Adveniat-Partner über Wahlen in Paraguay: "Die Angst besteht darin, dass alles beim Alten bleibt."

In kaum einem Land Südamerikas ist die soziale Ungleichheit so extrem wie in Paraguay. Trotz Korruptionsvorwürfen gab es nun bei der jüngsten Wahl in dem lateinamerikanischen Land keinen Machtwechsel. Mit Santiago Pena stellt erneut der konservative "Partido National" den Präsidenten. Im Interview spricht Adveniat-Partner Ricardo Gonzalez über Hoffnungen und Ängste gegenüber dem neuen Präsidenten.
 

Ricardo Gonzalez von der Sozialpastoral kämpft in Paraguay für ein würdiges Leben der Menschen seiner Gemeinde, die regelmäßig von Überschwemmungen betroffen ist. Foto: Schmieg/Adveniat


Was sind die größten Herausforderungen für den neuen Präsidenten?

Das erste große Thema, dem sich der neue Präsident widmen wird, ist die Frage der Wirtschaft. Die Folgen der Pandemie führten Paraguay in eine Rezession, die mehrere Folgen hinterließ, darunter ein stark rückgängiges Wirtschaftswachstum. In diesem Jahr haben die Wachstumsraten des Landes wieder zugenommen und gehören mit einer Prognose von etwa 4 Prozent zu den besten in der Region.

Doch der zukünftige Präsident muss sich einem Schuldenproblem stellen, das in den letzten zehn Jahren ein gefährliches Ausmaß erreicht hat. Gleichzeitig muss er in die Infrastruktur investieren, in die öffentliche Gesundheit, in Bildung, in das Versorgungssystem für Wasser und sanitäre Einrichtungen. Ein weiteres brennendes und besorgniserregendes Problem ist das große Defizit in den Rentenfonds des öffentlichen Sektors, das eine sehr große Belastung für den Jahreshaushalt des Landes darstellt. Was die Ressourcen betrifft, wird es notwendig sein, die Steuern zu erhöhen, insbesondere auf Gewinne und Kapital, zusätzlich zur Rationalisierung der Staatsausgaben. Da müsste der Präsident sich durchsetzen, insbesondere gegenüber dem Unternehmenssektor, der sehr stark gegen jede Art von Steuererhöhung ist.

Ein weiteres wichtiges Thema, das angegangen werden muss, ist die Frage des Landbesitzes und der Landverteilung, die die Ursache für große soziale Konflikte mit bäuerlichen und indigenen Sektoren sind. Die Lösung dieses Problems wird von der neuen Regierung viel Verhandlungsgeschick erfordern. Wenn dieses Problem nicht angegangen und nicht gelöst wird, wird es früher oder später zu großen Konflikten kommen.

Die andere große Herausforderung besteht darin, die Institutionalisierung öffentlicher Einrichtungen zu erreichen, die in hohem Maße vom ehemaligen Präsidenten, Horacio Cartes, abhingen. Dieser Mann mit dem übertriebenen Ehrgeiz, sein Vermögen zu mehren, schaffte es vermutlich dank Bestechungsgeldern, dass öffentliche Stellen seinen Interessen nachkamen, insbesondere die Kontroll- und Inkassobehörden sowie die Justiz und die Generalstaatsanwaltschaft. Die institutionelle Wiederherstellung dieser Einheiten, das heißt, dass jede Körperschaft ihren eigenen Zwecken dient und nicht den politischen und wirtschaftlichen Interessen der Politiker, ist elementar.
 

Für die Unterstützung der Menschen in Lateinamerika.


Welche Projekte sollte der neue Präsident priorisieren, um die Situation der Bevölkerung, insbesondere der Armen, zu verbessern?

Schaffung von Einkommensquellen, Verbesserung des Bildungssystems, Verbesserung der Gesundheitsversorgung, Einleitung eines Frontalkampfs gegen Korruption im öffentlichen Sektor, Unabhängigkeit und starke Unterstützung des institutionellen Rahmens der Justiz und der Staatsanwaltschaft, um Korruptionsfälle zu ahnden. Formalisierung des Landbesitzes des bäuerlichen Sektors und entscheidende Unterstützung der bäuerlichen Familienbetriebe durch technische Unterstützung, Spende von Betriebsmitteln und Marktverwaltung für den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte. Eine weitere große Herausforderung ist der Umgang mit Kriminalität, insbesondere von großen internationalen Mafia-Konzernen, die sich in den Grenzgebieten zu Brasilien und Argentinien niedergelassen haben.

Welche Ängste haben Sie, wenn Sie an die nächsten Jahre in Paraguay denken?

Die große Angst besteht darin, dass nach den Wahlen alles beim Alten bleibt. Dass eine großartige Gelegenheit, die korrupten Politiker zu ändern, die Politiker, die mehr an ihrem Geschäft, ihren persönlichen Interessen interessiert sind, als an der Lösung der großen Probleme des Landes, nicht genutzt wurde. Die Befürchtung, dass der arme Sektor aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit des Staates wachsen wird und dass die ernsthaften sozialen Probleme des Landes fortbestehen, ohne von den Behörden angegangen zu werden, die für ihre Probleme nicht empfänglich sind.