Venezuela: Ethnozid an Indigenen?

Im Schatten der politischen Krise Venezuelas tobt ein Konflikt um ein riesiges Bergbaugebiet südlich des Orinoco. Mehrer indigenen Völker sind in ihrer Existenz bedroht.

Auch wenn die Goldmine längst verlassen ist, bleiben zertörte Wälder und verseuchte Flüsse zurück. Die Indigenen Völker verlieren so ihre Lebensgrundlage.

Auch wenn die Goldmine längst verlassen ist, bleiben zertörte Wälder und verseuchte Flüsse zurück. Die Indigenen Völker verlieren so ihre Lebensgrundlage. Foto: Adveniat/Tina Umlauf

Der "Arco Minero del Orinoco" wurde im Februar 2016 vom venezolanischen Staat als strategische Entwicklungszone geschaffen. Das Gebiet, in dem Rohstoffe in großem Stil abgebaut werden sollen, umfasst mit 111.000 Quadratkilometern etwa 12 Prozent der Fläche Venezuelas. Umweltaktivisten laufen Sturm gegen das Megaprojekt, das ihrer Ansicht nach zum Ethnozid indigener Völker führen kann. Die Umweltschützer haben Klage eingelegt und hoffen, dass die Verfassungswidrigkeit des Arco Minero erklärt wird. Die UN-Konvention ILO 169, die von Venezuela bereits 2002 ratifiziert wurde, verlangt zudem, dass die ursprünglichen Völker zuvor unabhängig und ergebnissoffen konsultiert werden. Um weltweit eine stringentere Umsetzung der einzigen internationalen Vereinbarung zum Schutz der indigenen Völker durchzusetzen, fordert das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat auch von der deutschen Bundesregierung, die ILO 169 endlich zu ratifizieren.

Für gute Lebensbedingungen für die indigenen Völker im Amazonas.

Venezuelas extreme Abhängigkeit vom Öl als Druckmittel 

In dem rohstoffreichen Gebiet lagern unter anderem Gold, Kupfer, Diamanten, Bauxit und Koltan. Kritiker prangern an, dass erforderliche Umweltstudien ausgeblieben seien, was bereits jetzt zu erheblichen Schäden geführt habe. Zudem gab es mehrere Morde. Venezuelas umstrittener Präsident Nicolás Maduro preist den Arco Minero damit an, dass Venezuela damit seine extreme Abhängigkeit vom Öl abmildern könne. Gerade erst hat der zuständige Minister erklärt, dass Bergbauaktivitäten in Nationalparks grundsätzlich verboten seien. Aktivisten dagegen nennen konkrete Fälle, in denen die Biodiversität Schaden genommen hat. Im Einzugsgebiet des Projekts liegt auch das Becken des Río Caroní. 96.000 Quadratkilometer groß enthält es die wichtigsten Süßwasser-Reserven Venezuelas. 60 Prozent der Wasserenergie des Landes entstehen hier. 

Arbeiter im Bergbau dürfen sich nicht versammeln und nicht streiken 

Was die betroffenen indigenen Völker betrifft, so haben diese den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte auf ihrer Seite. Dieser sieht in Bergbau-Aktivitäten eine schwere Bedrohung der Menschenrechte. Aber auch Venezuelas Gesetzgebung fordert, in Übereinstimmung mit der ILO 169 bei Großprojekten die Betroffenen einzubeziehen. Der Arco Minero verletzt Menschenrechtsaktivisten zufolge nicht nur die Rechte der indigenen Völker, sondern auch jene der Arbeiter, die im Bergbau tätig sind. Das Dekret zum Arco Minero verbietet in Artikel 25 Versammlungen, Demonstrationen und Streiks und sieht Strafen vor. Begründung: Einzelinteressen stünden nicht über dem Interesse der Allgemeinheit. Ein klarer Verstoß gegen internationales und venezolanisches Recht. 
 
Über 50.000 Indigene sollen bereits vertrieben worden sein. Außerdem werden indigene Mädchen dem Bericht "Mujeres al Límite" zufolge von bewaffneten Gruppen sexuell missbraucht, ausgebeutet und prostituiert. Menschenrechtsorganisationen haben Venezuelas Regierung dazu aufgerufen, die Lage zu untersuchen und die Verantwortlichen festzunehmen. 

Bernd Stößel