„Die Menschen haben die Korruption satt“ - Adveniat zur Wahl des neuen Präsidenten von El Salvador

El Salvadors neuer Präsident gilt als Hoffnungsträger. Ob seiner Ankündigung, neue Arbeitsplätze zu schaffen, Taten folgen, da sind Adveniat-Projektpartner skeptisch. Ovidio kann dank eines Adveniats-Projekts als Schuster arbeiten. Foto: Jürgen Escher/Adveniat

Essen/El Salvador.

Nayib Bukele wird neuer Präsident von El Salvador. Der 37-Jährige von der konservativen Großen Allianz der Nationalen Einheit (GANA) holte im ersten Durchgang knapp 54 Prozent der Stimmen und gewann damit gegen die Kandidaten der etablierten Parteien. „Das war eine Abstrafung der FMLN und der Arena-Partei und zeigt den Verlust der Glaubwürdigkeit von Politik“, sagt Inés Klissenbauer, Mittelamerika-Referentin bei Adveniat. Partner des Lateinamerika-Hilfswerkes hätten Angst davor, dass die Fortschritte im Menschenrechtsbereich unter Bukele nicht fortbestehen. 

Carolin Kronenburg: Schwarze Lederjacke, Vollbart, zurückgegeltes langes Haar – wer ist der neue Präsident El Salvadors, der sein Rocker-Image pflegt?

Inés Klissebauer: Nayib Bukele ist vor allem sehr populär. Er gehörte zur FMLN wie traditionell seine Familie, reiche aus Palästina stammende Geschäftsleute. Er ist vor allem populär geworden durch seine Arbeit als Bürgermeister von Nuevo Cuscatlán und der Hauptstadt San Salvador, wo er die prekäre Sicherheitslage sehr verbessern konnte und Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung gebracht hat. Vor allem ist er einer, der seine Meinung sagt und immer wieder die Korruption – auch in den Reihen der eigenen Partei – angeprangert hat. Er gehört als 37-jähriger Werbefachmann zur jungen Generation, die sich bestens auskennt mit Twitter, Facebook und anderen sozialen Medien.

Frau Klissenbauer, Sie kommen gerade aus El Salvador zurück. Wie erklären Sie sich den Sieg Bukeles im ersten Wahlgang? Und wie war die Stimmung am Wahltag? 

Klissenbauer: Bukele hat eine starke Anhängerschaft in der jungen Bevölkerung und unter den Salvadoreños, die im Ausland leben. Er steht für viele für einen glaubhaften Stil in der Politik und dafür, dass er das stark polarisierende Zwei-Parteien-System der rechten Republikanischen-Nationalistischen Allianz, Arena, und der linken Nationalen Befreiungsfront Farabundo Marti, FMLN, durchbrechen kann.  
Neben der spürbaren Begeisterung der jungen Menschen für Bukele habe ich bei unseren Gesprächspartnern sehr viel Skepsis erfahren. Unsere kirchlichen Partner und viele weitere soziale Organisationen befürchten, dass die Fortschritte im Menschenrechtsbereich unter Bukele nicht fortbestehen. Von daher ist die Besorgnis sehr groß. Sowohl die Begeisterung als auch die Skepsis gegenüber Bukele war in El Salvador spürbar. 

Man spricht von der niedrigsten Wahlbeteiligung seit 20 Jahren: Nur jeder vierte Salvadoreño hat gewählt …

Klissenbauer: Das war eine Abstrafung der FMLN und der Arena-Partei und zeigt den Verlust der Glaubwürdigkeit von Politik. Viele sind sehr verunsichert. Keine der drei Alternativen konnte wirklich überzeugen. Die Menschen haben die Korruption satt. GANA ist eine rechte Partei, eine Abspaltung der Arena-Partei, in der vor allem Unternehmer sitzen. Deshalb haben die Menschen Angst davor, dass die wirtschaftlichen über die sozialen Interessen siegen; davor, dass am 2016 verabschiedeten Anti-Bergbau-Gesetz, für das auch die Kirche über 12 Jahre gekämpft hat, gerüttelt oder dass ein Gesetzt zur Wasserprivatisierung verabschiedet wird. 

Bukele entstammt der traditionellen Elite des Landes, die bestehende Machtstrukturen zementiert. Im Wahlkampf hatte er vor allem für seinen Einsatz gegen die Korruption geworben – wie passt das zusammen? 

Klissenbauer: In El Salvador gibt es viele Politiker, die wegen Korruption angeklagt und verurteilt wurden. Ganz prominentes Beispiel ist der vorletzte Präsident der FMLN, Mauricio Funes, bei Arena beispielsweise auch Ex-Präsident Elías Antonio Saca, der Gründer der Gana-Partei ist, für die jetzt Bukele angetreten ist. So gibt es viele, die sich Korruption zu Schulden gemacht haben. Aber das heißt nicht, dass die gesamte Unternehmerschaft, aus der er stammt, korrupt ist. Im Wahlkampf, der sehr heftig geführt worden ist, hat man auch ihm Korruption nachgesagt. Er hat wohl Familienmitglieder in Vertrauenspositionen eingesetzt. Nichtsdestotrotz traut man ihm, angesichts der Skandale bei den beiden etablierten Parteien, zurzeit am meisten im Kampf gegen die Korruption zu. 

Steht er denn für soziale Gerechtigkeit? 

Klissenbauer: Er möchte gegen die Korruption kämpfen und das heißt eben auch gegen die Armut und gegen den Hunger im Land. Er sagt, wenn nicht geklaut wird, wenn es keine Korruption im Land gibt, dann reicht es für alle. Er tritt für soziale Gerechtigkeit an. Allein sein Regierungsprogramm ist in vielen Punkten nicht eindeutig. Er will sich für wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung einsetzen und Arbeitsplätze schaffen – aber was er konkret vorhat, war vielen Menschen, mit denen ich gesprochen habe, nicht klar.   

Wie will Bukele Arbeitsplätze und Frieden in El Salvador schaffen?

Klissenbauer: Er spricht von großen Infrastrukturprojekten, die Arbeit schaffen, wie einem Flughafenneubau und der Einrichtung von Zugverkehr in El Salvador. Was davon wirklich umgesetzt werden kann, ist noch offen. Er setzt auf Arbeit, er setzt auf Bildung.

Im Parlament hat die GANA bisher nur elf der insgesamt 84 Sitze inne. Da wird das Regieren schwierig …

Klissenbauer: Ja, das Regieren wird ihm schwer gemacht werden. Politische Analysten sagen, dass er praktisch keine Chance haben wird, großartig etwas auszurichten, weil seine Partei nur mit elf Sitzen im Parlament vertreten ist. Von daher sagen viele voraus, dass er in fünf Jahren nicht viel vorzuweisen hat und sagen wird, dass man ihn nicht gelassen hat. 

Das Interview führte Carolin Kronenburg

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