den Menschenmassen, die ihm applaudierten.

Wie reagiert die Kirche darauf?

Braga: Das Problem hier sind die riesigen Entfernungen im Amazonasgebiet. Reisen dauern lange und sind teuer. Und auch die Kommunikation ist schwierig. Aber es gibt Hoffnungsstreifen am Horizont. Dazu gehört das Amazonas Netzwerk Repam. Wir von der Landpastoral sind wie auch der Indigenen-Missionsrat Cimi in dieses Netzwerk mit den Kirchen der neun Amazonasstaaten verwoben. Bischöfe, die vorher eher verschlossen waren, engagieren sich jetzt. Repam ist ein Licht inmitten dieser uns herausfordernden Situation in Brasilien und der ganzen Amazonasregion.