Menschenrechtskommission untersucht Polizeigewalt in Kolumbien

Mit großer Spannung blickt Kolumbien auf die am Dienstag begonnene dreitägige Mission der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH). Sie soll Vorwürfe von massiver Polizeigewalt und gewalttätigen Ausschreitungen im Zuge der seit 28. April andauernden Sozialproteste untersuchen.

Polizeigewalt bei Massenproteste in Kolumbien wird untersucht

Die Polizeigewalt gegen die Massenproteste in Kolumbien - auf dem Bild sind die Demonstrationen am 7. Mai in Cali zu sehen - wird nun von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission untersucht. Foto: Antonia Schäfer/Adveniat

Schon seit Sonntag befindet sich die Interamerikanische Menschenrechtskommission CIDH im Land. Sie traf sich mit Vertretern der Regierung, um deren Sichtweise und Dokumentationen kennenzulernen. Die Regierung des rechtsgerichteten Präsidenten Ivan Duque spricht von "urbanem Terrorismus". Straßenblockaden hätten landesweit die Bevölkerung von Lebensmittel- und medizinischer Versorgung abgeschnitten. Opfer dieser Blockaden wollen ebenfalls mit dem CIDH sprechen.

Deutlich schwerer wiegen jedoch die Vorwürfe der Regierungsgegner. Bewaffnete Zivilisten, die unter dem Schutz der Polizei auf Demonstranten schießen, sowie brutale Polizeieinsätze sind auf Videos dokumentiert. Menschenrechtsorganisationen haben dazu aufgerufen, vorliegende Beweise einzureichen, auch anonym. Die Zahl der Toten variiert zwischen 20 und 70. Zudem gibt es Berichte über Vermisste. Auch hier variieren die Zahlen deutlich.

Calis Erzbischof Darío de Jesús Monsalve Mejía hatte inmitten der Gewalt gefordert, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken. Der Staat müsse "die institutionellen Akteure der Unterdrückung zurückziehen, insbesondere die Spezialeinheit ESMAD", fordert der Partner des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. Die Einheit ist umstritten, weil sie besonders hart gegen Demonstranten vorgeht. Je nach Schwere der Übergriffe könnte das für die Regierung politische Konsequenzen haben. Duque selbst kündigte am Wochenende eine Polizeireform an.

Für Frieden und Menschenrechte in Lateinamerika und der Karibik.

Kolumbien-Referentin Monika Lauer Perez

Monika Lauer Perez ist Kolumbien-Referentin bei Adveniat. Foto: Martin Steffen

Die CIDH selbst gibt sich angesichts der politischen Brisanz zurückhaltend. "In den genannten Tagen wird die CIDH in Bogota und Cali sein, mit vielen Sektoren sprechen und Informationen entgegennehmen", heißt es in ihrer Erklärung. Gesprächspartner seien Vertreter der kolumbianischen Zivilgesellschaft, Opfer von Gewalt sowie staatliche Stellen. Die
CIDH werde die Reise auf Einladung Kolumbiens antreten. Der Hinweis auf die Einladung Bogotas ist politisch nicht unbedeutend - hatte es doch zuvor geheißen, Kolumbien weigere sich, die Delegation ins Land zu lassen. Vizepräsidentin Marta Lucia Ramirez wies dies zuletzt zurück. Kolumbien toleriere Verletzungen der Menschenrechte weder durch einen Amtsträger noch durch die Polizei. 

Für die Kolumbien-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Monika Lauer Perez, steht fest: „Die Toten und Verletzten in den Straßen Kolumbiens sind das Ergebnis der krachend gescheiterten Politik von Präsident Iván Duque. Kolumbien muss dringend den Versöhnungs- und Friedensprozess fortsetzen, den sein Vorgänger und Friedensnobelpreisträger Manuel Santos begonnen hatte."

Kolumbien wird seit Ende April von Sozialprotesten erschüttert. Anlass war eine umstrittene und inzwischen zurückgenommene Steuerreform. Regierung und Organisatoren des Streikkomitees versuchen derzeit, in direkten Gesprächen eine Lösung der innenpolitischen Krise herbeizuführen. Die Vereinten Nationen und die vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat bei ihren Friedens-Initiatiben seit Jahren unterstützte katholische Kirche beobachten die Gespräche.

KNA/red

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